Im Sudan tobt ein blutiger Machtkampf zwischen Machthaber Abdel Fattah Abdelrahman Burhan und seinem ehemaligen Vize Mohammed Hamdan Daglo: Die Armee kämpft gegen die von Daglo angeführten Rapid Support Forces (RSF).
Nach Angaben der Vereinten Nationen hat der Konflikt inzwischen Zehntausende Tote und Verletzte gefordert, die Menschen im Sudan hungern. Mehr als 13 Millionen Menschen sind auf der Flucht. Es handele sich um die derzeit größte humanitäre Krise der Welt, sagt der frühere UN-Sonderbeauftragte für den Sudan, Volker Perthes.
Wie stark leidet die Bevölkerung unter dem Machtkampf im Sudan?
Die humanitäre Lage im Sudan ist katastrophal. Die medizinische Versorgung ist vielerorts zusammengebrochen, laut den Vereinten Nationen hungern mehr als 26 Millionen Menschen, etwa die Hälfte der Bevölkerung. Außerdem werden Zivilisten Opfer militärischer Attacken: Zehntausende Menschen wurden schon getötet oder verletzt.
Neben der Gewalt verschlechtert eine Umweltkatastrophe die humanitäre Situation im Sudan. Im August 2024 sorgten schwere Regenfälle für Überschwemmungen. In Folge brach eine Cholera-Epidemie aus. Die Durchfallerkrankung kann sich über kontaminiertes Trinkwasser verbreiten und tödlich enden.
Humanitäre Hilfe ist nach Angaben von Hilfsorganisationen fast unmöglich. Selbst Hilfsorganisationen werden angegriffen: Im vergangenen Jahr wurden Helfer von „Ärzte ohne Grenzen“ attackiert, die medizinische Hilfsgüter in ein Krankenhaus der Hauptstadt Khartum bringen wollten. UN-Nothilfekoordinator Martin Griffiths beschrieb die Lage im Sudan als „Bürgerkrieg der brutalsten Art“.
Wie sieht die internationale Hilfe für den Sudan aus?
Die Vereinten Nationen benötigen in diesem Jahr rund 2,7 Milliarden US-Dollar für die Sudan-Hilfe. Doch nach UN-Angaben haben die Geberländer bisher nur einen Bruchteil des benötigten Betrags zur Verfügung gestellt.
Auf einer Hilfskonferenz in Paris Mitte April 2024 kündigte die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock an, den Sudan mit weiteren 244 Millionen Euro zu unterstützen. Weitere 350 Millionen kommen von der EU, 138 Millionen von den USA und 110 Millionen aus Frankreich. Insgesamt wurden Hilfen von über zwei Milliarden Euro zugesagt.
Internationale Initiativen, um den Krieg zu beenden, sind bislang gescheitert. Zwar hatten sich die Konfliktparteien darauf geeinigt, die Zivilbevölkerung zu schützen. Feuerpausen wurden bisher aber nur teilweise oder gar nicht eingehalten.
Gespräche über Waffenruhe in Genf
Seit Mitte August finden in Genf nun Gespräche über eine Waffenruhe im Sudan statt, die die USA angestoßen haben. Fortschritte gibt es demnach bereits bei der humanitären Hilfe. Der Regierungsrat von Militärmachthaber al-Burhan kündigte an, einen Grenzübergang zum Tschad für drei Monate zu öffnen, damit Hilfsgüter ins Land kommen können.
Wie ist die politische Lage im Sudan?
Mitte April 2023 eskalierte ein schon länger schwelender Konflikt innerhalb des Sicherheitsapparats. Die militärische Konfrontation ließ das flächenmäßig drittgrößte Land Afrikas mit seinen rund 46 Millionen Einwohnern im Chaos versinken. Sudan ist reich an Rohstoffen wie Öl und Gold, aber die meisten Menschen dort leben in Armut.
In dem Krieg stehen sich Einheiten der Armee unter dem Kommando von Machthaber Abdel Fattah Abdelrahman Burhan und die rivalisierenden Rapid Support Forces (RSF) gegenüber. Die RSF sind eine paramilitärische Miliz und werden von Mohammed Hamdan Daglo angeführt, dem ehemaligen Vize von Burhan. Dieser hatte Daglo einst entlassen – das gilt als Auslöser des Konflikts.
Laut der Internationalen Organisation für Migration (IOM) sind inzwischen 2,3 Millionen Menschen unter anderem in die Nachbarländer Tschad, Ägypten und den Südsudan geflohen. 10,7 Millionen sind innerhalb des Landes vor der Gewalt auf der Flucht. Marius Schneider, Koordinator beim Deutschen Roten Kreuz, spricht von der größten Vertreibungskrise der Welt.
Die Journalistin Anna-Theresa Bachmann beschreibt die RSF als eine Art Mafia, die in verschiedenen Branchen Geschäfte betreibt. Zu dem "Businessimperium" gehöre auch eine Sicherheitsfirma des Bruders Daglos. Diese sei auch von westlichen Botschaften wie der deutschen und Hilfsorganisationen engagiert worden.
Wo finden Kämpfe im Sudan statt?
Der Konflikt begann im April 2023 in der Hauptstadt Khartum und hat sich schnell auf weitere Gebiete ausgedehnt. Besonders vom Krieg betroffen ist die Region Darfur im Westen des Landes.
Laut UN wird die Zivilbevölkerung dort aufgrund ihrer Hautfarbe angegriffen, es gibt Berichte über Hinrichtungen und ethnische Säuberungen. Die Angriffe gehen demnach vor allem von den Rapid Support Forces und alliierten Milizen aus.
Die UN-Beauftragte zur Verhinderung von Völkermord, Alice Nderitu, warnte vor einem Genozid in Darfur. Die Situation dort weise alle Merkmale eines drohenden Völkermords auf, sagte sie vor dem Weltsicherheitsrat in New York.
Ein Bericht von Wissenschaftlern der US-Universität Yale stützt die Vorwürfe. Demnach wurden Mitte Mai größere Wohngebiete rund um die Regionalhauptstadt der Region Nord-Darfur zerstört. Auch ein Vertriebenenlager wurde angegriffen.
Die Darfur-Region ist seit Jahrzehnten von ethnischer Gewalt geprägt. Allein zwischen 2003 und 2008 wurden Schätzungen zufolge 300.000 Menschen getötet. Der Internationale Strafgerichtshof ermittelt wegen Völkermords.
Die RSF sind aus den arabischen Dschandschawid-Milizen hervorgegangen, die für die damaligen Verbrechen maßgeblich mitverantwortlich gemacht werden. Auch ihrem jetzigen Anführer Mohammed Hamdan Daglo werden Gräueltaten vorgeworfen.
Wie ist die Vorgeschichte der Kämpfe im Sudan?
2019 kam es zu monatelangen Protesten der Bevölkerung gegen Langzeitdiktator Omar Al-Bashir. 1989 hatte sich dieser an die Macht geputscht und ein islamistisches System errichtet – unterstützt von Saudi-Arabien, den Vereinigten Arabischen Emiraten und dem Nachbarland Ägypten. Abspaltungsversuche in der Provinz Darfur ließ er gewaltsam niederschlagen.
Nach dem Sturz von Al-Bashir 2019 gab es dann eine zivil-militärische Machtteilung und eine Übergangsregierung. Allerdings habe sich schnell herausgestellt, dass die zivilen Kräfte der Demokratiebewegung nicht darauf eingestellt waren, Regierungsmacht zu übernehmen, berichtet Gerrit Kurtz von der Stiftung Wissenschaft und Politik. Die Armee riss immer mehr Macht an sich. 2021 kam es schließlich zu einem Militärputsch.
Versprochen wurde aber weiterhin der Übergang zu einer zivilen Regierung. Im Zuge dessen sollten die RSF-Truppen in das Militär eingegliedert werden, was zu Spannungen führte. Daglo unterstellte Burhan, seine Macht nicht aufgeben zu wollen. Aus diesem Konflikt ist ein blutiger Machtkampf geworden.
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