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Stuttgart 21: Schwacher Protest gegen erneuten Baubeginn

Hannes Rockenbauch vom Aktionsbündnis gegen Stuttgart 21 rechnet mit erneuten Massenprotesten gegen das umstrittene Bahnhofsprojekt. Sollte die Deutsche Bahn mit der Wiederaufnahme der Baumaßnahmen weitere Fakten schaffen, würden sich auch wieder mehr Menschen an den Demonstrationen beteiligen. Eine Massendemonstration sei für Juli geplant.

Hannes Rockenbauch im Gespräch mit Silvia Engels |
    Silvia Engels: Im vergangenen Jahr brachte der Widerstand gegen das Bahnhofsprojekt Stuttgart 21 Zehntausende von Menschen in Baden-Württemberg auf die Straße. Wütende Bürger aller Schichten protestierten gegen das Milliardenprojekt. Wir erinnern uns auch weiter: Es folgten die Schlichtung von Heiner Geißler und der Regierungswechsel in Baden-Württemberg zu Grün-Rot. Gestern nun endete der Baustopp für das Bahnprojekt Stuttgart 21, und das, noch bevor der Stresstest für die Leistungsfähigkeit des geplanten unterirdischen Bahnhofs vorliegt. Die Bahn AG hat trotzdem damit begonnen, an dem Projekt weiterzuarbeiten, und nach Meinung von Verkehrsminister Hermann von den Grünen ist das eine Provokation. Doch von neuen Großdemonstrationen ist bislang nichts zu sehen. Einige Hundert Demonstranten waren es lediglich, die gegen diesen erneuten Baubeginn gestern protestierten. Mit dabei war auch Hannes Rockenbauch, er ist Sprecher des Aktionsbündnisses gegen Stuttgart 21. Guten Morgen, Herr Rockenbauch.

    Hannes Rockenbauch: Guten Morgen!

    Engels: Auch heute früh gibt es wieder Blockaden. Aber dennoch: Haben Sie gestern nicht mit mehr Menschen gerechnet?

    Rockenbauch: Na ja, wir haben gesagt, wir fangen jetzt genau so ... die Bahn hat angekündigt, langsam ihre Baustelle hochzufahren; genau so fangen wir jetzt auch langsam an, wieder mit dem Widerstand richtig an Fahrt aufzunehmen. Und es war gestern schon beeindruckend und auch die größte Blockade. Wir haben ja dauerhaft jetzt auch die letzten Wochen immer wieder Blockaden gehabt und es war die größte Blockade, die wir bis jetzt in den letzten Wochen hatten. Also man sieht deutlich: Die Ankündigung, die Provokation der Bahn AG wirkt, es werden jetzt schon mehr Demonstranten, obwohl wir noch gar nicht groß aufgerufen haben. Das wird dann sicher der Fall sein, wenn die Bahn AG wirklich Fakten schafft, zum Beispiel an den Südflügel rangeht oder Bäume fällt.

    Engels: Das heißt, Sie versuchen, ganz bewusst im Moment die Demonstrationen noch klein zu halten?

    Rockenbauch: Na ja, es sieht so aus, dass wir jetzt gerade auch schon für den 9. Juli eine Großdemonstration planen. Da rufen wir dann wirklich groß und flächendeckend auf. Am 9. Juli wird es die nächste Großdemonstration geben und je nach Lage muss man dann gucken, was die Bahn macht. Bis jetzt oder gestern war das nicht wirklich wieder jetzt der große Baubeginn oder so. Es waren die drei Wassertechnik-Fahrzeuge, die die letzten Wochen auch da waren. Da wollen wir erst mal sehen, was die Bahn AG heute vorlegt.

    Engels: Aber zeigt nicht dennoch die geringe Zahl an Demonstranten, dass die Menschen vielleicht ein wenig das Interesse verloren haben, denn die Wiederaufnahme des Baus ist ja ein Symbol?

    Rockenbauch: Na ja, man muss klar sehen, was wir erreicht haben, ist schon phänomenal, dass wir hier eine neue Landesregierung haben. Jetzt war dieses Pingpong-Spiel immer zwischen Bahn und Land, das ist jetzt definitiv vorbei. Aber die Leute, die warten jetzt immer noch ein bisschen ab. Unsere Aufforderung ist klar: Leute, es ist vorbei, es kommt jetzt wieder darauf an, wir können Stuttgart 21 stoppen, jeder muss dazu einen Beitrag leisten und jetzt wieder fleißig mitdemonstrieren. Aber das dauert jetzt noch ein Weilchen, das ist ganz klar, das ist unsere Erfahrung, und ja, wir sind gespannt, was die Großdemo am 9. Juli bringt.

    Engels: Woran liegt es denn, dass es jetzt noch ein bisschen braucht, bis man wieder diese vielen Zehntausenden Menschen auf die Straße bringt, Ihrer Meinung nach, oder kommen die vielleicht doch gar nicht mehr?

    Rockenbauch: Doch! Ich bin ganz davon überzeugt, die kommen auf jeden Fall wieder. Wenn die Bahn AG jetzt wirklich weitere Fakten schaffen wird, dann kommen die wieder. Man muss ja mal sehen, dass sich die Bahn AG eben nicht an das hält, was sie im Stresstest versprochen hat, dass sie hier wirkliche Transparenz macht, dass sie den Widerstand von Anfang an beteiligt und keine weiteren Fakten schafft - sie hält sich nicht an ihre eigenen Versprechen, sie macht weiter mit ihrer Politik des Tricksens und Täuschens, sie legt nicht wirklich die 121 Risiken auf den Tisch, die uns der ehemalige Projektleiter hinterlassen hat, und auch beim Grundwassermanagement, wo sie jetzt weiter arbeiten wollen, ist es höchst umstritten, ob sie das rechtlich überhaupt dürfen, denn sie haben beantragt, hier einfach mehr Grundwasser abzupumpen, und das macht das ganze Planfeststellungsverfahren eigentlich ungültig. Man müsste hier ein neues Planfeststellungsverfahren machen. Es ist höchst zweifelhaft, ob die Bahn AG überhaupt bauen darf, und ich glaube, all das wird die Leute weiter motivieren, auf die Straße zu gehen, und da freuen wir uns drauf.

    Engels: Nun argumentiert aber die Bahn AG, dass sie nun schon genug Kosten hatte, und sie hätte ja auch angekündigt, einen Baustopp weiter dann in der Form durchsetzen zu lassen, wenn man ihr bei der Kostenübernahme geholfen hätte. Sie schlagen sich da aber sehr aufseiten der Landesregierung und trauen den Argumenten eher als der Bahn?

    Rockenbauch: Es ist auf jeden Fall so, dass die Bahn jetzt hier in letzter Zeit versucht hat, sich ihr eigenes schlechtes Projektmanagement teuer zu bezahlen, dass sie im Endeffekt vorgibt, einen Baustopp zu machen, und dabei geht es nur um Pokerspiel, um Millionen. Das ist nicht unser Ziel, das ist eigentlich ein widerliches Spiel hier, dass man die privatwirtschaftlichen Interessen über den demokratischen Frieden im Land und in der Stadt Stuttgart stellt. Das ist unakzeptabel, es kann kein Recht geben und auch keine Kosten rechtfertigen, dass man hier weiter die Natur zerstört und Menschen und die Sicherheit gefährdet und einfach Steuermillionen, Milliarden, muss man sagen, verschwendet. Das kann kein privatrechtlicher Vertrag rechtfertigen, dieses Recht hat die Bahn AG nicht, hier in Stuttgart wieder zur alten Hau-drauf-Mentalität zurückzukehren.

    Engels: Herr Rockenbauch, Sie haben es angesprochen: Sie wollen mit einer Massendemonstration dann erst im Juli den Druck speziell auf die Bahn erhöhen. Der Stresstest, das Ergebnis wird für Mitte Juli erwartet. Aber müssten Sie nicht auch schon jetzt Druck auf die SPD ausüben, die ja nun mitregiert und Stuttgart 21 eigentlich weiter bauen will?

    Rockenbauch: Ja, genau das haben wir gemacht. Wir haben jetzt die SPD-ler gegen Stuttgart 21 ins Aktionsbündnis aufgenommen, um hier ein klares Zeichen zu setzen, dass in der SPD es nicht so ist, wie es vielleicht an der Spitze gesehen wird. In der SPD gibt es eine ganz, ganz große Basis, die für das sinnvollere, ökologischere, leistungsfähigere und kostengünstigere Projekt K 21 ist, und diesen Teil, den stärken wir jetzt durch eine verstärkte Zusammenarbeit im Aktionsbündnis.

    Engels: Jede Protestbewegung kennt Höhepunkte und anschließend auch irgendwann ein Absinken der breiten Erregung. Das ist eigentlich fast bei jedem Thema so. Was macht Sie so sicher, dass das bei Stuttgart 21 nicht passiert, denn die Zahlen sprechen im Moment ja nicht für Sie, was die Zahl der Demonstranten angeht?

    Rockenbauch: Ja, das ist ganz einfach. Im Endeffekt gibt es keinen Grund, warum die Leute plötzlich für Stuttgart 21 sein sollten. Es kommen eben immer mehr, wie ich vorher sagte, Tricksereien und Lügen, ungeklärte Risiken und Kosten ans Tageslicht. Das macht die Leute weiter zornig. Wir haben so viel erreicht, und wenn jetzt die Bahn AG weiter auf stur stellt und einfach sagt, wir haben jetzt hier nun mal unsere Baugenehmigungen, und selber nicht kritisch überprüft, ob die überhaupt rechtens sind, dann werden die Leute wieder kommen, das lassen sie sich nicht gefallen. Die Begeisterung, die wir letzten Sommer hatten, die Kraft und Kompetenz, die der Widerstand da entwickelt hat, die spüren die Leute noch genau und es ist ein Selbstbewusstsein unter den Leuten da, da sind sich alle einig hier in Stuttgart. Wenn es wirklich an Südflügel und Bäume geht, wenn nicht davor auch schon, dann sind die Leute wieder alle da.

    Engels: Das ist Ihre Einstellung. Aber auch die nun regierenden Grünen fürchten ja, dass die Ernüchterung Einzug gehalten hat und dass auch eine Volksbefragung, die ja für den Oktober rund um Stuttgart 21 geplant ist, scheitern wird.

    Rockenbauch: Ja, man muss klar sagen, eine Volksabstimmung, die zu Quoren und Regeln gemacht sind, die nur dazu dienen, die direkte Demokratie zu verhindern, also die durch Quoren unmöglich gemacht wird, die kann nichts demokratisch legitimieren und die wird auch zu keinem demokratischen Frieden in diesem Projekt und in dieser Stadt oder in diesem Land führen können. Das ist völlig klar. Wir sind aber davon überzeugt, dass wir eine Mehrheit gegen Stuttgart 21 mobilisieren können.

    Engels: Das heißt, Ihr Druck richtet sich gegen die Bahn, damit die möglicherweise alleine, weil sie den Widerstand spürt, ihre Pläne zurückzieht?

    Rockenbauch: Gegen einen Widerstand einer kompletten Stadt wie hier in Stuttgart kann die Bahn AG nicht dieses Projekt, das so eine lange Bauzeit hat, durchdrücken. Das funktioniert nicht. Der politische Preis dafür wäre viel zu hoch. Da wird es dann schon so sein, dass die Bahn AG auch von ganz oben zurückgepfiffen wird. Und man muss klar sagen: Die Bahn AG darf ihre privatwirtschaftlichen Interessen nicht über das Allgemeinwohl stellen und nicht über den demokratischen Frieden in dieser Stadt. Das werden wir klar machen, wenn die Demonstrationen wieder richtig anziehen.

    Engels: Hannes Rockenbauch, er ist Sprecher des Aktionsbündnisses gegen Stuttgart 21 und optimistisch, dass Stuttgart 21 und der Widerstand dagegen wieder zur Massenbewegung werden kann. Vielen Dank für das Gespräch.

    Rockenbauch: Danke und oben bleiben.