Friedlicher könnte die Stimmung nicht sein. Zehn Kindergartenkinder spielen selbstvergessen auf dem Pausenhof. Als sie uns entdecken, begrüßen sie uns fröhlich und lautstark.
44 Kinder, Schüler unterschiedlicher Stufen, brüten in den Klassenzimmern. Eine kleine Schule also, aber auch eine ganz ungewöhnliche, sagt die Direktorin Kim Hee-Su:
"Wir liegen ja unmittelbar an der Grenze, das ist schon etwas Besonderes. Das wissen die Kinder auch. Aber wir wollen, dass sie trotzdem glücklich sind. Ich denke, sie nehmen die Bedrohung durch den Norden auch gar nicht so wahr wie die Erwachsenen."
Heute heißt es "Wiedervereinigungsdorf"
Draußen auf der Dorfstraße schiebt eine Bäuerin ihren Handkarren vor sich her. Wie das Dorf früher hieß, wollen wir wissen, bevor man es Tongilchon getauft hat, "Wiedervereinigungsdorf". Pak Puk Nyong hat es vergessen:
"Ich bin ja ungefähr 72. Bei der Teilung war ich also acht. Den alten Namen weiß ich nicht mehr. Ich weiß nur noch, dass wir damals 12 Leute waren in unserer Familie. Die meisten sind gestorben oder weggezogen. Aber mein Mann und ich bauen hier immer noch Reis an. Und Sojabohnen."
Spürt sie etwas von einer größeren Spannung?
"Ach was, alles wie immer."
Der Duft von fermentierten Sojabohnen wabert durch das Dorf mit seinen rund 450 Bewohnern. Der Ort ist größer geworden, seit der Diktator Park Chung Hee 1973 hier eine Garnison von Grenztruppen samt ihren Familien stationiert hat.
Vor Grenzbesichtigung gibt es einen Propagandafilm
Einer der Soldaten ist Herr Ban, ein junger Mann mit gelangweiltem Gesicht. Er ist zu unserer Begleitung abgestellt. Oder zur Bewachung, je nachdem. Sagen darf er nichts, sagt er. Aber der Norden habe auch befestigte Dörfer im Grenzstreifen.
Herr Ban bringt uns aus dem beschaulichen Grenzdorf an die Front. An die Propaganda-Front wenigstens.
Zur Touristen-Tour gehört der Besuch eines Kinos, in dem die Besucher mit martialischem Lärm empfangen werden.
Der Film versucht, in acht Minuten den Korea-Krieg vom Beginn 1950 bis heute nachzuzeichnen. Nicht immer ganz neutral:
"Nordkoreas Provokationen werden immer aggressiver. Die Angriffe auf die Korvette "Cheonan" und auf die Insel Yeonpyeong im Jahre 2010 sind mehr als eine Provokation gewesen. Es war eine Kriegserklärung."
Einige Fakten sind umstritten, und der Tonfall des Films passt nicht in eine Zeit, in der der südkoreanische Präsident Moon Jae-in angetreten ist, um den abgerissenen Gesprächsfaden mit Nordkorea neu zu knüpfen.
Gruselvergnügen für Schüler im Tunnel Nr. 3
Aber die gut gebuchten Bus-Touren sind nicht auf Versöhnung getrimmt, sondern auf Warnung vor der weiter bestehenden Gefahr:
"Bis 1990 wurden immer wieder Versuche Pjöngjangs vereitelt, durch Tunnel hinter die südlichen Linien vorzustoßen. Seoul ist nur 50 Kilometer von der Grenze entfernt."
Ganze Schulklassen werden heute in den Tunnel Nr. 3 geführt, damit sie das Gruseln packt. Doch die Kinder halten das offenbar eher für einen Abenteuerspielplatz. Drei halbwüchsige Freundinnen erklären quietsch vergnügt:
"Eigentlich ist es ganz schön hier. Ich meine, für einen Schulausflug. Wir sind ja nicht freiwillig hier. Aber ein Schulausflug macht ja immer Spaß!"
Erwachsene Südkoreaner zeigen sich besorgter
So heiter erleben nicht alle Besucher das Grenzgebiet. Ein Mann Mitte 40 sieht in Nordkorea eine reale Gefahr:
"Es wird jetzt viel über Krieg geredet. Da dachte ich mir, wer weiß, wann ich hier noch mal herkommen kann. Als Christ will ich natürlich keinen Krieg. Aber vielleicht wird er unvermeidlich sein. Das liegt in Gottes Hand."
Ein älterer Mann sagt:
"Die ganzen Raketentests, der Druck aus den USA, das alles macht mir Sorge. Es könnte tatsächlich zum Krieg kommen. Wenn Trump hierher kommt, sollte er sich um Frieden bemühen. Nichts anderes wollen wir.
Friedensaktivistin ist von Präsident Moon enttäuscht
Dieser Wunsch gilt für die allermeisten Südkoreaner, sagt AhnKim JeongAe von der Frauengruppe "Women Making Peace":
"Die USA sind das Hauptproblem. Die Sanktionen gegen Nordkorea wirken ja. Kim Jong-un ist einem enormen Druck ausgesetzt. Und er entscheidet ja nicht allein. Er hat großes Interesse an Gesprächen, aber die Amerikaner wollen nicht. Sie haben das größte Militärbudget der Welt und die größte Waffenproduktion. Und Trump unterstützt das."
Die "Women Making Peace" veranstalten regelmäßig Friedensmärsche am Grenzzaun. Sie gehören zu den zahllosen Bürgergruppen, die im vergangenen Winter gegen die damalige Präsidentin Park demonstriert und den linksliberalen Moon Jae-in unterstützt haben. Heute sind sie von ihrem neuen Präsidenten enttäuscht.
"Im Wahlkampf hatte er versprochen, zuerst nach Pjöngjang zu fahren und dann in die USA. Nun war er doch bereits in Washington. Dabei wollte er doch direkt mit Kim verhandeln, von Koreaner zu Koreaner, und ohne die USA."
Politologe: Moon sollte Entspannungspolitik anmahnen
Der Politologe Dr. Hong Min vom "Koreanischen Institut für Nationale Vereinigung" bestätigt den Eindruck:
"Moons Wahl hat hohe Erwartungen geweckt. Seit zehn Jahren war der Gesprächsfaden zum Norden Stück für Stück gekappt worden, die Kanäle zugeschüttet, bis es gar keine Kommunikation mehr gab. Das sollte sich jetzt ändern, gerade weil ja auch China inzwischen mit beiden Koreas Probleme hat. Trotzdem hat Moon noch nichts bewirkt. Er muss dringend Flagge zeigen, eine "Road-Map" zum Frieden vorlegen, damit er seinen Einfluss nicht verliert."
Der Wissenschaftler sieht im Besuch des US-Präsidenten eine wichtige Chance für Moon, die Entspannungspolitik, für die er gewählt worden ist, gegenüber dem zunehmend aggressiven Ton aus Washington anzumahnen:
"China hat ja schon lange den Vorschlag gemacht, gemeinsam abzurüsten. Also dass die USA und Südkorea ihre andauernden Manöver herunterfahren und dafür Nordkorea ein Moratorium bei der Atom- und Raketenpolitik einhält. Viele Politiker bei uns unterstützen diesen Vorschlag. Für Moon ist der Besuch von Trump eine Gelegenheit, in diese Richtung auf ihn einzuwirken. Und er ist ja auch gleich danach in China."
Nachrichten und K-Pop schallen über die Grenze
Besonders friedlich klingt es an der Grenze zur Zeit nicht. Aus gewaltigen Lautsprechern schallt südkoreanische Pop-Musik Richtung Norden, dazu Wettermeldungen, Nachrichten und Informationen über Geflohene. Die Wachsoldaten kennen das schon:
"Ich spüre keine besondere Spannung. Es ist hier genau so viel los wie immer."
"Über Bedrohung sollen sich die Generäle Gedanken machen. Wir sind ja nur Wehrpflichtige."
"Noch zwei Monate, dann bin ich hier fertig. Trotzdem ist es komisch. Nordkorea ist irgendwie sehr nah - und gleichzeitig ganz weit weg."