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EU-Ratspräsident Tusk soll vermitteln

Die EU-Staats- und Regierungschefs haben bei einem Sondergipfel über die Nachfolge von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker gesprochen. Auf einen Kandidaten konnten sie sich jedoch nicht einigen. Nun soll EU-Ratschef Donald Tusk vermitteln und bis Ende Juni ein Personalpaket vorschlagen.

Von Paul Vorreiter |
EU-Ratschef Donald Tusk
EU-Ratschef Donald Tusk (picture alliance / AA / Dursun Aydemir)
In einer Sache sind sich die Staats- und Regierungschefs beim gestrigen Gipfel in Brüssel schnell einig gewesen: Die hohe Beteiligung an der Europawahl sehen sie als Ansporn dafür, schnell Handlungsfähigkeit auf europäischer Ebene zu beweisen.
Dazu zählt auch, einen Nachfolger für EU-Kommissionspräsident Jean Claude-Juncker zu finden, der sowohl von der qualifizierten Mehrheit des Rates und mindestens der einfachen Mehrheit des Parlaments getragen wird. Was das angeht, hat EU-Ratspräsident Tusk einen Auftrag erhalten:
"Ich werde nun mit dem Parlament sondieren, so wie es der Vertrag vorsieht. Ich habe den Fraktionsvorsitzenden und dem EU-Parlamentspräsident bereits Gespräche vorgeschlagen, die sofort beginnen können, wenn sie dazu bereit sind. Parallel werde ich mit den Mitgliedern des Rates über Nachfolge des EU-Ratspräsidenten, des EZB-Chefs ebenso wie die der EU-Außenbeauftragten beraten."
Das Personalpaket sollte Ende Juni stehen
Viel Arbeit, die auf Donald Tusk zukommt. Ende Juni soll idealerweise das Personalpaket stehen. Dieses muss gewöhnlich einer komplizierten Arithmetik folgen, bei der geografische Herkunft der Kandidaten, als auch die Parteifarben eine Rolle spielen. Bei der Wahl in diesem Jahr soll verstärkt auch darauf geachtet werden, mehr Spitzenposten mit Frauen zu besetzen. Was das Amt des EU-Kommissionspräsidenten angeht, hat der Rat dem Ratspräsidenten einen größeren Spielraum zugesprochen, als es der Mehrheit im Parlament lieb ist.
Es werde keinen Automatismus geben und keiner werde ausgeschlossen. Das heißt, der Nachfolger von Jean-Claude Juncker muss nicht unbedingt aus dem Kreise der Spitzenkandidaten der Parteifamilien stammen, so wie es die Mehrheit der Fraktionen im Europaparlament fordert.
Dossier: Europawahlen
Das Dossier zu den Europawahlen (picture alliance / dpa / Kay Nietfeld)
Manche Mitgliedsstaaten fühlen sich nämlich nicht an das Spitzenkandidatensystem gebunden, mit dem bereits Jean-Claude Juncker ins Amt gekommen war. Vorbehalte meldeten osteuropäische Länder an, berühmtester Gegner ist jedoch Frankreichs Präsident Emmanuel Macron:
"Laut dem EU-Vertrag ist es nicht das Parlament, das den Vorschlag für den EU-Kommissionspräsidenten macht, sondern der Rat. Das Parlament muss ihn bestätigen, aber der Vorschlag kommt aus dem Rat. Ich möchte betonen, dass diejenigen, die für das Spitzenkandidaten-System sind, auch diejenigen sind, die keine transnationalen Listen wollten."
Die Verärgerung über die deutsche Ablehnung der transnationalen Listen hört man dem Präsidenten immer noch an. Macron sagte auch, die EU brauche vielmehr "die Qualifiziertesten" und "die Besten" für ihre Spitzenjobs. Dies erfordere eine "große Erfahrung". In Frage kämen für ihn die liberale, dänische EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager, die nur Teil eines Spitzenteams gewesen ist, aber auch der Brexit-Beauftragte Michel Barnier, der kein Spitzenkandidat gewesen ist. Immerhin schreibt Macron unter den Spitzenkandidaten Frans Timmermans die nötige Kompetenz zu.
Tage und Wochen der Ungewissheit für Manfred Weber
Auch die Liberalen im Europaparlament, zu denen Macrons Renaissance-Bewegung gehört, begründeten gestern ähnlich ihre Ablehnung des Spitzenkandidatenprinzips. Die Spitzenkandidaten, so wie es sie jetzt gibt, seien in Wahrheit keine richtigen Spitzenkandidaten, solange die Bürger nicht auf länderübergreifenden Listen für sie stimmen könnten. Den Liberalen ein gutes Angebot zu machen, könnte entscheidend sein, ebenso wie auf die Grünen zuzugehen, ihnen vor allem programmatisch entgegenkommen. Denn Christ- und Sozialdemokraten haben im Europaparlament keine Mehrheit mehr, müssen deshalb neue Partner suchen. Und es kommt noch komplizierter. Kanzlerin Angela Merkel:
"Wir haben drei größere Parteigruppen in unserem Europäischen Rat, die involviert sind direkt für eine Mehrheitsfindung im Parlament, das ist die EVP, die Sozialisten und die Liberalen, wir haben die Grünen, die wiederum keinen Vertreter im Europäischen Rat haben und wir haben Vertreter im Europäischen Rat, die keiner der Familien angehören und auch das muss in eine Balance gebracht werden."
Für Manfred Weber, den Spitzenkandidaten der stärksten Fraktion, der EVP, folgen damit Tage und Wochen der Ungewissheit. Seine Nominierung zum Kommissionspräsidenten scheint keine ausgemachte Sache zu sein. Ließe sich das in Zukunft vermeiden?
"Ich denke, dass das Spitzenkandidatensystem eine Zukunft hat, vielleicht dann doch noch stärker dann auch wirklich mit übernationalen Mandaten."