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Südwestdeutsche Medienholding
Stuttgarter Verlag will Stellen streichen

Die Südwestdeutsche Medienholding will Doppelstrukturen abbauen. Redaktionen sollen zusammengelegt, Stellen gestrichen werden. "Stuttgarter Zeitung" und "Stuttgarter Nachrichten" sollen gleichlautende Texte drucken. Gewerkschaften fürchten nun um die Meinungsvielfalt.

Von Thomas Wagner |
Exemplare der "Stuttgarter Nachrichten" im Förderband in der Druckerei
Noch sind die "Stuttgarter Nachrichten" eigenständig, künftig muss sie sich Texte mit der "Stuttgarter Zeitung" teilen. (Imago / Pressefoto Kraufmann&Kraufmann)
Ein sonniger Herbsttag. Josef-Otto Freudenreich sitzt auf der Terrasse seiner Wohnung am Rande der Stuttgarter Innenstadt. Er arbeitete von 1986 bis 2009 als Redakteur bei der "Stuttgarter Zeitung", die letzten Jahre davon sogar als Chefreporter. Seitdem ist Freudenreich, der das Wochenmagazin "Kontext" gegründet hat, seinem früheren Arbeitgeber in kritischer Abneigung verbunden.
Freudenreich: "Die Zeitung selber… ich bin halt jedes mal enttäuscht darüber, wie dünn das Blatt wird, und wie es immer dünner wird. Das finde ich in der Tat schade, weil es tatsächlich mal eine respektable Zeitung war."
Und jetzt auch noch das: Meldungen über Stellenabbau. Seit knapp vier Jahren bereits sind die Redaktionen der "Stuttgarter Zeitung" und der "Stuttgarter Nachrichten" zusammengelegt.
Trotzdem bestätigt die "Südwestdeutsche Medienholding", zu der die "Stuttgarter Zeitung" gehört, einen Stellenabbau in jeweils zweistelliger Höhe, der aber, wie es heißt, "überwiegend sozialverträglich" erfolgen soll. Außerdem sollen nach Gewerkschaftsangaben Lokalredaktionen in Esslingen, Böblingen, Waiblingen und Göppingen dicht gemacht werden. Und: Bislang eigenständige Zeitungen, die zur Medienholding gehören, sollen demnächst den Mantelteil des Stuttgarter Mutterhauses erhalten.
Freudenreich: "Jetzt wird’s dann eine Einheitszeitung von Offenburg bis ins fränkische Coburg geben. Also wenn ich in Offenburg dieselbe erste Seite bis zum Lokalteil kriege, wie ich sie in Coburg kriege, richtigerweise muss man sagen, es ist ein Einheitsbrei, den wir dann kriegen."
Umbau, um zukunftsfähig zu bleiben?
Einheitsbrei, das ist das Gegenteil von Meinungsvielfalt. Und genau deshalb rufen die jüngsten Entwicklungen Kritiker auf den Plan, zuallererst die Journalistengewerkschaften.
"In diesen großen Konzernen, dieser Trend zur journalistischen Konzentration auf wenige Einheiten – das bedeutet natürlich für Baden-Württemberg eine deutliche Einschränkung der Meinungsvielfalt, der Medienvielfalt. Und teilweise wird dann dem Leser auch vorgegaukelt, dass es mehr Zeitungen gibt als tatsächlich erscheinen", meint Siegfried Heim, in Baden-Württemberg Leiter des Landessfachbereiches Medien bei der Dienstleistungsgesellschaft Verdi.
In der Chefetage der Südwestdeutschen Medienholding sehen die Verantwortlichen die Dinge allerdings ganz anders. Gerade um als Medienunternehmen zukunftsfähig zu bleiben, sei ein Umbau der Strukturen unumgänglich. Svantje Dake, Chefredakteurin Digital bei der "Stuttgarter Zeitung" und bei den "Stuttgarter Nachrichten":
"Die Auflagenentwicklung der letzten Jahre bei den gedruckten Produkten geht klar in eine Richtung, nämlich leider Gottes nach unten. Das hat vielfältige Gründe. Das liegt allerdings meiner Meinung nach am allerwenigsten an den Journalisten, die hinter den Produkten stecken, oder an den Redaktionen, sondern es liegt viel an den gesellschaftlichen Tendenzen. Immer mehr geht ins Digitale. Die Altersstruktur des Produktes verändert sich dahingehend, dass die Leser immer älter werden. Und die Leser, die nachkommen, sind in der Regel nicht so sehr eben auf Printprodukte zu bringen, sondern eher auf die digitalen Produkte."
Verlag will Doppelstrukturen abbauen
100 Millionen Euro werde die Südwestdeutsche Medienholding daher in die Hand nehmen, um den digitalen Wandel zu finanzieren. Auf der anderen Seite hätten sich durch Zukäufe in den vergangenen Jahren Doppelstrukturen ergeben: Zwei Zeitungstitel der gleichen Holding erscheinen am selben Ort – mit jeweils getrennten Geschäftsstellen und Redaktionen.
Dake: "Es gibt Doppelstrukturen. Die versuchen wir in den kommenden Monaten und in dem gesamten Prozess 'Regionales Medienhaus' abzubauen, um Doppelarbeit eben zu vermeiden."
Deshalb: Erst einmal Stellenabbau.
Lange: "Wir von Seiten des DJV sind nicht gegen eine Digitalisierungsoffensive", betont Dagmar Lange, baden-württembergische Landesvorsitzende des Deutschen Journalistenverbandes. Nur dass damit ein Stellenabbau einhergehen muss, will ihr nicht in den Kopf:
"Die Qualität muss stimmen. Und die Qualität kann eben nur stimmen, wenn es genug redaktionelles Personal gibt, die dafür sorgen. Statt Stellenabbau müsste man ganz klar mehr redaktionelle Stellen schaffen." …um die Qualitätsstandards aufrecht zu erhalten.
Immerhin gilt die "Stuttgarter Zeitung" immer noch als Print-Leitmedium in Baden-Württemberg. Obwohl die Redaktion vor etwa vier Jahren mit dem Team der "Stuttgarter Nachrichten" aus dem gleichen Verlag zusammengelegt wurde, arbeiten bei beiden Zeitungen immer noch so genannte Exklusiv- oder Titelautoren. Und die bringen in schöner Regelmäßigkeit auch Ungereimtheiten, manchmal sogar handfeste Skandale ans Tageslicht. Doch wird das auch in Zukunft so sein?
Konzept der exklusiven Autoren auf dem Prüfstand
"Sicherlich wird das Konzept der Titelautoren überprüft werden. Und eventuell wird es eben auch nicht so in Gänze erhalten bleiben können", so Digital-Chefredakteurin Svantje Dake. Sie versichert aber:
"Es wird weiterhin aber Titelautoren geben, die nur für einen Titel schreiben." Aber eben möglicherweise eben nicht mehr so viele wie bisher. Dagmar Lange vom DJV ist davon nicht unbedingt begeistert:
"Durch diesen Einheitsbrei, der da entsteht, ist es mit der Meinungsvielfalt schlecht bestellt. Und es ist ein fades Angebot für Leserinnen und Leser."