Kate Maleike: Vorhin haben wir hier in "Campus & Karriere" gehört, dass sich in Deutschland immer mehr Menschen, 60.000 sind es zurzeit, ohne Abitur für ein Studium entscheiden und sich aus dem beruflichen Umfeld zum Beispiel aufmachen auf den Weiterbildungsweg, auf den Qualifizierungsweg. Robert Marks gehört dazu, er ist 28 und hat nach der Mittleren Reife erst mal eine Ausbildung zum Chemielaboranten gemacht.
Guten Tag, Herr Marks!
Robert Marks: Schönen guten Tag!
Maleike: Sie haben gerade, gestern, Ihr zweites Masterstudienjahr begonnen im Fach Chemie an der Uni Duisburg-Essen. Das heißt also, zwischen der Ausbildung zum Chemielaboranten nach der Schule und heute ist eine ganze Menge passiert. Was denn genau?
Marks: Genau, richtig. Ich habe ungefähr im Jahr 2010 meine Ausbildung beendet und habe dann auch erst mal ein Jahr gearbeitet und habe dann gemerkt, okay, irgendwie möchte ich mich doch noch ganz gerne weiterbilden. Ich habe dann meinen Techniker angefangen und habe den nebenberuflich in zwei Jahren erworben. Und ich habe danach auch im Anschluss noch weiter gearbeitet als Chemietechniker. Und irgendwie hat es in mir noch gebrannt, zu sagen, ich möchte doch noch ein bisschen mehr erreichen in meinem Leben. Und da war für mich die Frage, kommt ein Studium infrage oder nicht? Und nach eingehender Beschäftigung damit habe ich dann doch gemerkt, ja, eigentlich sollte ich es versuchen, weil wenn ich jetzt nicht anfange, je länger ich warte, desto unwahrscheinlicher wird es, dass ich noch anfange mit dem Studium. Und ich bin jetzt sehr froh, dass ich das gemacht habe. Nach den drei Jahren Bachelorstudium, was erfolgreich funktioniert hat, bin ich jetzt sehr froh, dass ich diese Entscheidung getroffen habe.
"Erst mal mit dem ganzen Pensum klarkommen"
Maleike: Sie hatten ja, das hat ja Ihr Werdegang schon gezeigt, immer eine intrinsische Motivation, mehr zu wollen, zu lernen. Aber dann doch noch mal ein Studium zu beginnen, ist ja sicher auch noch mal was anderes. Wie war das denn so in der ersten Vorlesung, wissen Sie das noch?
Marks: Ja, natürlich ist das erst mal überwältigend, wenn man dort im Hörsaal sitzt und merkt, okay, andere Leute sind natürlich wesentlich jünger als man selbst. Man muss natürlich auch erst mal mit dem ganzen Pensum klarkommen, auch sich einfach wieder auf diese Lerninhalte zu konzentrieren und nicht wie sonst gewohnt einfach von acht bis 16 Uhr zu arbeiten. Das war schon eine extreme Umstellung zu Beginn, aber man hat dann auch ziemlich schnell gemerkt, dass man sich dafür auch begeistern kann und dass es einfach Spaß macht, Neues dazuzulernen. Da kann ich nur jeden zu ermutigen, diesen Schritt zu machen, auch wenn es am Anfang erst mal so scheint, dass es so eine unüberwindbare Hürde ist.
Maleike: Aber Sie bringen ja auch ein bisschen was mit, denn Sie haben ja viel Berufserfahrung aus Ihrem Lieblingsfach Chemie, Ihrer Begeisterung, die sich da eben zeigt. Das ist doch auch ein Plus.
Marks: Ja, auf jeden Fall. Man hat ziemlich schnell gemerkt, dass man an vorhandenes Wissen anknüpfen kann und dass man halt alles, was man sonst im Alltag in dem Beruf ausübt, jetzt plötzlich die Theorie dazu bekommt. Und man dadurch halt diese ganzen trockenen Theorien, die man im Hörsaal hört, dann mit Tätigkeiten aus dem alltäglichen Arbeitsleben verknüpfen kann, was dann einem selber auch so ein bisschen das Gefühl gibt, okay, das macht jetzt auch alles Sinn, was ich die letzten Jahre so getan habe. Das ist ein schöner Moment. Und ich denke, das ist ein ganz großer Vorteil von Leuten, die vorher eine Ausbildung gemacht haben und sich dann erst für ein Studium entscheiden.
Selbstsicher bei Durchführung von Versuchen
Maleike: Sicherlich werden ja auch Ihre Professoren und Kommilitonen davon profitieren.
Marks: Ja, gerade in den praxislastigen Semestern, wenn es darum geht, sich wirklich ins Labor zu stellen, da glänzt man natürlich dann schon mit dem Wissen, was man hat. Und man ist dann ziemlich selbstsicher, was die Durchführung der Versuche angeht, und kann dort auch den anderen Studenten natürlich unter die Arme greifen. Und auch die Betreuer und Professoren, die diese Praktika unterstützen, sehen dann natürlich auch, wenn schon bereits Leute dabei sind, die eine Ausbildung haben, dann wird man schon dazu angehalten, die anderen dann quasi auch so ein bisschen mitzuziehen.
Maleike: Hatten Sie sich denn Studium so vorgestellt?
Marks: Ganz zu Beginn natürlich nicht. Ich habe erst mal gedacht, okay, was kommt da jetzt auf mich zu, und habe doch ziemlich viel erst mal schwarz gesehen, weil ich dachte, okay, ob ich das überhaupt alles aufholen kann, gerade in den Naturwissenschaften, was Mathematik und Physik angeht. Da hat man natürlich immer so eine gewisse Abwehrhaltung gegen, ob ich das alles schaffen kann. Aber das hat auch alles sich im Gegenteil bewährt. Es hat alles super funktioniert. Klar, man muss sich hinsetzen, man muss was für das Studium tun. Aber sobald man den Anschluss gefunden hat und in den Lerngruppen integriert ist, funktioniert das eigentlich quasi wie ein Selbstläufer, man kommt echt gut klar.
Maleike: Aber Sie wollen ja nicht nur den Master machen, denn Sie haben noch was anderes vor, sie wollen noch weitergehen.
Marks: Das Ziel, mit dem ich angefangen habe zu studieren, war eigentlich die Promotion, also meinen Doktor in der Chemie zu machen, weil das heutzutage immer noch so ist, dass man für den Jobeinstieg als Chemiker quasi einen Doktortitel mitbringen muss. Und natürlich habe ich schon durch meinen Techniker eine höhere Qualifikation gehabt als vorher als Laborant und hätte damit natürlich auch gut in die Industrie gehen können, um Geld zu verdienen. Aber mich hat dann doch irgendwie dieser wissenschaftliche Zweig gereizt, und der ist dann quasi zwangsläufig gebunden an diese Promotion.
Maleike: Dann ist der Doktortitel sozusagen die Ansteuerungstonne für Ihre weiteren Jahre. Trotzdem war es ja so, dass sie quasi aus dem Berufsleben in das Studenten übergeglitten sind. Und das bedeutet auch, dass man finanziell überlegen muss, wie kann ich das eigentlich wuppen. Wie war das, wie habe Sie das gemacht? Oder wie machen Sie das?
Marks: Das war natürlich ein ganz, ganz großer Schritt. Man ist natürlich an das Geld gewohnt, man hat seine eigene Wohnung, man hat seine gewissen Dinge, die man so im alltäglichen Leben durchführt, wofür man in den meisten Fällen auch das Geld dann benötigt. Und da war es natürlich ein ganz großer Knackpunkt, zu sagen, okay, kann ich jetzt mein Arbeitspensum reduzieren, kann ich gegebenenfalls ganz auf meine Arbeit verzichten. Und da habe ich mich dann mal schlaugemacht, wie das den aussieht, ob es da irgendwie Möglichkeiten gibt, dass ich unterstützt werden, und bin dann auf das Aufstiegsstipendium der SBB gestoßen, die sich genau an Leute wie mich richtet, die aus dem Beruf kommen und sich dann noch mal entscheiden, ein Studium aufzunehmen. Und ohne die wäre das auch gar nicht möglich gewesen, das Studium so aufzunehmen, wie ich es jetzt tue. Also ich bin auch jetzt noch nebenbei immer ein bisschen im Beruf tätig, um nicht den Anschluss zu verlieren. Aber natürlich kann ich mich durch die Unterstützung der SBB auch voll auf mein Studium konzentrieren und das dann auch erfolgreich abschließen.
Ziel: Forschung und Entwicklung
Maleike: Die SBB ist die Stiftung Begabtenförderung berufliche Bildung, das müssen wir vielleicht mal kurz auflösen. Das heißt, finanziell haben Sie es über dieses Stipendium dann geschafft und können das jetzt gut auch organisieren. Wo wollen Sie denn später mal arbeiten, also mit dem Doktortitel dann natürlich in der Tasche hoffentlich?
Marks: Ja, es würde mich natürlich sehr reizen, irgendwie in die Forschung und Entwicklung zu gehen, das wäre schon eine Sache, die mich begeistert. Das ist so das große Ziel, da irgendwo mal Fuß zu fassen im späteren Verlauf. Ob das dann in einer Firma ist, in einem großen Konzern oder in einem Forschungsinstitut, das ist eigentlich noch offen. Ich wollte mich da noch nicht zu sehr festlegen, aber da sollte es mich schon irgendwo hintreiben.
Maleike: Sagt der Masterstudent Robert Marks, der an der Uni Duisburg-Essen gerade Chemie macht und hoffentlich dann auch seinen Doktortitel anstreben kann und schafft. Herzlichen Dank, dass Sie uns erzählt haben über Ihren Werdegang und weiterhin viel Erfolg!
Marks: Vielen Dank!
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