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Studium statt Maurermeister
Soziale Anerkennung entscheidet über Berufswahl

Jugendliche entscheiden sich bei der Berufswahl unterbewusst oft für den Job, bei dem sie die meiste soziale Anerkennung erhalten. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie des Bundesinstituts für Berufsbildung. Besonders unbeliebt seien Berufe, in denen körperlich gearbeitet werde, sagte Joachim Gerd Ulrich vom BIBB im Dlf.

Joachim Gerd Ulrich im Gespräch mit Thekla Jahn |
Ein Maurer
Die Kulturgeschichte sei schuld daran, dass vor allem körperlich anstrengende Berufe bei Jugendlichen heute extrem unbeliebt seien, sagte Joachim Gerd Ulrich vom BIBB im Dlf (picture alliance/ dpa/ Oliver Berg)
2018 waren rund 58.000 Lehrstellen in Deutschland unbesetzt, gleichzeitig fanden rund 79.000 Jugendliche keinen Ausbildungsplatz. Ein Grund dafür sei die soziale Anerkennung, die bestimmte Berufsbilder vermittelten, erklärte Joachim Gerd Ulrich vom Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) im Dlf.
In einer Studie fanden er und seine Kolleginnen und Kollegen heraus, dass Jugendliche zwar in erster Linie bei der Ausbildungswahl danach gingen, "was macht mir Spaß", unterbewusst sei für viele aber enorm wichtig, welche Wirkung die Ausbildung auf das soziale Umfeld der Jugendlichen habe. Öffentlich zugeben würden die Jugendlichen dies jedoch nicht.
Der Trend gehe immer mehr zum Studium, sagte Ulrich im Dlf. Körperlich anstrengende Berufe, wie im Hotel- und Gaststättengewerbe oder in der Baubranche seien bei Jugendlichen wenig geschätzt, Berufe, bei denen der Geist im Vordergrund stehe, hingegen schon.
Geschickt sein, körperlich fit und Kontaktfreude hätten bei Jugendlichen einen geringeren Stellenwert als beispielsweise Berufe, die man mit Einkommensstärke, Ehrgeiz und Aufstieg verbinde. Welche Reputation ein Beruf habe, habe viel mit der Kultur- und Philosophiegeschichte in Deutschland zu tun, erklärte Joachim Gerd Ulrich weiter im Dlf. Jahrhundertelang habe der Geist dominiert, der Körper sei nur als Werkzeug des Geistes betrachtet worden. Das sei jedoch ein falscher Ansatz.
Berufliche Handlungskompetenz betonen
Um dem Ungleichgewicht in der sozialen Anerkennung von Berufen entgegenzuwirken sei es wichtig, das die Handlungskompetenz mehr in den Fokus gerückt werde. Statt "cogito, ergo sum" müsse es in Zukunft "ago, ergo sum" heißen.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.