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Sturmgewehr G36
Grüne fordern mehr Aufklärung

Die Grünen im Bundestag fühlen sich schlecht über die Probleme mit dem Sturmgewehr G36 informiert. Im Deutschlandfunk sagte Verteidigungspolitikerin Agnieszka Brugger, Ministerin Ursula von der Leyen müsse erst alle Fakten auf den Tisch legen, bevor entschieden werden könne, wie man weiter vorgehe. Es seien viel mehr Fragen offen geblieben als beantwortet wurden.

Agnieszka Brugger im Gespräch mit Dirk-Oliver Heckmann | 23.04.2015
    Die Grünen-Bundestagsabgeordnete Agnieszka Brugger.
    Die Grünen-Bundestagsabgeordnete Agnieszka Brugger fordert mehr Informationen, bevor sie sich eine abschließende Meinung bilden will. (Imago / Müller-Stauffenberg)
    Friedbert Meurer: Unzureichende Treffsicherheit, das bescheinigt ein Gutachten dem Sturmgewehr G36, das seit 20 Jahren Standard bei der Bundeswehr ist. Ursula von der Leyen, die Ministerin, will diesem Standardgewehr „in seiner heutigen Konstruktion keine Zukunft mehr in der Bundeswehr einräumen." Aber die Ministerin hat gestern im Verteidigungsausschuss auch Kritik einstecken müssen, zum Beispiel von der Grünen-Abgeordneten Agnieszka Brugger. Mit ihr sprach am Abend mein Kollege Dirk-Oliver Heckmann.
    Dirk-Oliver Heckmann: Frau Brugger, Ursula von der Leyen zieht Konsequenzen und verkündet das Ende des G36, so wie es heute konstruiert ist jedenfalls. Für Ihre Tatkraft könnten Sie die Verteidigungsministerin jetzt aber auch mal loben, oder?
    Agnieszka Brugger: Nein, ehrlich gesagt nicht. Ursula von der Leyen hat mich in keinster Weise überzeugt mit ihrem Auftritt heute vor dem Verteidigungsausschuss. Und auch ihr Satz, dass das G36 in seiner jetzigen Form keine Zukunft hat, ist ein Satz, der ja noch nichts aussagt. Es ist nur die Ankündigung, dass man die Probleme, die seit Jahren bekannt sind, die auch in ihrer Amtszeit schon längst bekannt waren, endlich lösen will. Aber auch dieser Satz lässt völlig offen, ob es jetzt darum geht, Nachbesserungen vorzunehmen, oder ob komplett so schnell wie möglich ein neues Gewehr beschafft werden soll. Insofern sind heute viel mehr Fragen wieder entstanden und viel mehr Fragen offen geblieben als beantwortet wurden.
    Heckmann: Aber ist es nicht auch ganz gut und ganz richtig so, diese Frage offen zu lassen, denn der Schaden könnte möglicherweise auch behoben werden?
    "Das Problem muss schnell gelöst werden"
    Brugger: Ja, der Schaden muss so schnell wie möglich behoben werden, aber dazu braucht man jetzt endlich verlässliche Informationen, und da haben wir heute beispielsweise über den Abschlussbericht diskutiert, der jetzt völlig unterschiedliche und widersprüchliche Schlussfolgerungen von unterschiedlichen Bereichen des BMVG, also des Verteidigungsministeriums, gibt, und die Ministerin hat sich heute in keinster Weise festgelegt, wohin es denn jetzt gehen soll, und hat auch nicht wirklich einen Weg skizziert, wie man jetzt die Entscheidung treffen will, dass sie in Zukunft dann auch dafür sorgt, dass die Soldatinnen und Soldaten im Einsatz eben keiner Gefährdung mehr unterliegen.
    Heckmann: In einem Punkt sieht die Sache offenbar ein bisschen anders aus. Da hat Ursula von der Leyen schon klar und deutlich gemacht, dass bei den Spezialkräften und in den Einsatzgebieten der Austausch der Gewehre mit Hochdruck erfolgen solle und erfolgen müsse. Was heißt das konkret aus Ihrer Sicht? Was erwarten Sie da?
    Brugger: Auch hier habe ich wieder eine Ankündigung und weiß in keinster Weise, was das dann konkret bedeutet. Das Problem muss schnell gelöst werden. Das Problem hätte schon vor Jahren gelöst werden können und müssen. Und deshalb bin ich sehr gespannt, wenn die Ministerin dann auch mal konkret wird, wie sie das dann umsetzen will, was das bedeutet. Dann wird sich natürlich wieder die Frage stellen, wie beispielsweise neue Verträge gestaltet werden und wie das Verfahren hierzu aussieht, oder ob man die Fehler, die man in der Vergangenheit begangen hat, an dieser Stelle wiederholt.
    Heckmann: Was ist denn Ihre Forderung? Was meinen Sie denn? Wie schnell muss das jetzt erfolgen, dieser Austausch?
    Brugger: Erst einmal müssen noch einmal viele offene Fragen geklärt werden, die heute im Verteidigungsausschuss nicht beantwortet wurden...
    Heckmann: Sie wollen auch keine konkrete Antwort darauf geben?
    Brugger will selbst keine Schlussfolgerungen ziehen
    Brugger: Als Abgeordnete, um so eine Frage zu beantworten, muss ich erst mal den Eindruck haben, dass ich von diesem Ministerium gut unterrichtet und gut informiert worden bin, und die Sitzung heute hat bei mir in keinster Weise diesen Eindruck hinterlassen. Es fehlt zum Beispiel ganz systematisch die Antwort darauf, wie es eigentlich sein kann, dass über Jahre hinweg diese Probleme bekannt waren und immer wieder vertuscht wurden und die Schlussfolgerungen falsch gezogen wurden. Auch die unterschiedlichen widersprüchlichen Schlussfolgerungen, die da aufgezeigt wurden, müssen ja irgendwie beantwortet werden, und da bin ich sehr gespannt, was die Verteidigungsministerin uns in der nächsten Ausschusssitzung als Ausweg präsentieren wird.
    Heckmann: Das heißt, Frau Brugger, auch Sie von der Opposition vermeiden es zu fordern, dass dieses Sturmgewehr bei den Spezialkräften und den Soldaten, die im Ausland eingesetzt sind, sofort ausgetauscht wird?
    Brugger: Ich verlange, dass die Probleme, die schon seit Jahren bekannt sind, so schnell wie möglich gelöst werden und dass das auf einer Informationsbasis getan wird, die klar ist und die schon längst hätte klar sein können und müssen. Als Abgeordnete werde ich jetzt hier selber nicht irgendwelche Schlussfolgerungen in den Raum stellen, wenn ich nicht den Eindruck habe, dass ich den Informationen aus diesem Haus vertrauen kann. Ich glaube, auch das wäre unverantwortlich, und ich bin sehr gespannt, wie die Ministerin das dann auch lösen wird.
    Heckmann: Aber klar ist doch immerhin zumindest, dass die Treffsicherheit dieses Gewehrs offenbar grandios schlecht ist unter bestimmten Voraussetzungen.
    Brugger: Ja und das ist schon seit Jahren klar. Deshalb haben wir als Grüne dieses Thema in vielen Jahren alle paar Monate auf die Tagesordnung setzen lassen und mussten uns erst mal immer anhören, dass das alles nicht wahr sei, dass das Gewehr fehlerfrei und tadellos ist, dass die Munition beispielsweise die alleinige Ursache darstellt, und da sind wirklich noch viele Widersprüche aufzuklären, was auch die Strukturen in dem Haus angeht, wo immer wieder eine Beschaffungspolitik zu Gunsten der Rüstungsindustrie und zu Lasten der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler betrieben wurde, aber auch ganz besonders zu Lasten der Bundeswehr.
    Meurer: Die grüne Verteidigungspolitikerin Agnieszka Brugger. Mit ihr sprach mein Kollege Dirk-Oliver Heckmann.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.