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Südafrika
Mandelas Erbe der Versöhnung

Vor allem die ältere Generation tut sich schwer mit dem neuen, multikulturellen Südafrika. Gerade in ländlichen Regionen sind stereotype Vorbehalte noch immer verbreitet.

Von Leonie March |
    Neben einem Portraitbild Nelson Mandelas steht eine Vase roter Nelken.
    Der Weg zur Regenbogennation. ein Wunsch Mandelas, ist für Südafrika noch weit. (Maksim Blinov / picture alliance / dpa)
    In ihrer Trauer standen die Südafrikaner in der vergangenen Woche eng beisammen. Dunkelhäutige und weiße, arme und wohlhabende Menschen, Anhänger unterschiedlicher Glaubensrichtungen. Die Dankbarkeit und die Anerkennung des Lebenswerks Nelson Mandelas einte das Land. Südafrika hat damit eindrucksvoll bewiesen, dass es das Potenzial zur Regenbogennation hat, von der Mandela immer geträumt hat. Das hob auch der emeritierte anglikanische Erzbischof, Desmond Tutu, in seiner bewegenden Würdigung hervor.
    "Madiba hat uns gelehrt, wie wir zusammenfinden und an uns glauben können. Er hat uns außergewöhnlich praktische Lektionen über Vergebung, Mitgefühl und Versöhnung erteilt. Unser Potenzial ist riesig. Und wisst Ihr, Gott bittet uns Südafrikaner, zu dem zu werden, was wir im Grunde sind. Der Welt zu beweisen, dass wir Mitglieder einer Familie sind; wir gehören zusammen. Lasst uns einander zuwenden. Lasst Madibas Traum zu unserem Traum werden."
    Desmond Tutu setzt sich schon seit Jahrzehnten engagiert für diesen Traum ein. In den 90er-Jahren saß er der Wahrheits- und Versöhnungskommission vor. Auf Initiative Mandelas begegneten sich Opfer und Täter des rassistischen Apartheid-Regimes. Es war ein schmerzhafter, aber wichtiger Prozess für die junge Demokratie. Allerdings gibt es heute auch Kritik daran: Nur ein paar Jahre seien für eine umfassende Aufarbeitung der Vergangenheit nicht ausreichend gewesen, meint Musa Ndlovu von der Opferorganisation "Khulumani Support Group".
    "Die Anhörungen vor der Kommission sind nicht richtig abgeschlossen worden. Nur 22.000 Opfer wurden angehört und zum Teil finanziell entschädigt, dabei war das nur ein Bruchteil der Betroffenen. Viele Fragen sind bis heute ungeklärt. Aber die Regierung hat sich bis heute nicht darum gekümmert."
    Vor allem die ältere Generation tut sich schwer mit dem neuen, multikulturellen Südafrika. Gerade in ländlichen Regionen sind stereotype Vorbehalte noch immer verbreitet. Doch in den Großstädten sei der Wandel langsam sichtbar, betont Emily Mojapelo-Batka. Sie ist Psychologin, hat ihre Doktorarbeit über Mischehen in Südafrika geschrieben und ist selbst mit einem Weißen verheiratet.
    "Seit 1994 sieht man immer mehr gemischte Paare auf der Straße, die sich öffentlich umarmen und küssen. Das gab es früher nicht. Viele dieser Paare haben mittlerweile Kinder und gehen ganz entspannt miteinander um. Das ermutigt mich sehr. Vor allem junge Südafrikaner scheinen sich nicht mehr in erster Linie über die Hautfarbe, sondern eher über ihre Kultur zu definieren."
    Die Kluft verläuft vor allem zwischen Arm und Reich. Die wachsende schwarze Mittelschicht lebt ebenso hinter hohen Mauern und Stacheldraht wie die weiße Minderheit. Unter der Bevölkerungsmehrheit in den Armenvierteln wachsen Wut und Ohnmacht, die sich in teils gewaltsamen Protesten entlädt. Jeden zweiten Tag gehen Bürger auf die Straße, um für funktionierende Toiletten, Strom oder menschenwürdige Arbeitsbedingungen zu protestieren. Eine Stimmung, die populistische Politiker für ihre Zwecke ausnutzen. Sie schüren Hass und alte Ressentiments. Das komme vor allem bei arbeits- und perspektivlosen Jugendlichen gut an, sagt Johannes Ramaisa. Er ist ein ehemaliger Freiheitskämpfer, der sich heute im Johannesburger Township Katlehong ehrenamtlich für Jugendliche engagiert.
    "Physisch leben wir im neuen Südafrika, aber mental sind wir noch immer in der Vergangenheit gefangen. Gerade für die junge Generation gibt es zwar theoretisch viele Möglichkeiten, aber praktisch sind sie an Voraussetzungen gebunden: Man braucht eine gute Ausbildung und Vorbilder, die nicht von Wut und Hass getrieben sind. Daran fehlt es noch. Dunkelhäutige und weiße Kinder müssen überall gemeinsam aufwachsen können. Nur dann werden sie sich einfach als Menschen begreifen, nicht als Angehörige einer bestimmten Rasse oder Klasse. Wahrscheinlich wird es noch Jahrzehnte dauern, bis Südafrika wirklich zusammen gewachsen ist. Der Wille ist da, unser Land zu einem Beispiel für wahre Versöhnung zu machen."