Die Bilder vom Sturm auf das Kapitol haben weltweit Entsetzen ausgelöst. Es sind Bilder seltsam gekleideter, seltsam kostümierter Menschen, die Fahnen schwenkend durch das Gebäude ziehen. Vieles, so der Kunsthistoriker und Bildwissenschaftler Horst Bredekamp, sei spontan entschieden worden, "aber die Erstürmung war nicht ohne Systematik." Vor allem das Ausharren auf den Treppen vor dem Kapitol hält er für kalkuliert. Denn genau hier werde demnächst Joe Biden als neuer Präsident vereidigt. Dann werde sich die Welt "bei der tatsächlichen Inauguration an die Besetzung der Treppe erinnern.
"Bilder, um die eigene Identität zu finden"
Während die Menschen auf der Treppe randalierten, das Gebäude erstürmten und Fenster einschlugen, verhielten sich viele im Haus fast zurückhaltend und achteten die Barrieren. Dies, so Bredekamp, sei erstaunlich, genauso wie "die Bereitschaft sein Gesicht zu zeigen. Fast jeder hatte eine Kamera in der Hand."
Seit fast zwanzig Jahren könne man beobachten, dass Taten begannen werden, "um Bilder zu generieren, um die eigene Identität zu finden." Das Foto vom Mann, der auf dem Stuhl von Nancy Pelosi sitzt und seine Beine auf ihrem Schreibtisch hat, "das ist eine Originalkopie von amerikanischen Soldaten, die eben ihre Beine auf den Luxustischen von Hussein in seinen Palästen in Tigrit hatten." Dies erinnere an den letzten siegreichen amerikanischen Krieg, erläutert Bredekamp. "Der 6. Januar wird sich wie 9/11 ins Gedächtnis prägen. Es könnte der erste Bildproduktionsaufstand sein."
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