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Stuttgarter Kongo-Prozess
Lange Haftstrafe für Hutu-Milizenchef

Nach mehr als vierjähriger Prozessdauer hat das Oberlandesgericht Stuttgart zwei ruandische Milizenführer verurteilt. Sie hatten von Deutschland aus eine Rebellengruppe in Zentralafrika geführt. Die Verteidiger beider Angeklagten hatten auf Freispruch plädiert.

    Die Angeklagten Straton M. (l) und Ignace M. (4.v.l.) sitzen im Gerichtssaal des Oberlandesgerichts in Stuttgart (Baden-Württemberg) vor der Urteilsverkündung in der Anklagebank neben ihren Anwälten.
    Die beiden Angeklagten mit ihren Anwälten. (picture alliance / dpa / Deniz Calagan)
    Der Hutu-Milizenchef Ignace Murwanashyaka muss für 13 Jahre hinter Gitter. Der 5. Strafsenat des Oberlandesgerichts machte den 52 Jahre alten gebürtigen Ruander verantwortlich für Rädelsführerschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung und Beihilfe zu Kriegsverbrechen. Der Hauptangeklagte soll in den Jahren 2008 und 2009 von Mannheim aus per Satellitentelefon, SMS und E-Mail die Rebellenorganisation FDLR geführt haben.
    Sein früherer Stellvertreter Straton Musoni wurde wegen Rädelsführerschaft mit acht Jahren Gefängnis bestraft, muss aber wegen langer Untersuchungshaft nicht mehr ins Gefängnis. Die beiden Angeklagten lebten seit den 1980er-Jahren in Baden-Württemberg. Die Anklage hatte lebenslange Haft für Murwanashyaka und zwölf Jahre für Musoni gefordert. Ihre Verteidiger plädierten auf Freispruch. Beide Angeklagten haben die Vorwürfe in dem Verfahren zurückgewiesen.
    Kritik am Mammutverfahren vom Richter
    Der erste deutsche Prozess nach dem 2002 eingeführten Völkerstrafgesetzbuch dauerte 320 Sitzungstage und mehr als vier Jahre. Die Beweisaufnahme zu den Vorgängen im rund 6.000 Kilometer entfernten Ostkongo gestaltete sich schwierig und langwierig. Einige Zeugen wurden aus Ruanda eingeflogen oder per Videovernehmung ins Gericht geholt. Manche sagten an bis zu zwölf Verhandlungstagen aus.
    Nach Hochrechnungen des Oberlandesgerichts summieren sich die Kosten für den Prozess auf rund 4,8 Millionen Euro. Der Vorsitzende Richter Jürgen Hettich kritisierte zum Abschluss, ein derartiges Mammutverfahren mit Auslandsbezug lasse sich mit der deutschen Prozessordnung "nicht in den Griff bekommen".
    Die FDLR geht auf den Völkermord in Ruanda 1994 zurück. Nach Auseinandersetzungen zwischen den Volksgruppen der Hutu und Tutsi, bei denen rund 800.000 Menschen starben, flohen mehr als zwei Millionen Ruander - mehrheitlich Hutus - in die angrenzende Demokratische Republik Kongo. Dort wurde später die FDLR gegründet, die Teile Kongos kontrollierte.
    (pg/tzi)