Das Viertel Don Bosco in Bozen. Drei- bis viergeschossige Wohnblocks, hochgezogen in den 30er-Jahren, als Südtirol durch eine massive Zuwanderung aus Süditalien italienisiert werden sollte. Der Sozialarbeiter Andrea Vigni ist hier aufgewachsen.
"Hier sind wir in einem Außenbezirk von Bozen, dem Viertel Don Bosco, in dem zu 80 Prozent italienische Muttersprachler leben. Die übrigen 20 Prozent sind aus der deutschen Sprachgruppe und aus außereuropäischen Ländern."
Andrea Vigni frühstückt jeden Morgen in der Bar Luciano. Cappuccino und ein Marmeladencroissant - typisch italienisch. Die Bar ist die erste Anlaufstelle des Tages. Hier wird die Zeitung durchgeblättert und ein Schwätzchen gehalten.
Die Eurokrise ist ein großes Thema an diesem Morgen. Luis Durnwalder, der Landeshauptmann und Chef der Regionalregierung von Südtirol, hat erklärt, Südtirol sei nicht schuld an der misslichen Haushaltslage Italiens und er werde nicht zulassen, dass die Lasten zur Bewältigung der Krise, ungleich verteilt werden. Durnwalder reagiert damit auf die Blockade von 350 Millionen Euro durch Rom, die der autonomen Provinz eigentlich aus Steuereinnahmen zuständen, von der Regierung Monti aber nicht ausgezahlt werden.
"Rottweiler" wird Luis Durnwalder in Don Bosco genannt, weil er Rom die Zähne zeige und nicht bereit sei, Geld aus Südtirol nach Rom zu transferieren, um dort die Haushaltslöcher zu stopfen. Francesca Ricci, eine junge Friseurin, wünscht sich dagegen Solidarität mit Rom. Südtirol sei schließlich ein Teil Italiens:
"Manchmal fühlt es sich an, als wären wir hier im Ausland und dann reg' ich mich auf, weil ich mir sage: Wir sind hier in Italien!"
Ein älterer Herr schaut von der Zeitung auf, pflichtet ihr bei:
"Das ist Italien hier, doch nicht Deutschland. Das muss klar gesagt werden."
Und deshalb habe Durnwalder einen Fehler gemacht, als er Regierungschef Mario Monti empfahl, woanders nach Geld zu suchen, nicht in Südtirol. Eine einmalige Finanzhilfe an die römische Regierung kommt für die italienische Sprachgruppe eher infrage als für die deutschsprachige. Den Status als autonome Region will aber kaum jemand aufgeben. Denn dadurch werden 90 Prozent der Steuereinnahmen aus Südtirol von Rom wieder an Bozen zurücküberweisen. Ein großer Batzen Geld, der dafür sorgt, dass die Sozialleistungen in Südtirol üppiger sind als im Rest Italiens, dass die Regionalzüge öfter gewartet, die Straßen besser instand gehalten werden können als in anderen Regionen, die keinen Autonomiestatus haben. Doch wird Südtirol dieses Privileg beibehalten können in Zeiten klammer Kassen in Rom? Viele Südtiroler machen sich Sorgen um die Autonomie ihrer Region. Vor allem die deutsche Sprachgruppe. Lorenz Hofer aus dem Passeiertal bei Meran bringt die Bedenken seiner Landsleute so auf den Punkt.
"Unsere Autonomie ist sicher ein Schutz für uns, aber man muss bedenken, es ist nur ein Geschenk Italiens an Südtirol und Geschenke sind nicht etwas Fixes. Oder wie soll man sagen: Italien könnte jederzeit sagen, Autonomie braucht ihr keine mehr, es geht auch ohne."
Lorenz Hofer kann sich nicht mit der politischen Zugehörigkeit zu Italien abfinden. Als Mitglied einer Schützenkompanie verteidigt er altes Brauchtum gegen italienische Einflüsse.
"Wir sind einfach ein anderes Volk. Wir sind Germanen und die anderen sind Italiener oder Rätoromanen oder wie man sie nennen soll, das ist ein Unterschied und der wird immer bleiben."
Dieser Unterschied in der Mentalität kommt in der Eurokrise besonders zum Vorschein. Während es in der italienischen Sprachgruppe Befürworter von Finanzhilfen aus Südtirol an Rom gibt, lehnen das viele deutschsprachige Südtiroler rundweg ab. Sie sehen sich nicht in der Pflicht, der italienischen Regierung zu Hilfe zu eilen, im Gegenteil. Manche würden das - wie sie sagen-, "sinkende Schiff Italien" am liebsten verlassen.
"Ja, es gibt die richtigen Patrioten, die auf den Tisch hauen und sagen: Los von Rom, los von Rom! Die gibt's schon, aber ich frage mich: ja, los von Rom - und was dann? Da hab ich ein großes Fragezeichen."
Erwin Pichler führt eine Gastwirtschaft im Passeiertal. Im Gegensatz zur Espressobar im Bozner Don-Bosco-Viertel läuft hier kein italienisches Fernsehen und statt Cappuccino gibt es Filterkaffee. So leben die beiden Sprachgruppen in Südtirol eher nebeneinander als miteinander. Bisher friedlich, trotz verbaler Attacken extremer Politiker. Doch sollte die Regierung in Rom tatsächlich Geld aus Südtirol einfordern, um der Haushaltskrise Herr zu werden, könnte es zum offenen Konflikt kommen.
"Hier sind wir in einem Außenbezirk von Bozen, dem Viertel Don Bosco, in dem zu 80 Prozent italienische Muttersprachler leben. Die übrigen 20 Prozent sind aus der deutschen Sprachgruppe und aus außereuropäischen Ländern."
Andrea Vigni frühstückt jeden Morgen in der Bar Luciano. Cappuccino und ein Marmeladencroissant - typisch italienisch. Die Bar ist die erste Anlaufstelle des Tages. Hier wird die Zeitung durchgeblättert und ein Schwätzchen gehalten.
Die Eurokrise ist ein großes Thema an diesem Morgen. Luis Durnwalder, der Landeshauptmann und Chef der Regionalregierung von Südtirol, hat erklärt, Südtirol sei nicht schuld an der misslichen Haushaltslage Italiens und er werde nicht zulassen, dass die Lasten zur Bewältigung der Krise, ungleich verteilt werden. Durnwalder reagiert damit auf die Blockade von 350 Millionen Euro durch Rom, die der autonomen Provinz eigentlich aus Steuereinnahmen zuständen, von der Regierung Monti aber nicht ausgezahlt werden.
"Rottweiler" wird Luis Durnwalder in Don Bosco genannt, weil er Rom die Zähne zeige und nicht bereit sei, Geld aus Südtirol nach Rom zu transferieren, um dort die Haushaltslöcher zu stopfen. Francesca Ricci, eine junge Friseurin, wünscht sich dagegen Solidarität mit Rom. Südtirol sei schließlich ein Teil Italiens:
"Manchmal fühlt es sich an, als wären wir hier im Ausland und dann reg' ich mich auf, weil ich mir sage: Wir sind hier in Italien!"
Ein älterer Herr schaut von der Zeitung auf, pflichtet ihr bei:
"Das ist Italien hier, doch nicht Deutschland. Das muss klar gesagt werden."
Und deshalb habe Durnwalder einen Fehler gemacht, als er Regierungschef Mario Monti empfahl, woanders nach Geld zu suchen, nicht in Südtirol. Eine einmalige Finanzhilfe an die römische Regierung kommt für die italienische Sprachgruppe eher infrage als für die deutschsprachige. Den Status als autonome Region will aber kaum jemand aufgeben. Denn dadurch werden 90 Prozent der Steuereinnahmen aus Südtirol von Rom wieder an Bozen zurücküberweisen. Ein großer Batzen Geld, der dafür sorgt, dass die Sozialleistungen in Südtirol üppiger sind als im Rest Italiens, dass die Regionalzüge öfter gewartet, die Straßen besser instand gehalten werden können als in anderen Regionen, die keinen Autonomiestatus haben. Doch wird Südtirol dieses Privileg beibehalten können in Zeiten klammer Kassen in Rom? Viele Südtiroler machen sich Sorgen um die Autonomie ihrer Region. Vor allem die deutsche Sprachgruppe. Lorenz Hofer aus dem Passeiertal bei Meran bringt die Bedenken seiner Landsleute so auf den Punkt.
"Unsere Autonomie ist sicher ein Schutz für uns, aber man muss bedenken, es ist nur ein Geschenk Italiens an Südtirol und Geschenke sind nicht etwas Fixes. Oder wie soll man sagen: Italien könnte jederzeit sagen, Autonomie braucht ihr keine mehr, es geht auch ohne."
Lorenz Hofer kann sich nicht mit der politischen Zugehörigkeit zu Italien abfinden. Als Mitglied einer Schützenkompanie verteidigt er altes Brauchtum gegen italienische Einflüsse.
"Wir sind einfach ein anderes Volk. Wir sind Germanen und die anderen sind Italiener oder Rätoromanen oder wie man sie nennen soll, das ist ein Unterschied und der wird immer bleiben."
Dieser Unterschied in der Mentalität kommt in der Eurokrise besonders zum Vorschein. Während es in der italienischen Sprachgruppe Befürworter von Finanzhilfen aus Südtirol an Rom gibt, lehnen das viele deutschsprachige Südtiroler rundweg ab. Sie sehen sich nicht in der Pflicht, der italienischen Regierung zu Hilfe zu eilen, im Gegenteil. Manche würden das - wie sie sagen-, "sinkende Schiff Italien" am liebsten verlassen.
"Ja, es gibt die richtigen Patrioten, die auf den Tisch hauen und sagen: Los von Rom, los von Rom! Die gibt's schon, aber ich frage mich: ja, los von Rom - und was dann? Da hab ich ein großes Fragezeichen."
Erwin Pichler führt eine Gastwirtschaft im Passeiertal. Im Gegensatz zur Espressobar im Bozner Don-Bosco-Viertel läuft hier kein italienisches Fernsehen und statt Cappuccino gibt es Filterkaffee. So leben die beiden Sprachgruppen in Südtirol eher nebeneinander als miteinander. Bisher friedlich, trotz verbaler Attacken extremer Politiker. Doch sollte die Regierung in Rom tatsächlich Geld aus Südtirol einfordern, um der Haushaltskrise Herr zu werden, könnte es zum offenen Konflikt kommen.