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Studieren in Kenia
Bildung mit deutscher Unterstützung

Das kenianische Bildungssystem kennt nur ein Ziel: Kinder auf die Hochschule vorzubereiten. Wer es nicht an die teuren Universitäten schafft, hat kaum eine Alternative. Fachhochschulen oder duale Ausbildungssysteme gibt es nicht. Die deutsche Bundesregierung möchte nun mit dem Bau einer FH die praxisnahe Ausbildung von Studierenden unterstützen.

Von Utz Dräger |
    Kenia: Schüler posieren mit ihren neuen Tablets.
    Kenias Hochschullandschaft wächst rasant. Seit einer Bildungsreform in den 2000er-Jahren können viele Kinder im Anschluss an die Sekundarstufe eine Universität besuchen. (Deutschlandradio / Linda Staude)
    Eine der vielen Baustellen in Kenias Hauptstadt Nairobi. Das Fundament steht schon, auf Stahlträgern wird geschweißt und gehämmert. Hier wächst ein Hochhaus in die Höhe – die Universität von Nairobi lässt anbauen.
    "Wir sind entschlossen, dass wir mehr Studierende unterbringen wollen", so Professor Isaac Mbeche, aus der Verwaltung der Universität "daher haben wir Pläne entwickelt, Studentenwohnheime mit zusätzlichen 50.000 weitere Betten zu bauen!"
    Zahl der Studierenden hat sich verzehnfacht
    Kenias Hochschullandschaft wächst rasant. Das ostafrikanische Land hat eine junge Bevölkerung, über die Hälfte von ihr ist unter 25 Jahren alt. Der aktuelle Boom der Studierendenzahlen hat noch einen Grund: Anfang der 2000er-Jahre gab es eine Bildungsreform. Die Grundschule wurde für alle gebührenfrei und auch die Sekundarstufe allgemein zugänglicher gemacht.
    In der Folge hat sich seit 2003 die Zahl der Studierenden verzehnfacht.
    Bei den starken Veränderungen wachsen die Strukturen erst langsam mit, die Nachteile davon bleiben oft bei den Studierenden hängen. Fredrick Leshan ist im dritten Semester der Informationswissenschaft an der Technischen Universität von Nairobi:
    "Ich kann hier nicht wohnen also musste ich mir ein Zimmer woanders suchen, dann kommt das Pendeln, Mittagessen, mein Studium – alles zusammen wirklich teuer!"
    Hohe Studiengebühren
    Kostspielig sind besonders die Studiengebühren. Oft viele hundert Euro pro Semester. Familien geben häufig alles, um dem eigenen Kind einen Bachelor oder Master-Abschluss zu ermöglichen. Bildung gilt als möglicher Ausweg aus der Armut. Über 40 Prozent der Kenianer leben von weniger als zwei Euro pro Tag. Zwar gibt es Studienkredite und Stipendien, die gerade bedürftige Studenten unterstützen sollen - doch sie erreichen- und reichen nicht für Alle und Alles.
    Da auch der Platz zum Studieren knapp ist, werden überall im Land neue Räume für Forschung und Lehre gebaut. Derzeit ist es noch eng in den Hörsälen und Seminaren. Frida Kanana-Erastis ist Dozentin für Englisch an der Kenyatta University in Nairobi:
    "Ich erinnere mich, wie ich in diesem Semester zu meinem Kurs ging und ich 15 Minuten brauchte, um vorne anzukommen. Alle haben sich gedrängelt, um noch in den engen Raum zu passen."
    Für Kenias Hochschul-Bildungsboom wurden nicht rechtzeitig genügend Lehrkräfte ausgebildet. 400 oder 1000 Studenten pro Dozent oder Professor sind keine Seltenheit.
    Das macht Lehrkräfte gefragt und viele verdienen sich einen Extra-Schilling mit zusätzlichen Lehraufträgen dazu, was die Qualität der Lehre nicht unbedingt verbessert.
    "Die meisten Dozenten arbeiten noch extra, wobei ich glaube – Wir verdienen doch eigentlich genug, vielleicht nicht wie Professoren in Europa oder den USA, aber es reicht schon!"
    Weniger staatliche Unterstützung
    Wenn das Gehalt denn pünktlich kommt, was nicht immer der Fall ist. Die Mittel sind knapp. Und das, obwohl sich die staatlichen Ausgaben für Universitäten in den letzten 5 Jahren etwa verdreifacht haben. Insgesamt kommt weniger an, wie Prof. Isaac Mbeche von der Nairobi Universität erklärt.
    "Die Regierung hat öffentliche Universitäten früher mit 100 Prozent finanziert. Heute haben wir sehr viele Studierende in öffentlichen und privaten Universitäten und die pro Kopf Unterstützung vom Staat ist deutlich gesunken. Heute bekommen wir noch 50 Prozent Unterstützung".
    Um zusätzliche Einnahmen zu generieren, bieten quasi sämtliche Universitäten heutzutage exklusive Abend-Studiengänge an, für diejenigen die zahlen können. Problematisch ist, dass die Universitäten versuchen, mit kostenarmen Studiengängen, die viele zahlende Studierende anlocken möglichst einfach Geld zu verdienen. Im Ergebnis ist das Angebot oft ähnlich:
    "Business-Administration, Journalismus, Humanities." Dr. Helmut Blumbach ist Direktor des "Deutschen Akademischen Austauschdienst" (DAAD) in Nairobi: "Dinge, die für sich genommen wichtig sind, aber die nicht unbedingt in der Menge dem Bedarf des Landes entsprechen. Wir brauchen hier Ingenieure zum Beispiel, aber ein Ingenieursstudium ist teuer, weil man Labore, Ausrüstungsgegenstände für die Lehre braucht, die nicht billig sind!"
    Bundesregierung will Bildung in Kenia fördern
    Die deutsche Bundesregierung möchte sich engagieren, die ausgemachten Lücken zu schließen. Geplant ist der Bau einer Fachhochschule nach deutschem Vorbild in Kenia. DAAD und Fachhochschulen aus Deutschland sollen als Partner mitwirken.
    "Das eine ist, es gibt einen großen Bedarf nach so einer Ausbildung hier. Auf der anderen Seite –und das ist jetzt sozusagen das deutsche Interesse - ist diese Region sehr dynamisch, wir haben hier gute Wirtschaftszahlen."
    Deutschland wäre also gut vernetzt beim regionalen Aufbruch von Wissenschaft und Wirtschaft dabei.
    Hochschulen gibt es Kenia eigentlich jetzt schon zahlreicher als irgendwo sonst in Ostafrika. Ihre Zahl hat sich in den fünfzehn Jahren vervierfacht. Ein Problem: Die spezialisierte praxisnahe Ausbildung von Fachkräften wie Technikern und Ingenieuren kommt derzeit zu kurz. Die alten polytechnischen Hochschulen wurden im Zuge des Massenandrangs zu Universitäten erhoben, ihr Profil verwässert. Dass hier also Bedarf besteht, bezweifelt in Kenia kaum jemand. Das deutsche Engagement könnte eine Lücke schließen.
    Ausbildung nach deutschem Vorbild?
    "Man muss wissen, dass sehr viele Kenianer die hier in Führungspositionen sind, in Deutschland studiert haben. Und unser System gut kennen und eigentlich immer wieder gesagt haben – das was wir hier eigentlich brauchen, um sozusagen dieses Missmatch von Ausbildung und Jobs zu überwinden, das wäre so eine Fachhochschule. Und das müsste so ein Modell sein, an dem sich viele andere Hochschulen hier orientieren können."
    So hofft Helmut Blumbach, dass beide Seiten bis Herbst 2017 bereits konkrete Pläne und Übereinkünfte für die Errichtung einer Fachhochschule auf den Weg bringen können.
    Es wäre eine weitere Baustelle in Kenia.
    Und tatsächlich - schaut man auf die Baustellen im Land, so sind es meist Chinesen, die leitende und planende Funktionen ausüben. Irgendwann, so hofft man in Kenia, sollen diese Fachkräfte aus dem eigenen Land kommen.