Bürgerkrieg im Sudan
Frieden liegt in weiter Ferne

Hunger, Vertreibung, Vergewaltigungen: Der Krieg im Sudan tobt mit aller Brutalität. Hilfe für die Zivilbevölkerung gibt es kaum. Dafür kommen aus dem Ausland Waffen an die Kriegsparteien. Es ist weit mehr als ein Machtkampf zwischen zwei Rivalen.

    Rauch über Häusern in der sudanesischen Hauptstadt Khartum. Ein Mann steht im Vordergrund, er ist nur eine Silhouette.
    Krieg im Sudan: Seit Mitte April 2023 kämpfen die Armee und die Rapid Support Forces in dem afrikanischen Land um die Vorherrschaft. (picture alliance / ASSOCIATED PRESS / Marwan Ali)
    Im Sudan herrscht seit April 2023 Krieg. Damals eskalierte ein blutiger Machtkampf zwischen Machthaber Abdel Fattah Abdelrahman Burhan und seinem ehemaligen Vize Mohammed Hamdan Daglo: Die Armee kämpft gegen die von Daglo angeführten Rapid Support Forces (RSF).
    Doch je länger dieser Konflikt dauert, desto mehr Gruppierungen mischen mit. Staaten wie die Vereinigten Arabischen Emirate liefern Waffen.
    Nach Angaben der Vereinten Nationen hat der Konflikt Zehntausende Tote und Verletzte gefordert, die Menschen im Sudan hungern. Mehr als 14 Millionen Menschen sind auf der Flucht. Laut den Vereinten Nationen handelt sich um eine der größten humanitären Krisen der Welt.

    Inhalt

    Wie stark leidet die Bevölkerung unter dem Machtkampf im Sudan?

    Die humanitäre Lage im Sudan ist katastrophal. Die medizinische Versorgung ist vielerorts zusammengebrochen, laut den Vereinten Nationen hungern mehr als 26 Millionen Menschen, etwa die Hälfte der Bevölkerung. Außerdem werden Zivilisten Opfer militärischer Attacken: Zehntausende Menschen wurden schon getötet oder verletzt.
    Frauen erleben Gräueltaten: Sie sind Massenvergewaltigungen ausgesetzt, wie Augenzeugen berichten. An einem Tag sollen mehr als 100 Frauen Selbstmord begangen haben, um Vergewaltigungen durch Truppen zu entgehen. Darüber berichtet Marina Peter vom Verein „Sudan und Südsudan Forum“.
    UN-Generalsekretär Guterres sagte im Oktober 2024, dass neben dem „Albtraum der Gewalt“ die Zivilbevölkerung mit Krankheiten wie Cholera, Malaria, dem Dengue-Fieber, Masern und Röteln zu kämpfen habe.
    Humanitäre Hilfe wird von den Konfliktparteien selten durchgelassen. In der Region Norddarfur haben Menschen in einem Flüchtlingslager im November 2024 erstmals wieder Essensrationen des Welternährungsprogramms (WFP) erhalten. Monatelang mussten sie laut WFP zermalmte Erdnussschalen essen.
    Marina Peter vom Verein „Sudan und Südsudan Forum“ sagt: „Das bisschen Hilfe, das im Moment ankommt, rettet eigentlich keine Leben, sondern verschiebt nur den Tod für einige.“

    Wie sieht die internationale Hilfe für den Sudan aus?

    Für das Jahr 2025 benötigen die Vereinten Nationen nach eigenen Angaben 4,2 Milliarden Dollar für humanitäre Hilfe im Sudan. Diese Mittel sollen die dringendsten Bedürfnisse von fast 21 Millionen der am stärksten gefährdeten Menschen in dem afrikanischen Land decken.
    Die akute Ernährungsunsicherheit habe ein „historisches Ausmaß“ erreicht, insbesondere in den Regionen Darfur, Khartum und Kordofan, so die UN.
    Auf einer Hilfskonferenz in Paris Mitte April 2024 kündigte die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock an, den Sudan mit weiteren 244 Millionen Euro zu unterstützen. Weitere 350 Millionen versprach die EU, 138 Millionen die USA und 110 Millionen Frankreich. Insgesamt wurden Hilfen von über zwei Milliarden Euro zugesagt.
    Internationale Initiativen, um den Krieg zu beenden oder auch nur einen Waffenstillstand zu vermitteln, sind bislang gescheitert. Zuletzt im August 2024, als sich das sudanesische Militär weigerte, an den von den USA vermittelten Gesprächen in Genf teilzunehmen. Seitdem haben sich die Kämpfe nur noch verschärft.
    Besonders problematisch ist es aus Sicht des Vereins „Sudan und Südsudan Forum“, dass es keine einheitliche Plattform für Verhandlungen gibt und dass zum Beispiel die Vereinigten Arabischen Emirate Waffen an die RSF liefern. Hier versuche sich die Türkei einzuschalten. Es müsste aber mehr Druck gemacht werden, um weitere Spieler mit ins Boot zu holen – China beispielsweise, so die Vorsitzende Marina Peter. Der Krieg im Sudan sei nicht nur ein Machtkampf zwischen zwei Männern, sondern "ein Interessen- und Machtkampf fast globalen Ausmaßes".

    Wie ist die politische Lage im Sudan?

    Mitte April 2023 eskalierte ein schon länger schwelender Konflikt innerhalb des Sicherheitsapparats. Die militärische Konfrontation ließ das flächenmäßig drittgrößte Land Afrikas mit seinen rund 51 Millionen Einwohnern im Chaos versinken. Sudan ist reich an Rohstoffen wie Öl und Gold, aber die meisten Menschen dort leben in Armut.
    Eine Karte des afrikanischen Staats Sudan mit seiner Hauptstadt Karthoum
    Der Sudan: ein Land versinkt im Chaos. (picture alliance / ASSOCIATED PRESS / Uncredited)
    In dem Krieg stehen sich Einheiten der Armee unter dem Kommando von Machthaber Abdel Fattah Abdelrahman Burhan und die rivalisierenden Rapid Support Forces (RSF) gegenüber. Die RSF sind eine paramilitärische Miliz und werden von Mohammed Hamdan Daglo angeführt, dem ehemaligen Vize von Burhan. Dieser hatte Daglo einst entlassen – das gilt als Auslöser des Konflikts.
    Laut den Vereinten Nationen sind elf Millionen Menschen durch den Krieg innerhalb Sudans auf der Flucht. Mehr als drei Millionen sind unter anderem in die Nachbarländer Tschad, Ägypten und Südsudan geflohen. Marius Schneider, Koordinator beim Deutschen Roten Kreuz, sprach von der größten Vertreibungskrise der Welt.
    Die Journalistin Anna-Theresa Bachmann beschreibt die RSF als eine Art Mafia, die in verschiedenen Branchen Geschäfte betreibt. Zu dem "Businessimperium" gehöre auch eine Sicherheitsfirma des Bruders Daglos. Diese sei auch von westlichen Botschaften wie der deutschen und Hilfsorganisationen engagiert worden.

    Wo finden Kämpfe im Sudan statt?

    Der Konflikt begann im April 2023 in der Hauptstadt Khartum und hat sich schnell auf weitere Gebiete ausgedehnt. Besonders vom Krieg betroffen ist die Region Darfur im Westen des Landes.
    Laut UN wird die Zivilbevölkerung dort aufgrund ihrer Hautfarbe angegriffen, es gibt Berichte über Hinrichtungen und ethnische Säuberungen. Die Angriffe gehen demnach vor allem von den Rapid Support Forces und alliierten Milizen aus.
    Die UN-Beauftragte zur Verhinderung von Völkermord, Alice Nderitu, warnte vor einem Genozid in Darfur. Die Situation dort weise alle Merkmale eines drohenden Völkermords auf, sagte sie vor dem Weltsicherheitsrat in New York.
    Ein Bericht von Wissenschaftlern der US-Universität Yale stützt die Vorwürfe. Demnach wurden Mitte Mai 2024 größere Wohngebiete rund um die Regionalhauptstadt der Region Norddarfur zerstört. Auch ein Vertriebenenlager wurde angegriffen.
    Die Darfur-Region ist seit Jahrzehnten von ethnischer Gewalt geprägt. Allein zwischen 2003 und 2008 wurden Schätzungen zufolge 300.000 Menschen getötet. Der Internationale Strafgerichtshof ermittelt wegen Völkermords.
    Die RSF sind aus den arabischen Dschandschawid-Milizen hervorgegangen, die für die damaligen Verbrechen maßgeblich mitverantwortlich gemacht werden. Auch ihrem jetzigen Anführer Mohammed Hamdan Daglo werden Gräueltaten vorgeworfen.

    Wie ist die Vorgeschichte der Kämpfe im Sudan?

    2019 kam es zu monatelangen Protesten der Bevölkerung gegen Langzeitdiktator Omar Al-Bashir. 1989 hatte sich dieser an die Macht geputscht und ein islamistisches System errichtet – unterstützt von Saudi-Arabien, den Vereinigten Arabischen Emiraten und dem Nachbarland Ägypten. Abspaltungsversuche in der Provinz Darfur ließ er gewaltsam niederschlagen.
    Nach dem Sturz von Al-Bashir 2019 gab es dann eine zivil-militärische Machtteilung und eine Übergangsregierung. Allerdings habe sich schnell herausgestellt, dass die zivilen Kräfte der Demokratiebewegung nicht darauf eingestellt waren, Regierungsmacht zu übernehmen, berichtet Gerrit Kurtz von der Stiftung Wissenschaft und Politik. Die Armee riss immer mehr Macht an sich. 2021 kam es schließlich zu einem Militärputsch.
    Soldaten der sudanesischen Armee, die loyal gegenüber dem Armeechef Abdel Fattah al-Burhan sind, feiern, nachdem sie am 18. April 2023 in der Stadt Nyala im Sudan einen Militärstützpunkt von den Rapid Support Forces (RSF) zurückerobert haben.
    Feiernde Soldaten der sudanesischen Armee nach der Rückeroberung einer Militärbasis. (picture alliance / dpa / Newscom)
    Versprochen wurde aber weiterhin der Übergang zu einer zivilen Regierung. Im Zuge dessen sollten die RSF-Truppen in das Militär eingegliedert werden, was zu Spannungen führte. Daglo unterstellte Burhan, seine Macht nicht aufgeben zu wollen. Aus diesem Konflikt ist ein blutiger Machtkampf geworden.

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