Auch heute werden wieder drei oder gar vier Menschen an einer Überdosis sterben - hier in British Columbia. Das sagt Judy Darcy.
Judy Darcy hat den ungewöhnlichen Titel einer Ministerin zuständig für Abhängigkeit.
"Jede und jeden, den wir verloren haben, bedeutete die Welt für jemandem, der sich gekümmert und gesorgt hat."
Nicht nur die USA sind von einer Drogenkrise getroffen, auch Kanada. Vergangenes Jahr starben dort nach Regierungsangaben fast 4.000 Menschen an Überdosen. Allein in der Pazifikprovinz ganz im Westen Kanadas seien es 1.450 Menschen gewesen, erklärt Darcy.
Es handele sich um den schlimmsten Notfall öffentlicher Gesundheit seit Jahrzehnten.
Schwere Vorwürfe gegen Pharma-Industrie
Schon 2016 hat die Provinz diesen Notfall ganz förmlich ausgerufen. Nun ergreift sie eine weitere Gegenmaßnahme. Sie verklagt als erste Provinz Kanadas überhaupt Medikamentenhersteller. Seite an Seite mit der Ministerin steht deshalb der Generalstaatsanwalt British Columbias, David Eby.
Eby spricht von Unternehmenskorruption. Von Nachlässigkeit. Was er meint, ist der Vorwurf, die Pharmaunternehmen hätten den suchterzeugenden Charakter von Opioid-basierten Schmerzmitteln gezielt herunter gespielt und damit schwerer Abhängigkeit Vorschub geleistet. Gegen 40 dieser Unternehmen geht die Provinz nun gerichtlich vor. Das Ziel: Schadenersatz in bislang unbekannter Höhe. Gelder, die dann helfen könnten, die Gesundheitskrise abzufedern, mit Entzugskuren etwa. Als ein Beweismittel nennt der Generalstaatsanwalt ein Papier zwischen Purdue Pharma und dem US-Bundesstaat Virginia.
"In diesem unterschriebenen Erklärung sagten leitende Vertreter von Purdue, dass dort Vorgesetzte und Angestellte in betrügerischer oder irreführender Absicht das Medikament OxyContin vertrieben und beworben haben - und zwar als weniger suchterzeugend als andere Schmerzmittel, weniger gefährlich für Missbrauch, Intoleranz oder Entzug."
Klagen auch schon in den USA
Im März hatte ein Richter in der Provinz Saskatchewan eine 20 Millionen Dollar Einigung mit Purdue wegen des Medikaments OxyContin als unzureichend abgelehnt. Einer der Kläger war damals Stephen MacGillivray. Er äußerte sich im Interview mit dem Sender CBC.
"Schon mit der zweiten Verschreibung war ich vielleicht schon süchtig. Ich meine damit, dass ich ab dem zweiten Monat schon die Menge von zwei Tabletten täglich, also 60 im Monat, dass ich die schon binnen zwei Wochen genommen habe. Ich konnte einfach nicht genug bekommen."
Mit seiner Klage gegen Purdue und viele weitere Pharma-Unternehmen folgt British Columbia juristischen Schritten in den USA. Dort haben bereits etliche Bundesstaaten geklagt, darunter Nevada, Texas und Florida.
Purdue Canada hat schriftlich erklärt, seine Medikamente gemäß den jeweils geltenden Regeln beworben zu haben. Stephen MacGillivray überzeugt das nicht.
"Wen mache ich verantwortlich? Erst meine Ärzte. Aber Purdue Pharma hat im Grunde die Ärzte belogen und gesagt: Dieses Medikament mache nicht abhängig."
Jetzt müssen Gerichte klären, wie sehr sich die Pharma-Unternehmen tatsächlich über die Gefahren im Klaren waren.