Wenn Front-National-Chefin Marine Le Pen auf Journalisten trifft, ist die Atmosphäre häufig schnell vergiftet.
Marine Le Pen zu Besuch im Studio des privaten Nachrichtensenders BFM TV. Sie beantwortet Fragen zu ihrem Wahlprogramm, aber es geht auch um noch grundsätzlichere Dinge. "Jeder Wähler weiß, dass Emmanuel Macron der Liebling der Medien ist", schleudert sie dem irritierten Moderator ins Gesicht.
Le Pen: Machtkartell zwischen Parteien und Medien
Le Pen nährt schon lange Zweifel an der Unabhängigkeit der Medien. Bei fast jeder Gelegenheit. BFM unterstellt sie, dass die Senderleitung enge Beziehungen zu dem unabhängigen Kandidaten Macron unterhalte und damit parteiisch sei.
Dass viele Medien in Frankreich kritisch über Le Pen und den FN berichten, sieht die Präsidentschaftskandidatin nicht als Beweis für die Professionalität der Journalisten, sondern als Beleg für ein Machtkartell zwischen den traditionellen Parteien und den Medien:
"Die Franzosen haben heute überhaupt kein Vertrauen mehr in die Medien", herrscht Le Pen bei einer anderen Gelegenheit eine junge Reporterin an. "Ist Ihnen das bewusst, oder nicht?"
Die kritische Berichterstattung über Le Pen, gegen deren Büroleiterin die Justiz wegen Scheinbeschäftigung ermittelt, kommt der Partei im Wahlkampf zweifellos ungelegen. Andererseits kann sie mit Medienkritik auch Stimmen sammeln.
Redaktionsleiter wirft Le Pen Unprofessionalität vor
Eric Farel ist Redaktionsleiter der Lokalzeitung Var-Matin in Fréjus, der größten und wichtigsten Stadt in Frankreich, die bislang vom Front National regiert wird. Er macht auf einen weiteren Grund für die Medienschelte aufmerksam: Unprofessionalität.
Zwischen Farel und FN-Bürgermeister David Rachline kam es im vergangenen Jahr zum Knall. Anlass waren keine ideologischen Streitigkeiten, keine Debatte über Rassismus – es war ein ganz praktisches Problem der Stadtverwaltung:
"Es ging um eine Serie von Artikeln bei uns in der Zeitung über das Konzert von Popstar Johnny Hallyday und den Rummel um die Platanen, die sie gefällt haben, um das Konzert zu realisieren. Das Problem ist, dass Hallyday eine Berühmtheit ist und die Sache national Schlagzeilen gemacht hat. David Rachline hatte Angst, dass Hallyday das Konzert absagt."
In der Folge wurde Var-Matin nicht nur vom Informationsfluss abgeschnitten, sondern den Redakteuren wurde auch der Zugang zum Pressebereich im Stadtrat verweigert. Persönliche Angriffe in der Gemeindezeitung folgten wenig später:
"Seine Idee war, nicht mehr mit Var-Matin zu kommunizieren und die objektive Berichterstattung von uns durch Propaganda in der Gemeindezeitung zu ersetzen."
Kein Zugang zu öffentlichen Dokumenten
Rachline habe sich wohl an seinem Parteifreund in Nord-Frankreich orientiert, der in Henin-Beaumont das Rathaus führt. Auch er verweigert Journalisten offizielle Dokumente der Stadt – auch dort gibt die Stadtspitze bestimmten Medien keine Interviews.
In Fréjus ist die Angelegenheit zwischen Farel und Bürgermeister Rachline, der aktuell die Wahlkampagne von Marine Le Pen leitet, inzwischen geklärt:
"Dann hat er wohl eingesehen, dass das nicht die beste Lösung ist und wir haben uns getroffen und eine Stunde diskutiert, und er hat uns danach wieder mit Informationen wieder versorgt. Heute, würde ich sagen, haben sich unsere Beziehungen beruhigt."
Doch nicht überall lassen sich Konflikte einfach beilegen. Vor allem Journalisten linker Medien berichten über persönliche Einschüchterungsversuche aus dem FN-Umfeld und dass ihnen die Akkreditierungen für FN-Veranstaltungen verweigert werden.
Als ein Reporter des privaten Fernsehsenders TMC Marine Le Pen auf einer Unternehmermesse eine kritische Frage stellen wollte, zerrten ihn Sicherheitskräfte aus dem Saal und verweigerten ihm danach die Rückkehr. Der Protest gegen den Ausschluss hatte am Ende keine Konsequenzen. Die Saalordner hätten nicht auf Befehl der Partei gehandelt, argumentiert der Front National. Eine Behauptung, der die Journalisten allerdings widersprechen.