"Decomposing bodies lie in South Soudan. A massacre of men, women and children. Two United nations officials say, rebels have slaughtered hundreds of civilians in the oil city of Bentiu."
Verwesende Leichen liegen auf den Straßen von Bentiu, einer Erdöl-Metropole im Südsudan. Das berichtet ein Reuters-Reporter am 22. April, zu diesem Zeitpunkt liegen die Toten schon seit einer Woche in der Sonne. Mindestens 200 sollen es sein, erklärten die Vereinten Nationen, die als erste von den Massakern in Bentiu berichteten. Die Opfer: Kinder, Frauen und Männer. Die mutmaßlichen Täter: Kämpfer des Rebellenführers Riek Machar, dem Widersacher von Präsident Salva Kiir. Der Machtkampf zwischen den beiden löste Mitte Dezember die gegenwärtigen Kämpfe aus. Es ist ein Ringen um Erdöleinnahmen, Einfluss und Macht, doch daraus wurde schnell ein brutaler ethnischer Konflikt.
Toby Lanzer, UN-Sondergesandter für den Südsudan, war nach dem Massaker von Bentiu als einer der ersten internationalen Beobachter vor Ort. "In den vergangenen Tagen war Bentiu der Schauplatz sehr schwerer Gewalt. Sehr gezielter, sorgfältig geplanter Angriffe auf Menschen einer bestimmten Volksgruppe. Was wir hier in der Moschee und anderen Orten gesehen haben, ist wirklich herzzerreißend. Ohne Frage wurden Grausamkeiten in einem extremen Ausmaß verübt."
Während des Völkermordes in Ruanda wurden seinerzeit binnen weniger Wochen rund eine Millionen Menschen getötet. Die Täter waren radikale Hutu, seit Jahren aufgepeitscht von Hass-Propaganda, die auch die Medien verbreiteten. Dass jüngst auch im Südsudan die lokale Radiostation von Bentiu zu ethnischen Morden und Vergewaltigung aufrief, lässt die Alarmglocken schrillen. In Ruanda versagten die Vereinten Nationen damals in schändlicher Weise. Gerade weil das große Morden erkennbar bevor stand, zogen sie die meisten ihrer ohnehin wenigen Blauhelme ab. Statt einzugreifen und Leben zu retten, brachten sie ihre Soldaten in Sicherheit. Die UN habe aus Ruanda nichts gelernt, lautet jetzt ein häufiger Vorwurf.
Die UN ist in einer schwierigen Lage
Jehanne Henry sieht das etwas anders. Sie ist Südsudan-Expertin der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch: "Es stimmt, dass die UN mit einer großen Blauhelm-Mission im Südsudan sind. Dass der Konflikt trotzdem derart eskalieren konnte zeigt natürlich, dass die UN die Konflikte, die jetzt ausbrechen, nie richtig angegangen ist. Die gegenwärtigen Kämpfe waren in gewisser Weise vorhersehbar, und einige UN-Mitarbeiter wussten auch, dass da was kommt. Aber ich glaube nicht, dass irgend jemand vorher gesehen hat, dass diese Kämpfe in einem solchen Tempo und Ausmaß derart brutal werden würden."
Anders als in Ruanda wurden auch die UN von den Massakern überrascht. Über eine Millionen Menschen sind seit dem Beginn der aktuellen Krise geflohen, 80.000 von ihnen suchten Zuflucht auf Grundstücken der UN-Mission im Südsudan UNMISS. "Die UN ist im Südsudan in einer bizarren und schwierigen Lage, das müssen wir anerkennen."
Anders als in Ruanda wurden auch die UN von den Massakern überrascht. Über eine Millionen Menschen sind seit dem Beginn der aktuellen Krise geflohen, 80.000 von ihnen suchten Zuflucht auf Grundstücken der UN-Mission im Südsudan UNMISS. "Die UN ist im Südsudan in einer bizarren und schwierigen Lage, das müssen wir anerkennen."
Die Zustände auf den völlig überfüllten UN-Grundstücken sind katastrophal. Oft teilen sich 350 Menschen eine Latrine, Wasser zum Waschen und Trinken ist knapp, außerdem fehlen Lebensmittel und Medizin. Aber: die UN weisen keinen zurück. Das sei eine Lehre aus Ruanda, erklärte der UN-Sondergesandte zur Verhinderung von Völkermord, Adama Dieng, am Dienstag im Rahmen einer Reise in den Südsudan. Vor zwanzig Jahren machten die wenigen in Ruanda verbliebenen Blauhelme ihre Tore oft nicht auf, wenn verfolgte Tutsi panisch Einlass begehrten. "Es gibt kein anderes Beispiel dafür, dass die UN Zehntausende von Flüchtlingen beherbergen. Das müssen wir anerkennen. Die UN sind ohne Zweifel in einer schwierigeren Situation, als ich sie aus irgendeiner anderen Blauhelm-Mission kenne."
Andererseits gibt es diese spontan entstandenen Lager nun schon seit Monaten, die Vereinten Nationen tun nichts, um die unhaltbaren Zustände zu verändern. Schlimmer noch: Nicht einmal dort sind die Verfolgten wirklich in Sicherheit. Mehrfach stürmten Bewaffnete auf Gelände der Vereinten Nationen, in der Stadt Bor töteten sie Mitte April bei einem solchen Angriff fast 60 Menschen. Darunter auch Blauhelme, die sich den Angreifern entgegen stellten. Und noch etwas ist anders als vor dem Völkermord in Ruanda vor zwanzig Jahren: Schon im Dezember verabschiedete der Sicherheitsrat eine Resolution, die den Einsatz von 14.000 Soldaten und Polizisten im Südsudan erlaubt. Bis dahin umfasste das UNMISS-Mandat nur 8.500 Mann. Geschehen ist seither praktisch nichts. Keiner der UN-Mitgliedsstaaten war bereit, eine nennenswerte Anzahl zusätzlicher Soldaten in den Südsudan zu schicken, um die Massaker zu beenden.
"Die UN müssten Druck auf ihre Mitglieder ausüben, die Truppen stellen sollten. Aber ja, das ist ein grundlegendes Problem in der Struktur der internationalen Friedens- und Sicherheitsarchitektur."
"Die UN müssten Druck auf ihre Mitglieder ausüben, die Truppen stellen sollten. Aber ja, das ist ein grundlegendes Problem in der Struktur der internationalen Friedens- und Sicherheitsarchitektur."
Selbst UN-Generalsekretär Ban Ki Moon kann niemanden zwingen, Material und Menschen in den Südsudan zu schicken. So sind die Blauhelme zwar offenbar guten Willens, aber viel zu wenige und völlig überfordert angesichts der eskalierenden Gewalt.