Archiv

Stürme wandern polwärts
"Es könnte zu stärkeren Extremwetterereignissen kommen"

Stürme entstehen normalerweise über den Ozeanen nahe dem östlichen Rand der Ozeanbecken. Israelische Forscher haben nun festgestellt, dass sich Stürme auf ihren Bahnen vermehrt polwärts bewegen. Diese Entwicklung könnte vor allem für die USA sowie Westeuropa dramatische Folgen haben, sagte Talia Tamarin vom Weizmann-Institut im Dlf.

Talia Tamarin im Gespräch mit Monika Seynsche |
    Eine Satellitenaufnahme vom 13.10.2017 zeigt den Wirbelsturm Ophelia über dem Atlantik auf dem Weg nach Irland
    Hurrikan Ophelia über dem Atlantik, auf dem Weg nach Irland (imago)
    Monika Seynsche: Die zunehmende Erwärmung der Atmosphäre könnte zum Beispiel zu deutlich mehr Stürmen im Westen der USA und in Westeuropa führen. Das berichten israelische Forscher heute im Fachmagazin Nature Geoscience. Ich habe die Erstautorin Talia Tamarin- Brodsky vom Weizmann Institute gefragt, was genau sie untersucht hat.
    Talia Tamarin: In dieser Studie haben wir 20 verschiedene Klimamodelle analysiert. Wir wollten herausfinden, inwieweit die Sturmbahnen polwärts wandern. Sturmbahnen sind die Regionen weltweit, in denen die meisten Stürme entstehen und sich ausbreiten. Die Klimamodelle zeigen, dass diese stürmischen Regionen sich in einem wärmeren Klima in Richtung der Pole verschieben werden, also nach Norden auf der Nordhalbkugel und nach Süden auf der Südhalbkugel.
    Seynsche: Wie kommt es dazu? Warum verlagern sich die Sturmbahnen auf der Nordhalbkugel nach Norden?
    Tamarin: Unsere Studie deutet daraufhin, dass es zwei Gründe gibt. Zum einen entstehen die Stürme etwas weiter nördlich, weil sich die semiariden Wüstenregionen ausdehnen. Und die Temperaturgradienten, an denen Stürme entstehen, wandern etwas nach Norden auf der Nordhalbkugel.
    Zum anderen breiten sich die Stürme stärker in Richtung Pol aus, bevor sie ihre maximale Stärke erreichen. Das beides zusammengenommen führt eben dazu, dass wir mehr Stürme in höheren Breitengraden sehen werden.
    "Wir haben einen Sturmbahnalgorithmus benutzt"
    Seynsche: Und wie haben Sie das herausgefunden? So weit ich verstanden habe, bewegen sich die Stürme im Moment ja noch nicht nach Norden.
    Tamarin: Doch, wir sehen schon seit einigen Jahren einen leichten Trend nach Norden, aber in der Tat haben wir die Projektionen der Klimamodelle analysiert. Wir haben die Computermodelle also mit immer mehr Treibhausgasemissionen laufen lassen und haben geschaut, was dann in den letzten zwanzig Jahren des nächsten Jahrhunderts passieren wird. Und da zeigen die Modelle eine Wanderung der Sturmbahnen in Richtung der Pole.
    Außerdem haben wir einen Sturmbahnalgorithmus benutzt, der die Zentren der Tiefdruckgebiete identifiziert und ihre Bewegungen verfolgt. Dadurch konnten wir sehen, wo die Stürme entstehen, wo sie sich wieder auflösen und warum das passiert.
    Seynsche: Welche Auswirkungen hat diese polwärtige Verschiebung der Sturmbahnen auf das Klima der gemäßigten Breiten?
    Tamarin: Diese Stürme entstehen normalerweise über den Ozeanen nahe dem östlichen Rand der Ozeanbecken und sie pflanzen sich östlich und polwärts fort. Wenn sie sich jetzt stärker nach Osten und stärker Richtung Pol bewegen treffen sie vermehrt auf die Kontinente. Der Westen der USA sowie Großbritannien und Westeuropa könnten so stärkere Stürme erleben.
    Seynsche: Und was bedeutet das für diese Regionen?
    Tamarin: Höhere Windgeschwindigkeiten und möglicherweise mehr Niederschläge. Die Klimamodelle zeigen einen deutlichen Zusammenhang zwischen einem wärmeren Klima und häufigeren Niederschlägen, denn eine wärmere Atmosphäre kann mehr Wasser aufnehmen. Es könnte also zu stärkeren Extremwetterereignissen mit hohen Niederschlägen kommen.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.