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"Sudetendeutsches Museum" eröffnet
Geschichte der Deutschen im östlichen Europa

Das Kulturerbe des Sudetenlandes hat im neuen Münchner Museum auf 1.200 Quadratmetern einen zeitgemäßen Erinnerungsort bekommen. Erhitzte Debatten oder revisionistische Töne der Vergangenheit blieben aus. "Es ging mehr um Kultur", sagte Dlf-Landeskorrespondent Michael Watzke über die Eröffnung.

Michael Watzke im Gespräch mit Stefan Koldehoff |
Ilse Aigner, Landtagspräsidentin, Markus Söder (CSU), Ministerpräsident von Bayern, Carolina Trautner (CSU), Staatsministerin für Familie, Arbeit, Soziales, Monika Grütters (CDU), Kulturstaatsministerin, und Bernd Posselt, Sprecher der Sudetendeutschen Volksgruppe, nehmen an der Eröffnung des Sudetendeutschen Museums teil
Eröffnung Sudetendeutsches Museum (dpa / picture alliance / Peter Kneffel)
Die Diskussion um Kultur und Gebietsansprüche der deutschen "Heimatvertriebenen" war lange Zeit eine hochpolitische Angelegenheit. Funktionäre forderten die Rückgabe jener einst deutschen Gebiete, die nach 1945 an andere Staaten gefallen waren. Grenzen wurden lange nicht anerkannt, von Revanchismus war umgekehrt die Rede. Nun ist am Montag (12.10.2020) für die sogenannten Sudetendeutschen, die einst in Böhmen, Mähren und Teilen von Schlesien gelebt haben, in München ein eigenes Museum eröffnet worden – mit prominenten Gästen: Kulturstaatsministerin Monika Grütters und der bayerische Ministerpräsident Markus Söder waren dabei.
Erinnerung an vergangene Dialekte
Dlf-Landeskorrespondent Michael Watzke sagt, das Museum halte die Erinnerung an die Kultur in allen Ausprägungen etwa mit einer akustischen Klangdusche aus Stimmen und Sprache des Sudetenlandes, fest. Da lässt sich hören, wie das Sudetenland und seine sprachlichen Dialekte klangen, die nun auszusterben drohen. Eva Haupt, wissenschaftliche Mitarbeiterin des Museums: "Das sind verschiedene Dialekte aus den Sudetenregionen. Wir haben das installiert, um klar zu machen, es gibt keine sudetendeutsche Sprache. Und das Sudetenland war auch kein einheitliches regionales Gebiet, sondern es waren einzelne Regionen, vor allem in den Randgebieten von Böhmen, Mähren, Sudeten-Schlesien, deswegen gibt es auch verschiedene Dialekte."
Schlesierwappen auf dem polnischen Regionalzug Dolny Slask.
Traditionsbewusstsein - Schlesien ohne Grenzen
Sie kommen aus Polen, Deutschland, Tschechien, Österreich und sie pflegen bei einem Seminar im polnischen polnischen Kurort Świeradów-Zdrój gemeinsam ihre schlesische Identität – über die nationalen Grenzen hinweg. Es geht um Heimat, Versöhnung und darum, was es heißt, Schlesier zu sein.
Auf ein Museum an einem Ort konnte man sich lange nicht einigen, aber jetzt steht es. Über eine dreiviertel Million Menschen sind nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs vertrieben worden. Über zwei Millionen Menschen verloren durch Aussiedlung ihre Heimat. Die Erinnerung an die Heimat wird im Museum über Sprache und Zeugnisse wachgehalten.
Auf die Frage nach sudetendeutschen Gegenständen nannte Landeskorrespondent Michael Watzke als Beispiel den Gartenzwerg, der im Sudetenland erfunden wurde oder Motorräder mit drei Sitzen. Auch Ferdinand Porsche ist Sudetendeutscher gewesen.
Kulturförderung des Bundes
Der Bund hat den Neubau und die Einrichtung das Museum mit zehn Millionen Euro unterstützt. Persönliche Erinnerungsstücke hätten ausreichend Raum und seien ein Gewinn, sagte Kulturstaatsministerin Monika Grütters bei der Eröffnung. Das Museum erschöpfe sich durchaus nicht in persönlichen Dingen und Artefakten, sondern habe ein modernes Museumskonzept auf fünf Stockwerken, erläuterte DLF-Korrespondent Michael Watzke.
Leicht wird es das Haus bei der vielen musealen Konkurrenz in München nicht haben. Politische Misstöne waren bei der Eröffnung von tschechischer Seite nicht zu hören, aber auch kein Jubel. Die Zusammenarbeit hat sich normalisiert. Leihgaben aus tschechischen Museen sind im neuen Museum zu sehen.
Zahlreiche Kinder sind unter den Vertriebenen, die am 03.03.1950 aus polnischen Internierungslagern im Lager Friedland eintreffen. Obwohl die Aussiedlung von Deutschen aus den im Zweiten Weltkrieg besetzten Gebieten laut Potsdamer Abkommen "in geordneter und humaner Weise" organisiert werden sollte, glich sie in vielen Fällen einer überstürzten Vertreibung mit oft katastrophalen Folgen für die Vertriebenen. | Verwendung weltweit
Vertreibungen nach 1945 - Nach der Übertragung der Ostgebiete an Polen
Lange vor Kriegsende einigten sich die USA, Großbritannien und Russland auf die Oder-Neiße-Grenze als neue deutsche Ostgrenze. Sie markiert noch heute das Ende des deutschen Staatsgebiets zu Polen. Damals bedeutete sie für viele Polen und Deutsche vor allem eines: Vertreibung.