"Ich heiße Jing Jing (Tsching-Tsching), aber die Deutschen nennen mich Jing Jing (spricht J wie J). Ich bin 28 Jahre alt und ich komme aus der Henan-Provinz, das ist in der Mitte von China. Mittlerweile promoviere ich in der Fachrichtung Neuere deutsche Literaturwissenschaft."
Ein Studentencafe an der LMU München. Die Sonne scheint, Jing Jing trägt ein buntes Kleid und schüttelt mir etwas schüchtern die Hand. Natürlich möchte ich wissen, wie gerade eine Chinesin darauf kommt, deutsch zu lernen.
"Ich mag Literatur und ich mag fremde Sprachen, deswegen habe ich als Bachelor die deutsche Sprache studiert und dann deutsche Literaturwissenschaften. Meine Mama mag Literatur auch sehr gerne, sie hat mich dazu motiviert."
Jeder vierte neue Studierende in Bayern kommt aus dem Ausland. Insgesamt sind es rund 360.000 internationale Studierende an deutschen Unis, das heißt: fast jeder Siebte kommt von woanders. Die meisten sind - genau - aus China oder Indien, und die Mehrheit studiert technische Fächer. Was kann Jing Jing mit ihrem geisteswissenschaftlichen Studium aus Deutschland anfangen?
"Normalerweise muss man nach China zurückkehren und an der Uni einen Lehrstuhl finden als deutsche Lehrerin. Ich glaube, das möchte ich machen."
Jing-Jing genießt liberales Bildungsklima
Erstmal bleibt sie aber noch mindestens zwei Jahre hier. Sie hat ein Stipendium der chinesischen Regierung, promoviert zum "Einfluss Chinas auf Bertolt Brecht" und genießt das liberale Bildungsklima in Deutschland:
"Der große Unterschied ist: Hier ist man freier, bei der Wahl von Seminaren zum Beispiel."
Und die größte Umstellung für sie, als sie vor drei Jahren nach Deutschland kam:
"Die Deutschen sind sehr direkt, die drücken die Meinungen sehr direkt aus, ganz anders als die Chinesen. Und das heißt nicht, dass sie deswegen unfreundlich sind, sondern es ist eine andere Kultur."
Für mehr als 60 Prozent der internationalen Studierenden ist Deutschland übrigens das Studienland erster Wahl und, ja, die größte Motivation hier zu studieren ist laut einer Umfrage des deutschen Studentenwerkes, die Erwartung die eigenen Berufschancen damit zu verbessern. Das gilt vor allem bei den naturwissenschaftlichen Studiengängen.
"Ich heiße Rebecca Chatterji, ich bin 23 Jahre alt, ich komme aus Kalkutta, einer Stadt in Indien an der Ostküste, und ich studiere derzeit Master of Science in Communications Engineering in München."
Lange Wartezeiten fürs Visum
Rebecca treffe ich im Studierendenbüro an der TU. Sie trägt Jeans, Brille, einen Rucksack, sieht fast noch so aus als würde sie zur Schule gehen, spricht aber als wäre sie schon Jahre lang berufstätig. Seit einem Jahr ist sie nun in München für ihr Masterstudium:
"Warum Deutschland? Seitdem ich ein Kind war, wollte ich nach Deutschland. Mein Vater hat in Deutschland studiert und er hat mir gesagt, dass die Deutschen ihre Technik sehr, sehr gut kennen - und er hat mich ermutigt hierher zu kommen."
Rebeccas Vater hat lange in Deutschland gearbeitet, sie besitzt deshalb auch einen deutschen Pass und konnte sich das langwierige Bewerbungsverfahren um ein Visum sparen.
"Die Wartezeiten sind extrem und beim Mumbai-Konsulat gibt es viele Probleme. Aber es sind so viele Leute, die nach Deutschland kommen, und es gibt viele Infos, zum Beispiel Facebook-Pages von 'Indian Students in Germany'. Ich gucke da auch und schreibe Kommentare."
Die Zahl der indischen Studentenvisa für Deutschland hat sich seit 2013 fast verdoppelt. An der TU machen Inder nach Chinesen und Österreichern die drittgrößte Gruppe aus. Sie studieren Informatik, Raumfahrttechnologie oder eben Nachrichtentechnik, wie Rebecca. Und viele wollen danach in Deutschland bleiben und arbeiten:
Geringe Studiengebühren locken
"Ich glaube, es ist besser in Deutschland, weil es feste Arbeitszeiten gibt. Man muss nicht mehr als 10 Stunden arbeiten. Es ist nicht so, dass man eines Tages zum Büro kommt und sieht, dass der Job schon weg ist. Hier hat man mehr Sicherheit und der Wettbewerb um einen Arbeitsplatz ist nicht so hoch."
Nicht zu vergessen bei der Entscheidung fürs Studienland Deutschland, der Faktor Geld, sagt Pressesprecher Andreas Schmidt von der TU:
"Ich denke, dass ein großer Teil die Studiengebühren sind. Ein hohes Ausbildungslevel, ein gutes Preis-Leistungsverhältnis im Gegensatz zu Unis in England und Amerika."
Die Unterrichtssprache bei den Top-Unis ist ohnehin Englisch, das macht den Einstieg leicht. Wer den Bewerbungsprozess mit Gespräch, Eignungstest und Empfehlungsschreiben also einmal geschafft hat, der hat in Deutschland die Chance auf eine erfolgreiche Zukunft.