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Südostasien
Widerstand gegen den Müll aus anderen Ländern

Westliche Länder verschicken riesige Mengen an Müll in ärmere Länder, insbesondere nach Südostasien. Die Abfälle werden dort meist deponiert und verbrannt, nicht recycelt. Nun aber wächst dort in vielen Ländern das Umweltbewusstsein - und damit auch der Widerstand gegen das Aufnehmen fremden Mülls.

Von Holger Senzel |
Ein Mädchen läuft mit einer Plastiktüte in der Hand über eine Müllhalde auf den Philippinen
Offiziell schicken westliche Länder nur Plastikmüll in ärmere Länder. De facto landet dort aber Hausmüll aller Art. (picture alliance / ZUMA Press)
Es ist ein schockierendes Video, das im Internet kursiert, und es zeigt das Ausmaß des Plastik-Wahnsinns. Der Brite Rich Horner filmt sich dabei selbst beim Tauchen vor Bali. Statt durch Korallen und Fischschwärme schwimmt er durch eine bunte Plastikwelt. Dichte Wolken von Tüten, Flaschen, Küchengeräten und Kunststofffetzen nehmen ihm die Sicht:
"Das kommt alles aus Indonesien. Die Strömung treibt es hierher. Sehen Sie diese Teppiche kilometerweit? Die kommen und gehen mit der Tide alle paar Stunden. Diese Massen von Plastikmüll - das ist der Horror."
Auf der Touristeninsel Bali waren es zwei 15-jährige Zwillingsschwestern, die anfingen, gegen den Plastikmüll zu kämpfen. "Wollen wir die Insel der Götter bleiben oder Mülldeponie werden?", stellten sie die Balinesen vor die Wahl. Auch Touristen an den Stränden rüttelten sie auf mit ihrer Aktion "Bye, bye Plastiktüten".
Private Initiativen kämpfen gegen Plastikflut
12.000 Menschen haben sie animiert, die Strände aufzuräumen. Selbst Politiker machten mit und präsentierten sich den Kameras. 480 Tonnen Plastikmüll, so errechneten Isabell und Melati, landen Tag für Tag in der Natur der indonesischen Insel.
"Es beeinflusst unser ganzes Leben hier. Wir wandern durch die Reisfelder und sehen Plastik. Wir schwimmen im Meer und haben Plastik im Gesicht. Also haben wir beschlossen, wir tun etwas."
Das Bewusstsein für die Schädlichkeit von Plastik fehlte in Südostasien lange. Zehn Tüten bei einem einzigen Einkauf sind bis heute keine Seltenheit. Alles wird extra verpackt. Plastikverpackungen stehen im tropischen Klima auch für Hygiene.
Es waren private Initiativen, die allmählich ein Umdenken in Gang setzten – wie die Schwestern auf Bali mit ihrer Aktion "Bye, bye plastic bags". Oder der Plastikdoktor, der Arme behandelt und als Honorar zehn Plastikflaschen fordert, die er dann recyceln lässt. Oder die Plastikbank, die in Malaysia Pfennigbeträge gutschreibt für gesammeltes Plastik.
Die Politik zieht nun nach - mit Import-Stopps
Auch die Politik entdeckte das Thema. Indonesiens Präsident Joko Widodo war der erste, der dem Plastikmüll den Kampf ansagte. Andere folgten. Und dabei wurde offenbar, dass es nicht nur der eigene Müll ist, der die Umwelt Südostasiens verdreckt, sondern dass es auch die Hinterlassenschaften der Zivilisation aus der sogenannten Ersten Welt sind.
130.000 Tonnen Plastikmüll schickte der vermeintliche Recyclingweltmeister Deutschland vergangenes Jahr nach Malaysia, weitere 120.000 Tonnen nach Vietnam und Indonesien. Aus den Tonnen aus dem Sinn. Und auf den riesigen stinkenden Halden am Rand des tropischen Dschungels finden sich massenhaft deutsche Etiketten auf Verpackungen.
Doch viele der ärmeren Länder, die schon die eigenen Müllprobleme nicht in den Griff bekommen, haben jetzt die Nase voll.
Der Müllstreit zwischen den Philippinen und Kanada entwickelte sich zum diplomatischen Eklat. Die Philippinen zogen ihren Botschafter aus Kanada ab und schickten den Dreck per Frachtschiff zurück nach Vancouver - mehr als 1.300 Tonnen kanadischer Müll, der seit gut fünf Jahren auf den Philippinen lagert. Offiziell Plastikmüll, der in dem südostasiatischen Land recycelt werden sollte. Tatsächlich aber Hausmüll: Altpapier, Plastikflaschen, alte Windeln. Und diesen Müll wollten die Philippinen nicht haben:
Westliche Verbraucher oft ahnungslos
"Kanada sollte gewarnt sein und besser seinen Dreck zurücknehmen. Oder ich werde losziehen und Kanada den Krieg erklären", so Rodrigo Duterte, Philippinischer Präsident.
China nimmt seit 2018 keinen Plastikmüll aus Industrieländern mehr auf. Seitdem wird vieles nach Südostasien geschickt. Verbraucher in Deutschland oder England glauben, der Müll werde dort recycelt. Doch tatsächlich wird er nur auf Müllkippen abgeladen. Viele Unternehmen senden Abfall nach Malaysia, ohne sich zu kümmern, ob das Material überhaupt recycelbar ist, ob die Partnerfabriken arbeitsfähig sind und ob das Land diese Aufgabe übernehmen kann oder will.
"Reiche Länder schicken den Müll in arme Länder, weil die keine Wahl haben", wettert Malaysias Ministerpräsident Mahathir bin Mohamad. "Wir brauchen euren Müll nicht, denn unser eigener Müll macht uns schon genug Probleme." Auch Malaysia hat genug vom Müllexport und wird diese Art Geschäft nicht mehr mitmachen. Das Land schickt gerade 3.000 Tonnen Plastikmüll zurück in die Herkunftsländer.