Es sei ein Fiasko für die sächsische Justiz, dass so etwas passieren konnte, obwohl die Suizidgefährdung des Mannes bekannt gewesen sei, betonte von Notz. Dies werfe ein "sehr schwieriges Licht" auf die Justiz in Sachsen. Dabei sei es wichtig, sich jetzt nicht in Spekulationen zu ergehen, sondern die Geschehnisse genau aufzuarbeiten und zu schauen, wer alles von der Suizidgefahr wusste.
Al-Bakr sei eine Schlüsselfigur und wichtige Informationsquelle für die Behörden gewesen, auch um ähnliche Bedrohungen in Zukunft abzuwehren. Dass er den Ermittlern jetzt als Zeuge fehle, sei extrem misslich, betonte von Notz. In der kommenden Woche werde sich auch der Innenausschuss des Bundestages mit den Hintergründen des Falles befassen.
Das Interview in voller Länge:
Tobias Armbrüster: Am Telefon ist jetzt Konstantin von Notz, Innen- und Rechtspolitiker der Grünen, außerdem Fraktionsvize seiner Partei im Deutschen Bundestag. Schönen guten Morgen, Herr von Notz.
Konstantin von Notz: Guten Tag.
Armbrüster: Herr von Notz, sind das schon wieder sächsische Verhältnisse, die wir da vor uns sehen?
von Notz: Na ja, das ist auf jeden Fall ein Fiasko für die sächsische Justiz, dass sich so eine wichtige Informationsquelle und so ein wichtiger Zeuge auch für die Hintergründe der Dinge, über die wir diskutieren seit mehreren Tagen, der offensichtlich bekanntermaßen suizidgefährdet war, dass der sich erhängen konnte. Das wirft auf jeden Fall ein sehr, sehr schwieriges Licht auf die Justiz in Sachsen.
Armbrüster: Auf wen genau?
von Notz: Ja gut, da will ich mich ungern festlegen, und man muss wirklich aufpassen jetzt, dass man sich nicht in Spekulationen ergeht. Das muss genau sauber aufgeklärt werden, was da wann passiert ist. Erst mal muss die sächsische Justiz natürlich auch die Möglichkeit haben, sich da heute ausführlich einzulassen, wie das nun im Einzelnen passiert ist. Aber die Fakten, die wir wissen, dass man um die Suizidgefahr wusste, dass man natürlich wusste, was für eine wichtige Informationsquelle al-Bakr ist, das ist ja nun bekannt, und dass er den Suizid erfolgreich begehen konnte, ist auf jeden Fall ein Fiasko.
Thema im Innenausschuss des Bundestages
Armbrüster: Können Sie sich denn irgendeine Erklärung dafür vorstellen, wie das passieren konnte, obwohl er ja, wie Sie sagen, bekannt war als suizidgefährdet?
von Notz: Na ja. Wo Menschen arbeiten, passieren auch Fehler. Das kennt man ja nun immer wieder. Nun muss man sich aber hier wirklich genau erklären lassen, was passiert ist, welche Maßnahmen ergriffen worden sind, auch um einen Suizid abzuwenden, wer dafür verantwortlich war, wer von der Problemlage, die es offensichtlich gab, genau wusste. Und wir haben das Thema auch am Mittwoch natürlich im Innenausschuss des Deutschen Bundestages, wo ich fest davon ausgehe, dass uns auch dort die genauen Hintergründe dargelegt werden, denn man braucht da jetzt rückhaltlose und schnelle Aufklärung, was genau passiert ist und wie das passieren konnte.
Armbrüster: Sehen Sie diesen Selbstmord auch im Zusammenhang mit den anderen Fehlleistungen der Sicherheitsbehörden in Sachsen in den vergangenen Wochen?
von Notz: Bezüglich der Festnahme haben wir auch noch einige Fragen, was da falsch laufen konnte. Wie gesagt, wo Menschen arbeiten, passieren auch Fehler. Das ist einfach so. Trotzdem ist natürlich bei einer so wichtigen Festnahme, dass der Tatverdächtige sich einfach davon macht, obwohl viele, viele Beamte vor Ort sind, das wollen wir schon einmal genau erläutert bekommen, und auch das, die Umstände dieser Festnahme haben wir im Innenausschuss am Mittwoch auf der Tagesordnung, um uns das genau erläutern zu lassen. Und dann muss man aus diesen Informationen die Rückschlüsse ziehen, gucken, wer Verantwortung trägt, und vor allen Dingen verstehen, wie man solche grauenvollen Fehler zukünftig verhindern kann.
Armbrüster: Wie wichtig wäre die Aussage oder wie wichtig wären die Informationen von Herrn al-Bakr denn gewesen für die deutschen Sicherheitsbehörden?
Eine Niederlage für die Aufklärung
von Notz: Na ja, da kann man schon von ausgehen, dass das eine Schlüsselfigur in diesem Setting offensichtlich war. Jetzt weiß man natürlich nicht, inwieweit er sich eingelassen hätte oder aussagebereit gewesen wäre, aber jetzt hat man diese Option nicht mehr und das ist natürlich angesichts der Ernsthaftigkeit der Pläne schon eine Niederlage auch für die Aufklärung, die wir machen müssen, um dann auch daraus zu lernen, wie man zukünftig noch effektiver diese Bedrohungen abwenden kann. Wir wissen, er war wohl mehrere Monate auch in der Türkei, wahrscheinlich auch in Syrien, während er schon in Deutschland als Flüchtling anerkannt war, für drei Jahre wohl. Auch die genauen Hintergründe müssen wir uns jetzt angucken. Aber dass al-Bakr als Zeuge fehlt, das ist schon extrem misslich.
Armbrüster: … sagt hier bei uns im Deutschlandfunk der grüne Innen- und Rechtspolitiker Konstantin von Notz.
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