Der Verwesungsgeruch ist kaum zu ertragen. Auf dem Fußboden liegt noch die Kleidung der Toten. Vor zwei Monaten ermordeten Rebellen mehrere hundert Zivilisten hier, in einer Moschee von Bentiu, der Hauptstadt des nördlichen Gliedstaates Unity. Das Massaker war eines der dunkelsten Kapitel in der jungen Geschichte des Südsudan.
Die Toten liegen mittlerweile in Massengräbern. Die Regierung kontrolliert diese Stadt wieder. Doch die Lage bleibt ernst, denn die Rebellen sind noch in der Nähe. Regelmäßig wird geschossen. Um Bentiu, das in der Nähe wichtiger Ölfelder liegt, wird schwer gekämpft. Eine Fahrt durch die Stadt ist nur in einem bewaffneten Konvoi der Vereinten Nationen möglich.
Vor einer Tankstelle parkt ein Kleinlaster. Auf der Ladefläche sitzen Kindersoldaten. Sie tragen Patronengurte um die Schultern und halten Sturmgewehre in der Hand. Einer der Knaben, kaum älter als zwölf, ist zu klein für seine grüne Uniform. Bentiu ist eine Geisterstadt. Öffentliche Gebäude wurden geplündert. Die Menschen haben ihre Häuser verlassen. Die Büroräume des Roten Kreuzes sind verwüstet. Pappkartons und Papier liegen verstreut auf dem Boden. Zerbrochenes Glas knirscht unter den Füßen. Die Aufbauarbeit der letzten Jahre ist dahin.
Auf dem Stützpunkt der Vereinten Nationen in Bentiu stehen Menschen vor einer Lebensmittelausgabe Schlange. Fliegen schwirren durch die Luft. Die Sonne brennt. Rund 40.000 Menschen haben auf dem Gelände Zuflucht gefunden. Auch die deutsche Welthungerhilfe ist vor Ort. Jürgen Mika kam vor ein paar Tagen an.
"Heute haben wir Nahrungsmittel verteilt, zusammen mit dem Welternährungsprogramm in einem der Camps hier um Bentiu, an etwa, wir haben noch nicht die letzten Zahlen, rund fünfeinhalbtausend Menschen."
Aussähen verpasst - Hunger droht
Mika sagt, die Arbeit sei schwer. Die Regierung hat die Mobilfunknetze lahmgelegt. Kommunikation sei nur per Funk und E-Mail möglich. Der Bedarf an Nahrungsmitteln sei groß. Eine Hungersnot steht bevor. Wegen der Kämpfe konnten die Bauern ihr Saatgut nicht ausbringen, Händler aus dem benachbarten Sudan haben die lokalen Märkte nicht beliefern können.
"Und das wird noch ein riesen Problem irgendwann werden, jetzt noch in der nahen Zukunft, weil jetzt im Moment hat die Regenzeit begonnen. Jetzt müsste das Saatgut eingebracht werden, damit dann in ein paar Monaten hier eine Ernte ist. Das ist jetzt verpasst worden gerade. Das hätte jetzt tatsächlich bis Anfang Juni passieren müssen. Vielleicht noch bis Mitte Juni. Aber ich sehe jetzt nicht, dass wir in zwei Wochen an Tausende Leute hier Saatgut noch verteilen können."
In Juba, der Hauptstadt Südsudans, ist es friedlich. Doch die Stadt ringt mit einem Cholera-Ausbruch. Doktor Wani Lolik Lado führt durch das Cholera-Behandlungszentrum am Juba Teaching Hospital, eines der wenigen Krankenhäuser des Landes.
"All das hier sind Patienten, alles Kranke. Hier, hier und dort. In diesem Raum lagern wir unsere Bestände, Medikamente und Infusionen."
Junge Männer und Frauen liegen unter Moskitonetzen und stöhnen. Ein Mann wedelt seinem bettlägerigen Vater mit einem Handtuch Luft zu. Die Zustände sind erbärmlich. Das Lager ist schmutzig. Rund 1500 Menschen sind seit Mitte Mai an Cholera erkrankt. 31 starben an den Folgen. Die Regierung sagte, sie habe die Situation unter Kontrolle, doch dann hieß es, die Krankheit sei auch im Süden des Landes ausgebrochen.
Der Politikwissenschaftler Jok Madut Jok vom Sudd Institut, einem lokalen Forschungszentrum, sieht dennoch einen Hoffnungsschimmer. Anfang Mai haben Südsudans Präsident Salva Kiir und Rebellenführer Riek Machar wieder ein Waffenstillstandsabkommen unterzeichnet. Das erste Abkommen vom Januar hatten sie schon nach ein paar Tagen gebrochen. Jok Madut Jok glaubt, dass es diesmal anders sein wird. Im Januar seien beide Parteien noch sehr wütend gewesen, sagt er, sie hätten ihre Truppen auch nicht voll unter Kontrolle gehabt.
"Ein weiterer Unterschied zum ersten Waffenstillstand ist der internationale Druck. Es wurden Sanktionen verhängt. Es wurde damit gedroht, Entwicklungsgelder einzufrieren und sowohl den Rebellen als auch der Regierung den Prozess zu machen nach ihren Vergehen in Bentiu, Malakal und Juba. Ich denke, den Parteien ist klar geworden, dass das internationale System weit stärker ist, als sie anfangs glaubten."
Tatsächlich ist es jedoch zu neuen Kämpfen gekommen. Beide Seiten bezichtigen sich des Vertragsbruchs.
Zurück in Bentiu. Abends fallen in der Ferne Schüsse. Auch William Bol Gatkuoth kann sie hören. Er bewacht das Haupttor des UN-Geländes. Sowohl Salva Kiir als auch Riek Machar hätten ihre Glaubwürdigkeit verloren, sagt der junge Mann, keiner der beiden dürfe mehr regieren.
"Ich bin wütend. Meine Landsleute müssen sterben und hungern. Wenn ich eine Frau sehe, die an Hunger stirbt, macht mich das traurig. Das ist so, als sterbe meine Mutter."
Viele fordern eine sofortige Militärintervention des Auslands. Nur noch das könne den Krieg beenden. Die Menschen wollen Frieden. Vor allem die junge Generation sieht in der Stammesfehde ihrer Väter keinen Sinn. Der junge Wächter am Haupttor ist wie die meisten Menschen in Bentiu ein Nuer, der Stamm von Rebellenführer Riek Machar, der mit den Dinka von Präsident Kiir um die Macht kämpft. Als William 16 war, wollte sein Vater, dass er sich sechs horizontale Linien auf die Stirn einritzen lässt, so wie sich das für einen jungen Nuer-Mann gehöre. Doch er weigerte sich. William sagt, er spreche Dinka und Nuer und könne ohne Stirnmal überall in Südsudan arbeiten.
"Diese Dinge gehen vorbei. Wir leben in einer modernen Welt. Viele Menschen halten diese Bräuche für überholt."