Es gilt als derzeit größtes Bauprojekt in Deutschland: Das Infrastrukturprojekt Stuttgart 21 umfasst weit mehr als die Umgestaltung des Bahnhofs der baden-württembergischen Landeshauptstadt. Unter anderem werden auch rund 60 Kilometer neue Tunnelsysteme errichtet, denn künftig sollen die Züge den neuen Durchgangs-Bahnhof in Stuttgart unterirdisch ansteuern.
Seit über 20 Jahren planen Ingenieure, Statiker und Architekten an dem Megaprojekt. Ursprünglich war geplant, dass schon 2008 Züge durch den Stuttgart-21-Tiefbahnhof rollen. Auch die Kosten wiesen zu Planungsbeginn ganz andere Zahlen aus: Damals ging die Bahn als Bauherrin von rund drei Milliarden Euro aus. Inzwischen stehen gut 6,5 Milliarden im Raum, mit großen Fragezeichen, ob auch diese Summe letztendlich zu halten ist.
Bauarbeiten gehen nur langsam voran
Ein Großteil der Zusatzkosten, mit denen die Bahn inzwischen rechnet, entfällt auf den schleppenden Baufortschritt: Baugenehmigungen müssen erneut beantragt werden, es gibt neue Verfahren für den Tunnelbau, Fluchttreppen im neuen Tiefbahnhof mussten umgeplant und der Brandschutz verbessert werden: Neuplanungen, die zeitaufwendig geprüft und genehmigt werden müssen.
Das alles wiederum führt dazu, dass sich die Fertigstellung wahrscheinlich noch einmal um zwei weitere Jahre verzögert – und der Bahnhof und alle Strecken erst 2023 eröffnet werden können. Das hat die Bahn inzwischen eingeräumt. Die Aktionsbündnisse dagegen halten das für Schönfärberei: Sie rechnen vor, das gesamte Projekt werde zehn Milliarden Euro kosten und frühestens 2024 fertiggestellt sein.
Bahnhofsgegner stellen Gegenkonzept vor
In zwei Tagen kommt der Aufsichtsrat der Bahn zusammen – und offenbar gibt es selbst dort schon einzelne Stimmen, die einen Stopp des Projekts fordern. Das zumindest berichten gleich mehrere Medien. Sicher ist: Bahnchef Rüdiger Grube und sein Stellvertreter Volker Kefer werden sich unangenehmen Fragen stellen müssen, und es werden Rücktrittsforderungen laut.
Ein denkbar günstiger Zeitpunkt für die zahlreichen Stuttgart-21-Gegner. Verschiedene Aktionsbündnisse haben sich zusammengeschlossen und ein Gegenkonzept vorgestellt. Ihre Kernaussage: Ein Umstieg auf ein sinnvolles Verkehrskonzept ist noch möglich. Sie versprechen eine Kostenersparnis von zwei Milliarden gegenüber den jetzigen Planungen.
Gleise und auch das Bahnhofsgebäude in Stuttgart sollen wie gehabt über der Erde bleiben, der bisherige Kopfbahnhof modernisiert werden, und die jetzt schon ausgehobene Grube soll einem neuen Busbahnhof dienen, der Stuttgart auch für den Fernbusverkehr attraktiver macht. Ganz nebenbei, das rechnen die Verkehrsplaner und Ingenieure im Auftrag der Stuttgart-21-Gegner vor, würde auch noch neuer, dringend benötigter Wohnraum in der Innenstadt geschaffen.
Druck auf die Bahn wächst
Der Bund und auch das Land Baden-Württemberg haben schon mehr als deutlich signalisiert, dass sie nicht bereit sind, noch höhere Baukosten zu übernehmen. Noch dazu geht das Aktionsbündnis auch vor dem Bundesverwaltungsgericht gegen Stuttgart 21 vor: Die Gegner zweifeln das Finanzierungskonzept grundlegend an. Am Dienstag fällt das Verwaltungsgericht seine Entscheidung, ob die Stadt Stuttgart und das Land sich weiter an den Kosten beteiligen müssen. Falls nicht, müsste die Bahn das Megaprojekt Stuttgart 21 allein weiterfinanzieren.
(dt/jcs)