März, 2016: Jagdszenen in Melbourne. Im Schutz der Dunkelheit fallen dutzende, junge Männer in der Innenstadt über wehrlose Passanten her. Es ist Samstagabend, Restaurants, Pubs und Cafés sind voll. Wahllos werden Gäste und Fußgänger umzingelt, bedrängt und bestohlen, Frauen begrapscht und gedemütigt. In nur wenigen Minuten ist der Spuk vorüber. So schnell wie die Männer auftauchten, sind sie auch wieder verschwunden. Die Täter: Gangs junger, schwarz-afrikanischer Flüchtlinge. Ganz Australien ist schockiert. "In 20 Dienstjahren", gestand Melbournes Polizeisprecher Andrew Crisp, hätte er so etwas noch nicht erlebt.
"Es war eine große Gruppe von Flüchtlingen, die gezielt auf Passanten losrannte, sie angriff und jeden beraubte, der ihr in den Weg kam. Die Polizisten, die sich ihnen entgegenstellten, wurden attackiert, angepöbelt und provoziert."
Frust, Langeweile, und tiefsitzende Wut
Die Bilanz der Nacht: Mehr als 150 kriminelle Randalierer, 34 Festnahmen. Praktisch alle Täter waren Jugendliche aus dem Süd-Sudan, die meisten polizeibekannt. Zwischen 12 und 19 Jahre alt, mit niedriger Hemmschwelle und hoher Gewaltbereitschaft, über soziale Medien bestens vernetzt. Zac ist einer von ihnen. Erst 17 aber schon mehrfach vorbestraft, er verbrachte Zeit im Jugendknast, jetzt ist er arbeitslos.
"Ich bin schon in der Schule in schlechte Gesellschaft geraten, Schule war nichts für mich. Ich habe überall mitgemacht, obwohl ich wusste, dass es gegen das Gesetz war. Ich habe viele schlechte Entscheidungen getroffen."
Zac ist kein Einzelfall, im Gegenteil. Banden junger Süd-Sudanesen sind in Melbournes Vorstädten für immer mehr Überfälle, Wohnungseinbrüche und Autodiebstähle verantwortlich – spezielle Aus- und Fortbildungsplätze aber bleiben ungenutzt. Die Jugendlichen bleiben unter sich, Frust, Langeweile und eine tiefsitzende Wut entladen sich durch Gewalt und Verbrechen. Daniel Andrews, der Premier im Bundesstaat Victoria, ist mit seiner Geduld am Ende.
"Auch andere Mitmenschen tun sich schwer aber sie nutzen das nicht als Ausrede um die Hand zu beißen, die sie füttert. Wir geben Millionen für Integrationsmaßnahmen für die süd-sudanesische Gemeinde aus, aber zu viele wollen nur Stütze kassieren und den Behörden die Schuld für ihre Probleme geben. Ich kann das Gejammer wie schwer es afrikanische Flüchtlinge in Australien angeblich haben, nicht mehr hören. Das sind nichts weiter als Ausflüchte."
"Es ist der Kulturschock"
Ella Atong gibt dem Familienamt die Schuld. Wie viele Süd-Sudanesen floh sie 2013 vor dem Bürgerkrieg, in Australien wollte sie ihren sechs minderjährigen Kindern eine bessere Zukunft geben. Doch als sie anfingen die Schule zu schwänzen und zu stehlen, wusste sich Ella nicht anders zu helfen als sie körperlich zu züchtigen. Als das Amt drohte der alleinerziehenden Mutter das Sorgerecht zu entziehen, riss Ellas älteste Tochter von Zuhause aus.
"Sie hat sich verändert, sie ist jetzt 13 und hört nicht mehr auf mich. Ich fürchte, dass sie mit Alkohol und Drogen zu tun hat oder stiehlt. Es ist der Kulturschock. Niemand zeigt uns wie australische Eltern mit ihren Teenagern umgehen."
Ihre Kinder wachsen auf wie Australier, aber die Eltern erziehen sie wie in Afrika – und verlieren die Kontrolle. "Dafür schäme ich mich", gesteht Aishesh Mending, eine fünffache Mutter aus dem Süd-Sudan. Zwei ihrer Söhne sitzen wegen Raub und Körperverletzung im Gefängnis, eine ihrer Töchter ist drogenabhängig. Damit ihre beiden Jüngsten nicht auch noch auf die schiefe Bahn geraten, sah Aishesh nur einen Ausweg: Zwei Einfach-Flugtickets nach Uganda.
"Ich habe die beiden in ein Internat zurück nach Afrika geschickt, denn hier in Australien haben unsere Kinder zu viel Freiheit. Viele afrikanische Jugendliche sitzen in Haft, leben auf der Straße oder sind ständig betrunken. Australien gibt ihnen zu viel Freiheit."
Wohlfahrt an den Willen zu Integration koppeln?
Flüchtlingsgruppen fordern noch mehr Sozial- und Arbeits-Programme für junge, süd-sudanesische Zuwanderer, Cori Bernardi aber will einen Aufnahmestopp. "Wir dürfen nicht weiter Probleme importieren", warnt der Senator vom rechten Flügel der regierenden Konservativen. Australien dürfe nicht wie Europa werden, warnt Bernardi. Es dürfe keine Parallelgesellschaften geben und auch keine Sonderbehandlung von Flüchtlingen, die sich nicht integrieren wollten.
"Wir müssen uns wehren, wenn Neubürger unser nationales Selbstverständnis und die Werte unseres Landes in den Schmutz ziehen. Wer Australien verachtet, soll woanders leben. Wir sind ein Einwanderungsland, aber wenn unkritische Toleranz den Zusammenhalt unserer Gesellschaft gefährdet, dann dürfen wir nicht schweigen. Es stehen Leben auf dem Spiel und unsere Art zu leben."
Migranten aus dem Süd-Sudan sind die jüngste und am stärksten wachsende Flüchtlingsgruppe in Australien, aber auch die mit der die Polizei in den Großstädten am meisten Probleme hat. Trotz Erfolgsgeschichten gelungener Integration sprechen Soziologen von einer verlorenen Generation Jugendlicher, die zwar die rundumversorgten Annehmlichkeiten Australiens genieße aber die Werte einer Leistungsgesellschaft zutiefst verachte. Die Regierung überlegt jetzt Wohlfahrt an den Willen zur Integration zu koppeln. Denn der Weg zu einem freien Leben in einem freien Land dürfe nun einmal keine Einbahnstraße sein.