Mehr als eine Woche nach Beginn der Kämpfe zwischen Regierungstruppen und Rebellen im Südsudan ist die Situation weiter kritisch. Die Armee bereitet eine Offensive auf die Stadt Bor vor, die am Mittwoch von den Rebellen erobert wurde. Die Streitkräfte seien nach dem Evakuierungseinsatz der USA "nun bereit, nach Bor vorzurücken", sagte Präsident Salva Kiir im Parlament. Der UNO-Koordinator für humanitäre Angelegenheiten im Südsudan, Toby Lanzer, erklärte nach einem Besuch in der Stadt, dort herrsche nackte Angst. Die Zahl von Flüchtlingen, die sich auf dem Gelände der UNO in Sicherheit bringen wollten, steige stündlich.
UNO-Generalsekretär Ban: Nichts kann die Gewalt rechtfertigen
Die Angriffe auf Zivilisten und auf Blauhelme müssten sofort aufhören, sagte UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon. "Die Veranwortlichen müsen die Konsequenzen tragen, selbst wenn sie sagen, nichts von den Angriffen gewusst zu haben." Nichts könne die Gewalt in dem Land rechtfertigen.
Die USA haben angesichts der Kämpfe Hunderte Ausländer in Sicherheit gebracht. Das amerikanische Außenministerium in Washington teilte mit, insgesamt seien etwa 380 US-Bürger sowie weitere 300 Ausländer anderer Nationalitäten ausgeflogen worden. Zuvor hatte schon Deutschland seine Landsleute in Sicherheit gebracht. Auch die UNO flog alle verzichtbaren Mitarbeiter aus. Die Präsenz von Blauhelmsoldaten sollte in den Städten Bor und Juba dagegen verstärkt werden. Man wolle weder die Flüchtenden noch das Land im Stich lassen, hieß es.
Auch britische Regierung will ihre Bürger ausfliegen
Der britische Außenminister William Hague rief seine Landsleute ebenfalls zum Verlassen des Landes auf. Britische Staatsangehörige sollen mit einem Flugzeug außer Landes gebracht werden.
US-Präsident Barack Obama hatte den Konfliktparteien gedroht, die USA und andere Mitglieder der internationalen Gemeinschaft würden ihre Unterstützung für die junge Nation beenden, sollte es zu einem Militärputsch kommen.
Wohl mehr als 1.000 Tote
Nach Schätzungen der UNO sind seit Ausbruch der Kämpfe vor einer Woche bereits mehr als 1.000 Menschen getötet worden. Diese Zahl sei noch nicht gesichert, aber "wahrscheinlich", sagte der Koordinator der UNO für Hilfseinsätze, Toby Lanzer. Auch die Zahl der Flüchtlinge ist demnach stark angestiegen. Lanzer sprach von "wahrscheinlich" 100.000 Menschen. Um eine humanitäre Katastrophe in dem Land zu verhindern, stellt die Europäische Union 50 Millionen Euro bereit.
Hintergrund der vor gut einer Woche ausgebrochenen Unruhen ist ein Machtkampf von Präsident Salva Kiir mit seinem im Juli entlassenen Stellvertreter Riek Machar. Beobachter befürchten, dass sich die Kämpfe zu einem Bürgerkrieg verfeindeter ethnischer Gruppen ausweiten. Denn auch Kiir und sein Rivale Machar gehören gegnerischen Volksgruppen an. Der Präsident warf seinem Rivalen, der zur Minderheit der Dok-Nuer gehört, einen Putschversuch vor. Machar bestreitet jedoch Umsturzpläne.
Vizepräsident äußert Verhandlungsbereitschaft
Große Teile des Landes sollen inzwischen in der Hand der Rebellen sein. Vizepräsident Machar sagte dem britischen Rundfunk BBC, die Rebellen hätten unter seiner Führung auch wichtige Gebiete des Bundeslandes Unity erobert, das wegen seiner Ölindustrie eine zentrale Bedeutung hat. Ein Sprecher der Regierungsarmee bestätigte dies, betonte aber zugleich, die Ölforderung sei nicht beeinflusst. Ausländische Arbeiter, die von den Ölfeldern in Unity flohen, berichteten von brutalen Kämpfen. Auch Zivilisten seien mit Steinen und Messern aufeinander losgegangen, sagte ein Arbeiter der britischen Zeitung "Guardian". Es habe viele Tote gegeben.
Machar erklärte in der BBC zugleich seine Bereitschaft zu Verhandlungen mit dem Präsidenten. Voraussetzung sei allerdings die Freilassung verhafteter Weggefährten. Diese waren kurz nach Beginn der Unruhen festgenommen worden. Ein Sprecher des ugandischen Außenministeriums kündigte an, Vermittler mehrerer ostafrikanischer Staaten würden in naher Zukunft mit Machar sprechen.