Bürgerkrieg im Sudan
Ein Land versinkt im Chaos

Ein militärischer Machtkampf bringt den Sudan an den Rand des Abgrunds. 25 Millionen Menschen hungern, Hilfe kommt bei der Zivilbevölkerung kaum noch an. Nach UN-Angaben gibt es in der Region Dafur inzwischen Anzeichen für einen drohenden Völkermord.

25.05.2024
    Rauch über Häusern in der sudanesischen Hauptstadt Khartum. Ein Mann steht im Vordergrund, er ist nur eine Silhouette.
    Krieg im Sudan: Seit Mitte April 2023 kämpfen die Armee und die Miliz Rapid Response Forces in dem afrikanischen Land um die Vorherrschaft. (picture alliance / ASSOCIATED PRESS / Marwan Ali)
    Im Sudan tobt ein blutiger Machtkampf zwischen Machthaber Abdel Fattah Abdelrahman Burhan und seinem ehemaligen Vize Mohammed Hamdan Daglo: Die Armee kämpft gegen die von Daglo angeführten Rapid Support Forces (RSF).
    Nach Angaben der Vereinten Nationen hat der Konflikt inzwischen 16.000 Tote und 33.000 Verletzte gefordert, die Menschen im Sudan hungern, neun Millionen sind auf der Flucht. Es handele sich um die derzeit größte humanitäre Krise der Welt, sagt der frühere UN-Sonderbeauftragte für den Sudan, Volker Perthes.

    Inhalt

    Wie stark leidet die Bevölkerung unter dem Machtkampf im Sudan?

    Die humanitäre Lage im Sudan ist katastrophal. Die medizinische Versorgung ist vielerorts zusammengebrochen, mehreren Millionen Menschen droht nach Angaben der Welthungerhilfe der Hungertod. Zivilisten werden Opfer militärischer Attacken: Etliche tausend Menschen hat der Krieg schon das Leben gekostet.

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    Außerdem verschärft sich die Lage in den Nachbarstaaten Südsudan und Tschad. Dort haben sich Hunderttausende vor den Kämpfen im Sudan in Sicherheit gebracht. Marius Schneider, Koordinator beim Deutschen Roten Kreuz, spricht von der größten Vertreibungskrise der Welt.
    Selbst Hilfsorganisationen werden angegriffen: Im vergangenen Jahr wurden Helfer von „Ärzte ohne Grenzen“ attackiert, die medizinische Hilfsgüter in ein Krankenhaus der Hauptstadt Khartum bringen wollten. UN-Nothilfekoordinator Martin Griffiths beschrieb die Lage im Sudan als „Bürgerkrieg der brutalsten Art“.

    Wie sieht die internationale Hilfe für den Sudan aus?

    Die Vereinten Nationen benötigen in diesem Jahr rund 2,7 Milliarden US-Dollar für die Sudan-Hilfe. Doch nach UN-Angaben haben die Geberländer bisher nur einen Bruchteil des benötigten Betrags zur Verfügung gestellt.
    Auf einer Hilfskonferenz in Paris Mitte April 2024 kündigte die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock an, den Sudan mit weiteren 244 Millionen Euro zu unterstützen. Weitere 350 Millionen kommen von der EU, 138 Millionen von den USA und 110 Millionen aus Frankreich. Insgesamt wurden Hilfen von über zwei Milliarden Euro zugesagt, aber kein Zeitrahmen dafür verkündet.
    Internationale Initiativen, um den Krieg zu beenden, sind bislang gescheitert. Zwar hatten sich die Konfliktparteien darauf geeinigt, die Zivilbevölkerung zu schützen, doch wurden verabredete Feuerpausen bisher nur teilweise oder gar nicht eingehalten.

    UN-Resolution ohne Wirkung

    Anfang März 2024 forderte der UN-Sicherheitsrat die Konfliktparteien im Sudan zu einer Waffenruhe während des muslimischen Fastenmonats Ramadan auf. Außerdem sollten sie den ungehinderten Transport von Hilfslieferungen über die Landesgrenzen und Frontlinien hinweg ermöglichen. Doch das sudanesische Militär erteilte der Resolution eine Absage, die Kämpfe dauerten an.

    Wie ist die politische Lage im Sudan?

    Mitte April 2023 eskalierte ein schon länger schwelender Konflikt innerhalb des Sicherheitsapparats. Die militärische Konfrontation ließ das flächenmäßig drittgrößte Land Afrikas mit seinen rund 46 Millionen Einwohnern im Chaos versinken. Sudan ist reich an Rohstoffen wie Öl und Gold, aber die meisten Menschen dort leben in Armut.
    Eine Karte des afrikanischen Staats Sudan mit seiner Hauptstadt Karthoum
    Der Sudan: ein Land versinkt im Chaos. (picture alliance / ASSOCIATED PRESS / Uncredited)
    In dem Krieg stehen sich Einheiten der Armee unter dem Kommando von Machthaber Abdel Fattah Abdelrahman Burhan und die rivalisierenden Rapid Support Forces (RSF) gegenüber. Die RSF sind eine paramilitärische Miliz und werden von Mohammed Hamdan Daglo angeführt, dem ehemaligen Vize von Burhan. Dieser hatte Daglo einst entlassen – das gilt als Auslöser des Konflikts.
    Laut der UN-Flüchtlingshilfe sind inzwischen 1,6 Millionen Menschen unter anderem in die Nachbarländer Tschad, Ägypten und den Südsudan geflohen. Gut sechs Millionen sind innerhalb des Landes vor der Gewalt auf der Flucht. Mehr als 16.000 Menschen wurden bisher nach offiziellen Angaben getötet, Zehntausende verletzt. Experten gehen indes davon aus, dass die Zahlen deutlich höher liegen.

    RSF: eine Art Mafia

    Die Journalistin Anna-Theresa Bachmann beschreibt die RSF als eine Art Mafia, die in verschiedenen Branchen Geschäfte betreibt. Zu dem "Businessimperium" gehöre auch eine Sicherheitsfirma des Bruders Daglos. Diese sei auch von westlichen Botschaften wie der deutschen und Hilfsorganisationen engagiert worden.

    Wo finden Kämpfe im Sudan statt?

    Der Konflikt begann im April 2023 in der Hauptstadt Khartum und hat sich schnell auf weitere Gebiete ausgedehnt. Besonders vom Krieg betroffen ist die Region Darfur im Westen des Landes.
    Die UN-Beauftragte zur Verhinderung von Völkermord, Alice Nderitu, warnt inzwischen vor einem Genozid in Darfur. Die Situation dort weise alle Merkmale eines drohenden Völkermords auf, sagte sie vor dem Weltsicherheitsrat in New York.
    Nderitu zufolge wird die Zivilbevölkerung in Dafur aufgrund ihrer Identität angegriffen, Menschen würden aufgrund ihrer Hautfarbe und ihrer ethnischen Zugehörigkeit attackiert und getötet. Die Angriffe gehen Berichten zufolge vor allem von den Rapid Support Forces und alliierten Milizen aus.
    Ein Bericht von Wissenschaftlern der US-Universität Yale stützt die Vorwürfe. Demnach wurden Mitte Mai größere Wohngebiete rund um die Regionalhauptstadt der Region Nord-Darfur zerstört. Auch ein Vertriebenenlager wurde angegriffen.
    Die Darfur-Region ist seit Jahrzehnten von ethnischer Gewalt geprägt. Allein zwischen 2003 und 2008 wurden Schätzungen zufolge 300.000 Menschen getötet. Der Internationale Strafgerichtshof ermittelt wegen Völkermords.
    Die RSF sind aus den arabischen Dschandschawid-Milizen hervorgegangen, die für die damaligen Verbrechen maßgeblich mitverantwortlich gemacht werden. Auch ihrem jetzigen Anführer Mohammed Hamdan Daglo werden Gräueltaten vorgeworfen.

    Wie ist die Vorgeschichte der Kämpfe im Sudan?

    2019 kam es zu monatelangen Protesten der Bevölkerung gegen Langzeitdiktator Omar Al-Bashir. 1989 hatte sich dieser an die Macht geputscht und ein islamistisches System errichtet – unterstützt von Saudi-Arabien, den Vereinigten Arabischen Emiraten und dem Nachbarland Ägypten. Abspaltungsversuche in der Provinz Darfur ließ er gewaltsam niederschlagen.
    Nach dem Sturz von Al-Bashir 2019 habe es dann eine zivil-militärische Machtteilung und eine Übergangsregierung gegeben, berichtet Gerrit Kurtz von der Stiftung Wissenschaft und Politik. Allerdings habe sich schnell herausgestellt, dass die zivilen Kräfte der Demokratiebewegung nicht darauf eingestellt waren, Regierungsmacht zu übernehmen. Die Armee riss immer mehr Macht an sich. 2021 kam es schließlich zu einem Militärputsch.
    Soldaten der sudanesischen Armee, die loyal gegenüber dem Armeechef Abdel Fattah al-Burhan sind, feiern, nachdem sie am 18. April 2023 in der Stadt Nyala im Sudan einen Militärstützpunkt von den Rapid Support Forces (RSF) zurückerobert haben.
    Feiernde Soldaten der sudanesischen Armee nach der Rückeroberung einer Militärbasis. (picture alliance / dpa / Newscom)
    Versprochen wurde aber weiterhin der Übergang zu einer zivilen Regierung. Im Zuge dessen sollten die RSF-Truppen in das Militär eingegliedert werden, was zu Spannungen führte. Daglo unterstellte Burhan, seine Macht nicht aufgeben zu wollen. Aus diesem Konflikt ist ein blutiger Machtkampf geworden.

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