"Wir verleihen den Preis seit sechs Jahren um Zeitungen und Verlage zu loben, die für Freie Autoren faire Bedingungen liefern und diejenigen zu schelten, bei denen nicht so gute oder schlimme Bedingungen herrschen...", Benno Stieber, der Vorstand des Berufsverbands der Freien Journalisten.
Titelverteidiger in der Hölle für Freie Autoren ist der Tagesspiegel aus Berlin. Und auch dieses Jahr ist wieder ein Flaggschiff des Qualitätsjournalismus nominiert, diesmal aus Bayern: die Süddeutsche Zeitung.
Bei Zweitverwertung in einer anderen Zeitung gibt es kein Honorar
Ende 2016 wurde bekannt, dass die Münchner eine Kooperation mit der Schweizer Tamedia AG eingegangen sind, die unter anderem den Tagesanzeiger herausgibt. Man wolle Kompetenzen austauschen und das Korrespondentennetz vergrößern, hieß es öffentlich. Kurz darauf gab es aber auch einen neuen Vertrag für Freie Autoren, und der hat es in sich, erklärt Freischreiber-Vorstand Benno Stieber:
"Und da steht drin, dass der Verlag die Möglichkeit hat, die Texte weiter zu verwerten. An Dritte weiterzugeben, dafür Geld zu bekommen und dass der Autor sich dann erkundigen muss, ob er daran beteiligt wird. Und wenn man dann bei der Süddeutschen anruft, dann heißt es: Nach Kenntnis der Honorarabteilung gibt es dafür nicht mehr Geld - also Honorar null, dafür dass mein Text ein weiteres Mal erscheint.”
Texte wurden ungefragt weiterverkauft
Doch vor allem im Tageszeitungsgeschäft seien Freie darauf angewiesen, dass sie ihre Texte an mehr als eine Zeitung verkaufen - Verwertungsketten wie die von Süddeutscher Zeitung und Tagesanzeiger können deshalb für sie existenzbedrohend sein, meint Stieber.
Trotz der Tragweite der Änderung haben mehrere Autoren von der neuen Regelung nicht etwa von der Süddeutschen Zeitung selbst erfahren, sondern über das neue Schweizer Partnermedium. Dieser Autor, der anonym bleiben möchte, hat seinen Süddeutsche Text zufällig bei der Schweizer Zeitung entdeckt:
"Mit Fotos, mit meiner Autorenzeile mit allem drum und dran, und mein erster Gedanke war dann: ganz schön dreist. Also hab ich denen eine Rechnung geschickt und einen Tag später kam eine Antwort der Chefredaktion. ‘Ne ne, wir kooperieren mit der SZ, und das gilt auch für freie Autoren, also wende dich mal an die Süddeutsche Zeitung."
Neue Vertragsbedingungen ohne Autoren ausgehandelt
Dort wurde ihm die Regelung bestätigt. Zudem wurde ihm deutlich gemacht, dass kein Text von ihm bei der Zeitung erscheine, bis er die neuen Vertragsbedingungen unterschrieben habe. Dass die Verlage nach Wegen suchen, Geld zu sparen ist dem Autor nicht neu, meint er.
"Neu ist allerdings einfach dieser Umgang. Dass Texte weiterverkauft werden, man weiß nichts davon, hinterher soll man unterschreiben, bekommt einen Vertrag vorgelegt. Und bekommt dann noch ein Schreibverbot, also dieser Umgangston, den fand ich echt schockierend."
SZ-Chefredakteur Wolfgang Krach hat Verständnis für den Unmut. Laut Krach sollten alle Ressorts ihre Freien Autoren darüber informieren, dass ihre Texte in Zukunft auch ohne Extra-Honorar beim Tagesanzeiger erscheinen können. Dass das in Einzelfällen nicht kommuniziert wurde, findet er wörtlich "nicht gut".
Wer Bedingungen nicht akzeptiert, darf sich andere Auftraggeber suchen
Dass den Autoren jetzt ein potentieller Schweizer Auftraggeber wegfalle, sei aber nicht so dramatisch, meint Krach. Die Freien Autoren könnten ihre Texte ja immer noch bei allen anderen Schweizer Zeitungen unterbringen. Doch auch das könnte laut den Freischreibern jetzt schwierig werden.
"Ein Kollege wollte einen Text, der bei der Süddeutschen erschienen ist, bei der NZZ unterbringen. Die hat aber abgelehnt, weil ihr Konkurrent, der Tagesanzeiger, den Text ja ebenfalls wortgleich drucken könnte." sagt Stieber.
Wenn man mit Krach über die Situation der Freien bei der SZ spricht, hört man Wertschätzung, aber auch Kompromisslosigkeit in der Sache. Die Regelung werde auf keinen Fall rückgängig gemacht - und ja - wer mit den Bedingungen nicht einverstanden sei, könne nicht mehr für die Süddeutsche schreiben. Daran werde auch ein möglicher Hölle-Preis der Freischreiber nichts ändern. Zur Preisverleihung am Samstag nach Frankfurt wird von der Chefredaktion der Süddeutschen niemand erscheinen. Dass sich die nominierten Medien um die Möglichkeit einer Dankesrede nicht gerade reißen, ist der Journalistenverband aber schon gewöhnt.
"Wir sind dann auch so flexibel den Preis vorbeizubringen" so Stieber.