Archiv

Südkoreas Eishockey-Herren
Eingebürgert für Olympia

Während das südkoreanische Frauen-Eishockey-Team noch kurz vor Beginn der Winterspiele nordkoreanische Spielerinnen integrieren muss, haben ihre männlichen Kollegen eine andere Form der Integration bereits hinter sich: Für Olympia wurden mehrere kanadische Eishockeyprofis eingebürgert.

Von Frank Hollmann |
    Brodk Radunske ist einer von rund einem halben Dutzend kanadischer Eishockeyspieler, die vor Olympia in Südkorea eingebürgert wurden.
    Brock Radunske ist einer von rund einem halben Dutzend kanadischer Eishockeyspieler, die vor Olympia in Südkorea eingebürgert wurden. (imago sportfotodienst)
    Sarah Murray hat die wohl undankbarste Aufgabe unter allen Trainern des Gastgeberlandes. Seit Mitte Januar weiß die Kanadierin und Trainerin des Frauen-Eishockey-Teams aus Südkorea, dass sie auch Spielerinnen aus Nordkorea in ihr Team einbauen muss, so haben es beide Länder mit dem IOC ausgehandelt. Vier Jahre ist Murrays Team zusammen, hat sich in unzähligen Trainingseinheiten eingespielt - um nicht mal drei Wochen vor dem Turnier neu zusammengewürfelt zu werden: "Das ist ganz schön hart", sagt Murray, "unser Team wird für politische Zwecke gebraucht. Aber wir haben mit unseren Spielerinnen gesprochen. Beklagt euch nicht, das gibt nur negative Energie und ihr spielt schlechter."
    Die zierliche junge Frau mit den halblangen blonden Haaren wirkt entschlossen, bloß nicht unterkriegen lassen, egal was die Regierung entscheidet. Doch in Südkoreas Bevölkerung wächst der Unmut, besonders unter jungen Menschen schrumpft der Rückhalt für die Regierung, dem Norden so ein Zugeständnis zu machen, auf Kosten des eigenen Teams.
    Kritik aus der Bevölkerung
    Zudem hagelt es Kritik: Warum müssen nur die Frauen Spielerinnen aus dem Norden integrieren, nicht aber das Männerteam? "Unser Männerteam ist sicher deutlich besser als das des Nordens", erklärt Murray: "Bei uns Frauen war es aber so, dass der Norden uns noch vor drei, vier Jahren immer geschlagen hat. Wir haben aber so große Fortschritte gemacht, jetzt gewinnen wir. Man hat wahrscheinlich gedacht, man kann Nordkoreaner leichter ins Frauenteam integrieren, die sind auf einem ähnlichen Level."
    Nun sucht Sarah Murray nach Lösungen: Wie die Nordkoreanerinnen einbauen, ohne das Team zu sprengen? Auch Jim Paek spricht lieber von Lösungen, nicht von Problemen. Unter all den Koreanern sticht er auf dem Eis sofort heraus, nicht nur weil er eine Baseballkappe trägt statt eines Helms. Jim Paek ist der Cheftrainer des südkoreanischen Eishockey-Nationalteams. Er spricht ruhig, besonnen, aber bestimmt: "Jeder Athlet bei Olympia will Gold gewinnen. Deshalb sind wir hier. Wenn wir uns aufs Verlieren vorbereiten würden, wären wir besser nicht hier."
    Jim Paek ist eine Sport-Legende. Geboren in Seoul, aufgewachsen von klein auf als Auswandererkind in Kanada. Paek war der erste Spieler mit koreanischen Wurzeln, der den Stanley-Cup gewinnen konnte - die nordamerikanische Meisterschaft. Seit 2014 ist er zurück in seinem Geburtsland, unter Peak hat sich Südkorea schrittweise verbessert und wird dieses Jahr erstmals als Asien-Vertreter an einer A-WM teilnehmen.
    "Wir wollen etwas Nachhaltiges schaffen", sagt Paek: "Wie setzen wir diese Entwicklung fort für das koreanische Eishockey, für die nächsten zehn, zwanzig Jahre? Meine Nationalspieler sollen später als Trainer oder ältere Spieler zurückkommen und ihre Erfahrungen an die Kids weiter geben. Das ist ein wichtiger Teil auf unserem langen Weg hin zu den Olympischen Spielen."
    Eingebürgert für das Projekt Olympia
    Auch Brock Radunske geht diesen langen Weg mit. Vor zehn Jahren war er mal Profi in Augsburg, seitdem spielt er in und jetzt für Korea. Der fast zwei Meter große Hüne ist einer von rund einem halben Dutzend Kanadiern, die für das Projekt Olympia eingebürgert wurden. Dafür musste er auch etwas koreanisch lernen: "Meine Einbürgerung ist einige Zeit her", erinnert er sich. "Zunächst brauchte ich eine Einladung vom Nationalen Olympischen Komitee. Dann begann ein Prozess, da musste ich zeigen, dass ich die Sprache etwas kann, mich hier einfügen kann. Ich musste meine Beweggründe darlegen, dass ich hoffentlich eine positive Ergänzung für die Gesellschaft hier sein kann."
    Torhüter Matt Dalton hat diese Prozedur ebenfalls mitgemacht, bis er das erste Mal für sein neues Land auflief, zur südkoreanischen Hymne mit der weiß-rot-blauen Flagge auf dem Trikot: "Ernsthaft, als ich das erste Mal für Korea spielte, war das schon seltsam", gibt Dalton zu, "aber umso öfter du das machst, umso normaler fühlt es sich an. Ich hab zwar nie für das Team Kanada gespielt, aber das ist meine Heimat, da lebt meine Familie. Dennoch: Korea wird auch in 50 Jahren ein besonderer Ort für mich sein. Die Menschen haben mich immer sehr freundlich aufgenommen, ich bin für all das sehr dankbar."
    Nun freuen sich Matt, Brock und ihre Teamkameraden auf Pyeongchang - oder genauer gesagt auf Gangneung, denn die olympische Eishockeyhalle steht in der Stadt an der Ostküste. Und sie freuen sich auf die Eröffnungsfeier, den Einmarsch unter der neutralen Einigkeitsfahne, weiß, darauf die ganze Halbinsel in blau, Seite an Seite mit Sportlern aus dem Norden.
    "Wir haben ständig politische Begleiterscheinungen", sagt Matt Dalton, "alle paar Wochen kommt es in den Nachrichten - Nordkorea, die USA, Südkorea - es gibt immer wieder Störungen. Unsere Familien daheim in Kanada wollen natürlich wissen, ob es uns gut geht. Meist ist alles gut, kein Grund zur Sorge. Man könnte fast vergessen, wie nah Nordkorea an Seoul liegt. Wenn Leute das erste Mal zu Besuch kommen, werden sie ziemlich überrascht sein über die Lebensqualität hier in Korea."