Die Möglichkeit, rund um Dörfer Erdverkabelung zu ermöglichen, sei bisher auf wenige Pilotvorhaben beschränkt gewesen - ein Fehler: "Wir brauchen die Erdleitungen, sie zu canceln, würde die Energiewende infrage stellen", sagte der stellvertretende Fraktionsvorsitzende und Sprecher für Energieeffizienz der Grünen-Bundestagsfraktion, Oliver Krischer, im Interview mit dem Deutschlandfunk. Es sei gut, dass man den Menschen den Netzausbau jetzt näher bringen würde und ihnen diesen auch erklärt.
Deutschland habe verlernt, Stromnetzausbau zu machen, kritisiert er. Auch würde es an richtigen Instrumentarien für Bürgerbeteiligungen fehlen. Damit der Netzausbau letztlich gelinge, brauche man einem gemeinsamen Konsens. Es ginge nicht, dass ein Koalitionspartner wie die CSU sich einfach rausziehe, so Krischner.
Deutlich sprach sich der Grünen-Politiker gegen Fracking aus. Es würde die Energiekosten im Land nicht reduzieren und sei nur ein kurzfristiger Boom.
Das Gespräch in voller Länge:
Christine Heuer: Die Südost-Gleichstromtrasse wird so, wie geplant, nicht kommen. Das Infrastrukturprojekt, das sich von Sachsen-Anhalt bis nach Bayern erstrecken sollte, ist ein entscheidendes Puzzlestück der Energiewende und am Widerstand zahlloser Bürgerinitiativen vorerst gescheitert. Bayerns Landesregierung hatte den Protest im Freistaat nicht nur genährt, sondern ihn auch immer wieder in den Fokus gerückt. Nun also hat Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel erklärt, die Streckenführung müsse geändert werden. Was das für den Ausbau der erneuerbaren Energien bedeutet, darüber hat mein Kollege Jürgen Liminski gestern Abend mit dem Grünenpolitiker Oliver Krischer gesprochen, Mitglied im Bundestagsausschuss für Wirtschaft und Energie.
Jürgen Liminski: Herr Krischer, zunächst mal das Problem mit der Südost-Passage - ist das überhaupt ein Problem?
Oliver Krischer: Also wir haben es natürlich mit großen Bürgerprotesten zu tun, und das ist ein Problem, dass man die Bürgerbeteiligung, die Einbindung der Bürger, auch Konfliktvermeidung wie Erdverkabelung, bisher nicht genug ausgeschöpft hat. Insofern ist da ein Problem durch, ja, falsche Kommunikation entstanden. Und es ist gut, dass der Bundeswirtschaftsminister jetzt hier offensichtlich einzulenken scheint und beispielsweise die Erdverkabelungen rund um Siedlungen ermöglichen will. Das war bisher auf Pilotvorhaben beschränkt, auf wenige. Das haben wir nie verstanden, das haben wir Grüne immer kritisiert. Insofern bewegt sich das jetzt in eine richtige Richtung, dass man den notwendigen Netzausbau, den wir ja ohne Zweifel brauchen, dass man ihn den Menschen näher bringt, erklärt, aber auch einfach Vermeidungsstrategien, Konfliktvermeidung dann besser betreibt.
"Erdverkabelung ist nicht an jeder Stelle sinnvoll"
!Liminski:!! Aber Erdverkabelungen erhöhen die Kosten und das dauert wahrscheinlich auch länger. Wer soll das bezahlen?
Krischer: Bei den Gleichstromleitungen sind die Kosten gar nicht so viel immens teurer, und man muss einfach immer sagen: Netzausbau ist immer noch die billigste Flexibilitätsoption, die wir bei der Energiewende brauchen. Wir müssen ja den Strom über große Entfernungen transportieren können. Und im Vergleich zu anderen Kosten der Energiewende ist das, glaube ich, kein entscheidender Faktor. Im Übrigen: Das Zeitargument - wenn es dann gelingt, Klageverfahren und andere langwierige Auseinandersetzungen zu vermeiden, dann ist das im Sinne der Volkswirtschaft in jedem Fall besser, als wenn man sich hier lange Zeit in gesellschaftliche Auseinandersetzung begibt. Das sollte man in der Tat vermeiden. Insofern ist es gut, dass die Bundesregierung hier wirklich einer alten grünen Forderung dann jetzt auch entgegengekommen ist.
!Liminski:!! Wenn Erdverkabelungen nicht so viel teurer sind, warum kann man das dann nicht gleich flächendeckend machen?
Krischer: Ja, ich sage mal, Erdverkabel ist nicht an jeder Stelle sinnvoll, es ist vor allen Dingen da in den Bereichen, wo wir in die Nähe von Siedlungen kommen. Wir haben aber durchaus andere Bereiche, etwa in Wäldern oder in Naturschutzgebieten, wo Erdverkabel gar nicht die sinnvollere Lösung sind, sondern wo die Freileitung die bessere Lösung ist. Das muss man immer vor Ort entscheiden. Das ist ja auch ein bisschen das Problem, dass es jetzt nicht die pauschale Lösung gibt, sondern dass man immer sehr genau gucken muss: Was ist an welcher Stelle sinnvoll, welcher Trassenverlauf ist der bessere? Und da ist es gut, wenn jetzt die Bundesregierung bereit ist, auch hier eine gewisse Flexibilität walten zu lassen und nicht das als von oben angeordnet dann hinnehmen will. Wichtig ist aber bei dem ganzen Thema: Wir brauchen die Leitungen. Es kann nicht so sein, wie Horst Seehofer von der CSU es haben wollte: Dass wir ganz auf die Leitungen verzichten, dass wir das alles canceln. Das würde die Energiewende insgesamt infrage stellen und würde am Ende in Laufzeitverlängerungen von Atomkraftwerken enden.
"Es braucht einen gemeinsamen Konsens"
!Liminski:!! Halten Sie den Zeitplan für die Energiewende angesichts der bisherigen Widerstände noch für realistisch?
Krischer: Also ich glaube, das mit dem Netzausbau kann gelingen. Wir sind natürlich schon bei den Projekten, die vor einigen Jahren vereinbart wurden, im Verzug, aber man merkt einfach: Wir haben in Deutschland verlernt, Stromnetzausbau zu machen. Wir haben auch nicht die richtigen Instrumentarien zur Bürgerbeteiligung. Da ist viel Porzellan zerbrochen worden. Und es ist sicherlich ambitioniert, aber ich glaube, da es auch durchaus nach hinten Puffer gibt, dass das insgesamt gelingen kann. Das heißt aber jetzt auch, dass sich alle Beteiligten wirklich zusammensetzen müssen und sich auch zum Netzausbau bekennen müssen. Was nicht sein kann, ist das, was wir in der Großen Koalition in der Bundesregierung jetzt erlebt haben, dass ein Koalitionspartner, nämlich die CSU, sich da vollständig draus verabschiedet und irgendwie so tut, als ginge das alles ohne Netzausbau. Das kann nicht sein. Hier braucht es schon einen gemeinsamen Konsens und natürlich dann auch entsprechende Anstrengungen wie zum Beispiel Erdverkabelung und die Konzentration von Trassen beispielsweise entlang von Autobahnen und Ähnliches, um halt die Belastungen der Bürger, die ja verständlich und nachvollziehbar sind, um die zu vermeiden.
"Fracking ist in Deutschland kein Game Changer"
!Liminski:!! Herr Krischer, ein weiteres Energieproblem ist das Fracking. Die USA praktizieren es in großem Stil, andere Länder wollen die neue Technologie auch nutzen. Deutschland will die Technologie an strikte Auflagenbedingungen knüpfen. Beschneiden wir uns nicht selbst in unserer Wettbewerbsfähigkeit?
Krischer: Nein, das sehe ich nicht, weil die Gasgewinnung mittels Fracking hier in Deutschland ist kein Game Changer, so wie das in den USA der Fall ist. Das sagen uns allein schon die Geologen, weil die Vorräte, die wir hier haben, nur den Gasbedarf von ein paar Jahren decken könnten im günstigsten Falle, das zu hohen Förderkosten. Also selbst die größten Optimisten sind nicht der Auffassung, dass Fracking und Gasförderung mit dieser umweltschädlichen Methode in irgendeiner Weise Energiekosten oder Ähnliches in Deutschland reduzieren würde. Deshalb, glaube ich, ist es richtig, dass man hier Vorsicht walten lässt, weil Fracking - und das zeigt sich auch gerade jetzt in den USA - an vielen, vielen Stellen enorme Umweltschäden verursacht, hinterlässt Altlasten und ist auch nur ein sehr, sehr kurzzeitiger Boom, der langfristige Energiefragen nicht löst. Man kann eine Versorgungssicherheit damit vielleicht ein paar Jahre nach hinten verschieben und den entscheidenden Schritt zu Effizienz und Erneuerbare vielleicht noch ein paar Jahre dann in die Länge ziehen, aber es löst nicht die Probleme, die wir haben. Und deshalb finde ich es völlig richtig und notwendig, dass man bei Fracking nein sagt.
Heuer: Der Grünenpolitiker Oliver Krischer im Gespräch mit meinem Kollegen Jürgen Liminski.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.