Diesel, Dienstwagen & Co
Wie Verkehrssubventionen Klima und Haushalt belasten

Der Verkehr wird in Deutschland in vielen Bereichen mit Subventionen wie dem Dienstwagenprivileg oder der Pendlerpauschale gefördert. Das kostet Milliarden und führt zu Umweltbelastungen etwa durch CO2-Emissionen. Was tun? Reformieren oder abschaffen?

28.06.2024
    Ein Airbus A340 der Fluggesellschaft Lufthansa rollt nach der Landung auf einer Brücke über die stark befahrene Autobahn 3 (A3) nahe des Flughafens Frankfurt am Main.
    Viele Subventionen betreffen den Straßenverkehr. Aber auch der Luftverkehr profitiert. (picture alliance / dpa / Silas Stein)
    Um den CO2-Ausstoß in Deutschland perspektivisch zu senken, wird dieser besteuert und zwar beim Autofahren derzeit mit 45 Euro pro Tonne. Allerdings ist das eine relativ neue Maßnahme, die erst 2021 eingeführt wurde. Ihr entgegen stehen einige Subventionen wie etwas das Dieselprivileg, die teilweise vor Jahrzehnten schon eingeführt wurden.
    Solche Subventionen zu ändern oder gar abzuschaffen, fällt aber keiner Regierung leicht, wie das Beispiel der Streichung der Agrardieselsubventionen zeigte, die zu wochenlangen und massiven Protesten führte. Dabei fordern nicht nur Umweltverbände, sondern auch Wirtschaftsexperten und die OECD ein Umdenken.
    Wie sich die Subventionen in unterschiedlichen Verkehrsbereichen auswirken und wie viel an Steuereinnahmen dadurch verloren geht, hat das vom Bundesforschungsministerium geförderte Kopernikus-Projekt Ariadne in einer Studie errechnet.

    Steuerprivilegien im Verkehrsbereich

    Das Dieselprivileg

    Die Besteuerung von Benzin und Diesel ist schon sehr alt, schon 1879 wurde der „Petroleumszoll“ eingeführt. 1930 wurde daraus die Mineralölsteuer, seit 1939 wird auch Dieselöl besteuert. Dass Diesel und Benzin heute unterschiedlich besteuert werde, hat historische und wirtschaftliche Gründe, denn der Diesel kam früher vor allem im Waren- und Güterverkehr zum Einsatz. Nutzfahrzeuge und der gewerbliche Lkw-Verkehr sollten gegenüber der Konkurrenz aus dem Ausland bessergestellt werden.
    Für den Pkw-Markt hatte das sogenannte Dieselprivileg zunächst keine Bedeutung. Doch das änderte sich ab Mitte der 1980er-Jahre. Zwischen 1986 und 1999 wurde der Steuervorteil für Dieselkraftstoff laut dem Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft so stark ausgeweitet, dass in der Folge auch der Absatz von Diesel-Pkws stark anstieg. In Deutschland machten Diesel-Pkw 2023 insgesamt fast ein Drittel aller Pkw aus.
    Gegenwärtig liegen die Steuersätze für Diesel bei 47,04 Cent/Liter und für Benzin bei 65,45 Cent/Liter. Das Kopernikus-Projekt Ariadne errechnete daraus einen negativen CO2-Preis durch das Dieselprivileg von 70 Euro/Tonne CO2.
    Die entgangenen Steuereinnahmen werden auf 2,5 Milliarden Euro geschätzt.

    Die Pendlerpauschale

    Auch die Steuervorschriften zu den Kosten für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeit blicken auf eine lange Geschichte zurück. Schon um 1900 wurde vor Gericht darüber gestritten, seit 1920 sind die „notwendigen Kosten“ für den Weg zur Arbeit ausdrücklich gesetzlich zum Abzug zugelassen, wobei Pkw-Kosten erst 1955 anerkannt wurden.
    Inzwischen wurde daraus die verkehrsmittelunabhängige Entfernungspauschale, mit der die Mobilität der Arbeitnehmer unterstützt wird und die Kosten für den Weg zur Arbeit von der Steuer abgesetzt werden können.
    Mit der Entfernungspauschale werden zwar auch Fahrten mit Elektroautos, mit öffentlichen Verkehrsmitteln oder mit Fahrrädern unterstützt, jedoch ist die subventionsfähige Strecke zur Arbeit bei Pkw als einzigem Verkehrsmittel laut der Ariadne-Studie nicht gedeckelt. Dadurch seien die Anreize für die Nutzung des Pkw für Arbeitswege besonders ausgeprägt.
    Bei der Pendlerpauschale liege der negative CO2-Preis zwischen 200 und 380 Euro. Das sei also eine ganz bedeutende Subventionierung der Autonutzung, sagte einer der Autoren der Ariadne-Studie, Nikolas Koch vom Mercator Institute for Global Commons and Climate Change (MCC), im Deutschlandfunk.
    Die entgangenen Steuereinnahmen lägen bei fünf bis sechs Milliarden Euro.

    Das Dienstwagenprivileg

    Auch Dienstwagen- und Firmenautos werden steuerlich begünstigt. So können die Anschaffung, die Nutzung, aber auch etwa Reparaturen von der Steuer abgesetzt werden. Auch können Unternehmen ihre Mitarbeiter Fahrzeuge als Dienstwagen zur Verfügung stellen, die privat genutzt werden können.
    Bei der Dienstwagensteuer den negativen CO2-Preis zu berechnen, sei aber deutlich schwerer als bei den einfachen Steuervergünstigungen für Diesel oder Kerosin, erklärte das Mercator Institute for Global Commons and Climate Change (MCC). Auch seien Dienstwagen statistisch nicht gut erfasst. Außerdem müssten auch individuelle Faktoren wie das Fahrzeugmodell, die private Fahrleistung und der Einkommensteuersatz berücksichtigt werden.
    Deshalb liege der negative CO2-Preis der pauschalen Besteuerung von Dienstwagen in einem Bereich von etwa 160 bis 690 Euro/Tonne CO2.
    Die entgangenen Steuereinnahmen lägen bei schätzungsweise 3,5 bis 5,5 Milliarden Euro.

    Die inländische Kerosinsteuerbefreiung

    Die Besteuerung des Luftverkehrs ist international geregelt, wobei die Nutzer, also die Fluggesellschaften und Passagiere, für jeden Start und jede Landung Flughafengebühren zahlen. Das Abkommen über die Internationale Zivilluftfahrt (Chicagoer Abkommen von 1944) sieht grundsätzlich die Steuerbefreiung von Treibstoffen im internationalen Luftverkehr vor.
    Im innerdeutschen Verkehr könnte Deutschland den Flugzeugtreibstoff, das Kerosin, besteuern. Da das in der EU aber kein anderer Staat macht, verzichtet Deutschland aus Wettbewerbsgründen auch darauf. In Europa erhebt nur Norwegen, das nicht zur EU gehört, Kerosinsteuern.
    Durch den Verzicht auf die Kerosinsteuer ergibt sich laut Ariadne-Studie ein negativer CO2-Preis von etwa 260 Euro, wenn der deutsche Energiesteuersatz angenommen wird und ein negativer CO2-Preis von etwa 130 Euro, wenn der maximal zulässige EU-Steuersatz verwendet wird.
    Die entgangenen Steuereinnahmen lägen zwischen 300 und 600 Millionen Euro.

    Wer profitiert von den Subventionen?

    Generell lasse sich feststellen, dass vor allem die einkommensstarken Haushalte von den Subventionen profitierten, sagt Volkswirt Nikolas Koch vom MCC. Erwerbstätige, die einen neuen Dienstwagen haben, kämen eher aus den höheren Einkommensgruppen. Insgesamt werde über diese vier Subventionen mehr Geld an die Bürgerinnen und Bürgern verteilt, als der Staat durch den CO2-Preis an der Tankstelle einnehme.
    Interessant sei, dass Benzin, also der Kraftstoff, den die Masse der Bevölkerung nutzte, am allerhöchsten besteuert werde, sagt der Ökonom Matthias Runkel. Diesel habe einen reduzierten Steuersatz, obwohl es eigentlich mehr Energiegehalt habe. Schiffsdiesel und Kerosin seien komplett von der Energiesteuer befreit. Und bei Kerosin gebe es ein sehr großes Steuerprivileg - ausgerechnet für einen Bereich, wo es die Menschen am allerwenigsten bräuchten und wo es auch besonders klimaschädlich sei. 

    Subventionen contra Klimaschutz

    Die Subventionen konterkarierten den Klimaschutz, so Volkswirt Koch vom MCC. Wenn der Klimaschutz gestärkt werden solle, müsse reformiert werden. Zu denken wäre an eine schrittweise Abschaffung des Diesel-Steuerprivilegs. Das könnte recht kurzfristig und spürbar die Emissionen reduzieren.
    Beim Dienstwagenprivileg sollte über eine Umgestaltung geredet werden, die Fahrzeuge nach ihren CO2-Emissionen gestaffelt berücksichtige, erklärte das MCC. So könnte auch die E-Mobilität über den Dienstwagen-Markt unterstützen werden.
    Vor einer Abschaffung des Dienstwagenprivilegs warnt etwa der Arbeitgeberverband Pflege (AGVP). Er verwiesen darauf, dass mehr als 400.000 Pflegekräfte Dienstwagen auch privat nutzten und eine Abschaffung die Pflegeberufe und vor allem die Schichtarbeit unattraktiver machen würde.
    Bei der Pendlerpauschale sollte es darum gehen, klimafreundliche Mobilitätsvarianten zum Auto deutlich attraktiver zu machen. Es gehe also hier nicht um eine Abschaffung, sondern eine Umwandlung, sagt Koch. „Wenn der CO2-Preis seine Funktion erfüllen soll, dann müssen wir an die verzerrenden Subventionen mit einem Umbau ran.“

    gue