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Südamerika in Mecklenburg-Vorpommern

Rund 900 neue Tier- und Pflanzenarten sind in den vergangenen Jahrzehnten zur deutschen Flora und Fauna hinzugekommen. Die meisten haben hier einfach ihren Platz gefunden. Manche Zugewanderte stellen aber ein echtes Problem für unser Ökosystem dar. In Mecklenburg-Vorpommern sorgt neuerdings der Nandu für Ärger.

Von Almuth Knigge | 30.03.2005
    "Sie sehen sehr hübsch aus, weil sie immer lächeln, und wenn man sich ruhig verhält, sind sie auch sehr neugierig, und sie lassen sich auch gerne füttern."

    Der südamerikanische Straußenvogel wird bis zu 1,70 Meter groß und ist eigentlich in den offenen weiten Grasländern Südamerikas zu Hause:

    "Im Sommer halten sie sich bei uns auf der Wiese auf und erfreuen alle Menschen."

    Seit einigen Jahren fühlt er sich aber auch in Nordwestmecklenburg an der Wakenitz sehr wohl:

    "Also vor fünf Jahren sind ja zwei Pärchen ausgebüxt und wir hatten gedacht, dass die das nicht überleben würden, aber scheinbar können sie sehr gut mit dem Winter umgehen."

    Uschi Langmaak ist Hotelwirtin in Schattin - ihre Zuneigung zu den neuen Mitbewohnern wird aber nicht von allen geteilt. Auch, weil die Population immer weiter zunimmt - mittlerweile sind es rund 50 Vögel -, nach der Brut im Frühjahr werden es um die 70 sein:

    "Die Nandus gehören hier einfach nicht hin als Art - die gehören nach Südamerika oder in einen Zoo - hier stören sie das natürliche Gefüge."

    Thomas Böhme ist Jäger - und kein Freund der zutraulichen Straußenvögel:

    "Weil die Jungs überall rumtrampeln, wo nicht mal ein Mensch in der Brutzeit vom Kranich hingeht."

    Was seine Nahrung angeht, da ist der Nandu anspruchslos. Gräser, Kräuter, gerne auch kleine zarte Rapsblättchen. Auch Früchte und Samen verschmäht er nicht. Und er verspeist ferner gern Heuschrecken und andere große Insekten - und wenn es Frösche, Eidechsen und Nagetiere gibt, sagt er auch nicht nein:

    "Und das ist genau eins der Probleme, wir haben eine Autobahnbrücke für Heuschrecken bekommen und genau da an diesem Zwangspass stehen jetzt die Nandus und fressen das, was da so rüberkommt über diese Brücke."

    Zum Beispiel zwei seltene Heuschreckenarten: die weiß gepunktete Schrecke und die Blauflügel-Heuschrecke. Beide sind streng geschützt. Aber das weiß der Nandu natürlich nicht. Rund 25 Millionen Euro hat die riesige Grünbrücke über die Autobahn gekostet. Nun wachsen Befürchtungen, dass im millionenteuren Edelbiotop eine wachsende Nanduschar die seltenen Schrecken und Lurche wegpickt oder die Gelege von Bodenbrütern wie Heidelerche, Brachpieper und Ziegenmelker zerstört:

    "Die legen sich hin mit ihrem langen Hals - man sieht sie kaum - um dann rechtzeitig wieder abzuhauen."

    Wache Sinne und hohe Fluchtgeschwindigkeiten machen den Menschen so zu dem einzigen natürlichen Feind der Nandus. In seiner Heimat Südamerika wird das Fleisch von der ländlichen Bevölkerung gern verzehrt. Aus den Federn werden überall in Südamerika praktische Staubwedel gefertigt. Auch Nanduhaut für Taschen wird immer begehrter.

    In Mecklenburg will man dem Problem aber unblutig - und wissenschaftlich begegnen - mit einer Studie über die ökologischen und ökonomischen Auswirkungen: Dazu sollen alle, die einen Nandu sichten, an die Naturschutzbehörden Meldung machen.