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Studierte Migranten, verirrt im Behördendschungel

Integration funktioniert durch Bildung, heißt es im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Dort hat man deshalb eine aktuelle Analyse angefertigt über die Probleme bei der Anerkennung ausländischer Bildungsabschlüsse - mit ernüchterndem Ergebnis.

Katharina Koch im Gespräch mit Armin Himmelrath | 26.08.2009
    Armin Himmelrath: Ein Universitätsdiplom ist ein Universitätsdiplom ist ein Universitätsdiplom. Das könnte man denken, doch wer sich mit Menschen unterhält, die in ihrem Leben schon einmal von einem Land ins andere gewechselt sind, der bekommt oft ganz andere Geschichten zu hören - und die handeln von Anerkennungsproblemen und unfreiwillig gestoppten Berufskarrieren. Integration funktioniert durch Bildung, sagt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge und hat deshalb in diesem für das Amt so wichtigen Themenfeld eine aktuelle Analyse angefertigt über die Probleme bei der Anerkennung ausländischer Bildungsabschlüsse. Katharina Koch ist die beim Bundesamt für das Thema zuständige Referentin. Ich habe sie gefragt, wo es denn bisher hakt bei der Anerkennung von Abschlüssen.

    Katharina Koch: Ich möchte Ihnen zur Beantwortung dieser Frage ein bisschen die Situation schildern, in der sich Menschen, die sich im Ausland qualifiziert haben, die hierher kommen, befinden. Die haben nämlich erst mal eine ganze Reihe von Fragen, die sie klären müssen, um zu wissen, wie sie in ihrem erlernten Beruf wieder tätig werden können. Sie brauchen zum Beispiel Informationen darüber, was ihre Arbeitsmarktperspektiven sind, was dieser Beruf wert ist hier in Deutschland, ob es den überhaupt gibt. Sie müssen wissen, ob sie eine Anerkennung ihrer ausländischen Qualifikation brauchen oder ob sie sich eventuell noch mal nachqualifizieren müssen. In einer idealen Welt würden diese Menschen nun einen Ansprechpartner haben, der ihnen das erklärt und sie in die Lage versetzt, zu planen, wie sie vorgehen müssen, um hier ihren Beruf wieder aufnehmen zu können.
    Himmelrath: Wenn Sie sagen, in einer idealen Welt, dann heißt das, in Deutschland ist die Situation im Moment nicht so ideal.

    Koch: In Deutschland ist die Situation in der Tat ziemlich un-ideal. Wir haben in der Arbeit, die Sie schon angesprochen haben, vor allen Dingen vier wesentliche Probleme identifiziert. Das erste Problem habe ich schon angedeutet. Das ist die Suche nach Informationen, denn tatsächlich habe ich nicht einen Ansprechpartner, ich habe ganz, ganz viele Ansprechpartner, die sich aus der Vielzahl der Zuständigkeiten ergeben. Für die Arbeitsmarktperspektive ist jemand anders verantwortlich als für die Frage der Anerkennung der ausländischen Qualifikation. Schließlich gibt es noch jemand anders für die Nachqualifizierung. Tatsächlich wird Deutschland sehr treffend häufig als Anerkennungsdschungel beschrieben, denn ich habe ganz unterschiedliche Ansprechpartner je nach Frage, dann habe ich unterschiedliche Ansprechpartner je nach Beruf, den ich mitbringe, schließlich nach Bundesland, in dem ich wohnhaft bin, und zuallerletzt nach Herkunft. Ich habe also unterschiedliche Ansprechpartner, je nachdem, ob ich ein Europäer bin, ob ich ein Spätaussiedler bin oder ob ich aus einem Drittstaat komme.

    Himmelrath: Das klingt ziemlich kompliziert, welche Lösung könnte es denn geben, um diesen Dschungel etwas zu lichten?

    Koch: Das Wichtigste ist, dass man einen Ansatz entwickelt, um ein One-Stop-Government zu etablieren, das heißt, einen umfassenden Beratungsansatz zu entwickeln. Dazu müssen die verschiedenen zuständigen Stellen aus Arbeitsvermittlung, Grundsicherungsträger, Anerkennungsstellen, Nachqualifizierungsträger, Kammern erst mal eine Art Schnittstellenmanagement etablieren, das heißt, ihre Angebote aufeinander abstimmen und auch miteinander reden. Wir haben festgestellt, dass häufig die zuständigen Stellen selber nicht wissen, welche Informationen in anderen Stellen gegeben werden und deswegen auch nicht optimal zuweisen oder optimal beraten können.

    Himmelrath: Muss ich mir das wie eine große Datenbank vorstellen?

    Koch: Das müssen Sie sich weniger wie eine große Datenbank vorstellen, denn durch die Zersplitterung der Zuständigkeiten sagen wir auch, es macht keinen Sinn, das von einer zentralen Stelle zu steuern, sondern hier sind eigentlich die zuständigen Stellen vor Ort gefragt. Vor Ort müssen sich die verschiedenen Stellen zusammenfinden und Lösungen erarbeiten, wie sie besser zusammenarbeiten können.

    Himmelrath: Gibt es denn schon Beispiele dafür, wo so etwas Erfolg versprechend und dann eben auch für die Migranten erfolgreich funktioniert?

    Koch: In der Tat gibt es dafür ein Beispiel. Wir haben das Konzept sogenannter Servicestellen zur Erschließung ausländischer Qualifikationen erarbeitet. Das sind quasi Moderatoren eines solchen Prozesses, und dieses Modell wird nun erst mals erprobt im Saarland. Diese Servicestellen erfüllen eine Doppelfunktion: Zum einen sollen sie die zuständigen Stellen vernetzen und in ihrer Arbeit unterstützen, und zum anderen sollen sie die so gemachten Erfahrungen nutzen, um zugewanderten Fachkräften ein Coaching anzubieten, damit diese eine Möglichkeit haben, die Informationen, die sie erhalten, zueinander ins Verhältnis zu setzen und dann eine Strategie der individuellen beruflichen Integration zu entwickeln.

    Himmelrath: Das heißt, man kann sich das vorstellen wie so eine Art richtige Berufsberatung, wo es eben Menschen gibt, die tatsächlich auch diesen Brückenschlag zwischen den unterschiedlichen Institutionen herstellen dann?

    Koch: Die eigentliche Beratung findet natürlich bei den zuständigen Stellen statt, aber im Prinzip ist das wie ein berufliches Coaching, was wir häufig machen, auch, wo man quasi eine Begleitung bekommt durch diesen ganzen Prozess. Und dann geht es um alle Fragen – um die Arbeitsmarktperspektiven, um die Anerkennung und auch eine mögliche Nachqualifizierung.

    Himmelrath: Jetzt sagten Sie, dass im Saarland das ein Pilotprojekt sei, das heißt, das gibt es noch nicht flächendeckend. Wie sieht denn Deutschlands Position so im internationalen und auch europäischen Vergleich aus? Stehen wir da weit vorne oder ziehen wir eher nach?

    Koch: Also wir ziehen hier deutlich nach. Insbesondere was die Organisation der Anerkennungspraxis betrifft, gibt es eigentlich kaum ein Land, das so zur Zersplitterung neigt wie wir. Es ist nicht überall optimal geregelt, das ist klar, aber ich denke, was diesen Anerkennungsdschungel betrifft, liegen wir weit hinten. Besonders vorne liegt, um mal einen direkten Vergleich zu ziehen, Dänemark. Die haben ein sehr übersichtliches System der Anerkennung geschaffen, das zentralisiert, sodass sich schon hier, bevor ich einwandere, mich sehr gut informieren kann, wo ich hin muss und was meine Aussichten sind.