So mancher Politiker in Berlin wünscht sich, dass der jetzige Streit den Auftakt bildet zu einer Diskussion der ganzen Gesellschaft. Schließlich müssen sich alle fragen: Was heißt es eigentlich, menschenwürdig zu sterben?
"Wir haben in den Koalitionsverhandlungen als CDU und CSU darauf gedrungen, dass wir jede Form von Sterbehilfe unter Strafe stellen. Das war bereits mit der FDP in den Koalitionsverhandlungen nicht zu machen. Deshalb haben wir uns einigen müssen auf einen Kompromiss. Jedenfalls haben wir erreicht, dass wir die gewerbsmäßige Sterbehilfe als strafbar ansehen wollen."
Sagt der stellvertretende Fraktionschef der Union, Günter Krings (CDU), über den Kompromiss, der in der kommenden Woche erstmalig im Deutschen Bundestag beraten werden soll. Doch bevor das Gesetz zum Verbot der gewerbsmäßigen Sterbehilfe überhaupt im Plenum zur Aussprache kommt, streiten nicht nur die Unionsparteien und die Freien Demokraten darüber. Auch innerhalb von CDU und CSU gehen die Meinungen auseinander. Stephan Mayer, innen- und rechtspolitischer Sprecher der CSU-Landesgruppe im Deutschen Bundestag, Stephan Mayer meint dennoch:
"Das ist ein Gesetzentwurf, hinter dem sich die CSU schon auch wieder findet."
Doch sein Parteikollege, Johannes Singhammer, stellvertretender Fraktionschef und selbst Jurist, warnt:
"Ich halte das für einen gefährlichen Weg, auf einer abschüssigen Bahn."
Grundsätzlich ist Beihilfe zum Suizid in Deutschland straffrei. Doch es gibt Unterschiede, wer, wann und auf welche Weise einem Anderen helfen darf, sein Leben zu beenden. Mit dem neuen Gesetz soll nun zumindest die gewerbsmäßige Sterbehilfe verboten werden. Für Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger ein überfälliger Schritt:
"Mit der Kommerzialisierung von Sterbehilfeangeboten erreichen wir eine ganz andere Dimension der Sterbehilfe. Das wird dann eine käufliche Dienstleistung und damit befürchten wir, dass das als etwas Normales angesehen wird, was man sich kaufen kann. Das halten wir für sozial- und gemeinwohlschädlich. Deshalb wollen wir dieses Verhalten mit dem schärfsten Schwert, das die Gesetzgebung bietet, nämlich mit dem Strafrecht, eindämmen und verhindern."
Die Bundesjustizministerin will damit auch ausschließen, dass menschliches Leben danach beurteilt wird, ob es wertvoll, noch wertvoll oder nicht mehr wertvoll ist.
"Wenn mit einem Mal nur noch Angebot und Nachfrage wie auf dem freien Markt herrscht, dann fürchte ich schon eine weiter gehende Entwicklung und das halte ich dann für eine Fehlentwicklung und deshalb diese neue Strafbestimmung."
Doch der neue Straftatbestand reicht nach Auffassung der Kritiker nicht aus, um der gewerbsmäßigen Sterbehilfe in Deutschland wirklich einen Riegel vorzuschieben. Der Internist Rudolf Henke, CDU-Bundestagsabgeordneter und Präsident der Ärztekammer Nordrhein-Westfalen, will deshalb weiter gehen:
"Ich halte das für nötig, dass wir in dem Gesetzentwurf jede Form organisierter Suizidbeihilfe unter Strafe stellen. Und zwar deshalb, weil sonst ganz leicht Umgehungstatbestände entstehen."
Henke verweist darauf, dass der Verein "Sterbehilfe Deutschland", dem der frühere Hamburger Justizsenator Roger Kusch vorsteht, nach Bekanntgabe des neuen Gesetzentwurfes im September eilends die Satzung des Vereins geändert habe. Damit habe Kusch erreichen wollen, auch unter der zu erwartenden künftigen Rechtslage weiter arbeiten zu können.
"Für den Fall, dass jemand sich aus dem Verein beim Suizid assistieren lässt, dann alle Mitgliedsbeiträge und alle Spenden, die der vorher in den Verein eingezahlt hat, an ihn beziehungsweise an seine Erben ausgeschüttet werden. Es gibt geradezu noch einen materiellen Anreiz dazu, sich durch einen solchen Verein aus dem Leben helfen zu lassen, weil das ja dann diese Beiträge wieder zu den Erben bringt. Vor diesem Hintergrund muss ich sagen, ist zwar der Versuch der Satzungsänderung nachvollziehbar, weil man sich damit dem Vorwurf entziehen will, man würde das gewerblich betreiben, aber man sieht daran ja, dass es dann in einer organisierten Form womöglich genauso problematisch sein kann, als wenn man es als Geschäft betriebe."
Auch die katholische Kirche verfolgt den Gesetzgebungsprozess mit Argwohn. Der Leiter des Kommissariats der Deutschen Bischöfe in Berlin, Karl Jüsten, verweist ebenfalls auf das Beispiel Kusch:
"Es ist interessant, dass gerade Herr Kusch, dieses Gesetz begrüßt hat. Und er davon ausgeht, dass er sein Treiben unter der jetzigen Rechtslage noch in wunderbarer Weise, vielleicht noch besser weiter führen kann als bisher."
Auch Jüstens evangelischer Kollege, der Bevollmächtigte der Evangelischen Kirche in Deutschland, Bernhard Felmberg kritisiert:
"Wir sehen, dass diese Satzungsänderung Dinge ermöglicht, die nicht ermöglicht werden dürfen. Wir müssen hier ganz klar sagen, dass die gewerbsmäßige Förderung zur Selbsttötung zu verbieten nicht ausreicht."
Doch die beiden christlichen Kirchen stoßen mit ihrer ablehnenden Haltung nicht überall auf offene Ohren in Gesellschaft und Politik: Die FDP kann mit der Aufregung um den jetzigen Entwurf wenig anfangen. Der liberale Bundestagsabgeordnete Michael Kauch glaubt denn auch, dass der Entwurf mit großer Mehrheit im Frühjahr verabschiedet werde. Viele Abgeordnete, so Kauchs Prognose, würden wenigstens für ein Verbot der gewerbsmäßigen Sterbehilfe stimmen, selbst wenn ihnen eine weitergehende Regelung lieber wäre. Für Kauch ist der Entwurf jedoch nur ein erster Schritt in eine ganz andere Richtung. Mit etlichen Parteikollegen will er Sterbehilfe völlig liberalisieren. Vorbild ist für ihn dabei das Ausland:
"Wir haben Modelle im Ausland wie zum Beispiel im US-Bundesstaat Oregon, wo Menschen, die keine Chancen mehr auf Heilung haben, die auch mit Leid mindernder Medizin ihr Symptome nicht in den Griff bekommen, starke Schmerzen haben, dass diese Menschen vom Amtsarzt ein tödliches Medikament bekommen können. Das halte ich persönlich für einen Weg, den man auch in Deutschland sich überlegen sollte."
Karl Jüsten von der katholischen Kirche lehnt das entschieden ab:
"Jede Form aktiver Sterbehilfe weiter auszuweiten und zu betreiben, halte ich für Zynismus. Wir müssen alles daran setzen, dass den Menschen geholfen wird, in schweren Lebenssituationen zu ihrem Lebensglück zu finden. Dass sie eben nicht den Suizid als letzten Ausweg ansehen, um aus einer schweren Lebenskrise heraus zu kommen. Die meisten Suizide in Deutschland verüben Menschen mit schweren Depressionen. Denen muss man helfen und nicht durch Sterbehilfeorganisationen wie Ärzte wie Herr Kusch, sondern durch Begleitung durch Ärzte durch Therapie."
Vermutlich im Dezember findet im federführenden Rechtsausschuss des Bundestages eine Expertenanhörung zur gewerbsmäßigen und geschäftsmäßigen Sterbehilfe statt. So mancher Politiker in Berlin wünscht sich, dass sie den Auftakt bildet zu einer Diskussion der ganzen Gesellschaft. Schließlich müssen sich ja alle fragen: Was heißt es eigentlich, menschenwürdig zu sterben?
Linktipp:
Mehr zum Thema gibt es auch in der ARD Themenwoche 2012 "Leben mit dem Tod".
"Wir haben in den Koalitionsverhandlungen als CDU und CSU darauf gedrungen, dass wir jede Form von Sterbehilfe unter Strafe stellen. Das war bereits mit der FDP in den Koalitionsverhandlungen nicht zu machen. Deshalb haben wir uns einigen müssen auf einen Kompromiss. Jedenfalls haben wir erreicht, dass wir die gewerbsmäßige Sterbehilfe als strafbar ansehen wollen."
Sagt der stellvertretende Fraktionschef der Union, Günter Krings (CDU), über den Kompromiss, der in der kommenden Woche erstmalig im Deutschen Bundestag beraten werden soll. Doch bevor das Gesetz zum Verbot der gewerbsmäßigen Sterbehilfe überhaupt im Plenum zur Aussprache kommt, streiten nicht nur die Unionsparteien und die Freien Demokraten darüber. Auch innerhalb von CDU und CSU gehen die Meinungen auseinander. Stephan Mayer, innen- und rechtspolitischer Sprecher der CSU-Landesgruppe im Deutschen Bundestag, Stephan Mayer meint dennoch:
"Das ist ein Gesetzentwurf, hinter dem sich die CSU schon auch wieder findet."
Doch sein Parteikollege, Johannes Singhammer, stellvertretender Fraktionschef und selbst Jurist, warnt:
"Ich halte das für einen gefährlichen Weg, auf einer abschüssigen Bahn."
Grundsätzlich ist Beihilfe zum Suizid in Deutschland straffrei. Doch es gibt Unterschiede, wer, wann und auf welche Weise einem Anderen helfen darf, sein Leben zu beenden. Mit dem neuen Gesetz soll nun zumindest die gewerbsmäßige Sterbehilfe verboten werden. Für Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger ein überfälliger Schritt:
"Mit der Kommerzialisierung von Sterbehilfeangeboten erreichen wir eine ganz andere Dimension der Sterbehilfe. Das wird dann eine käufliche Dienstleistung und damit befürchten wir, dass das als etwas Normales angesehen wird, was man sich kaufen kann. Das halten wir für sozial- und gemeinwohlschädlich. Deshalb wollen wir dieses Verhalten mit dem schärfsten Schwert, das die Gesetzgebung bietet, nämlich mit dem Strafrecht, eindämmen und verhindern."
Die Bundesjustizministerin will damit auch ausschließen, dass menschliches Leben danach beurteilt wird, ob es wertvoll, noch wertvoll oder nicht mehr wertvoll ist.
"Wenn mit einem Mal nur noch Angebot und Nachfrage wie auf dem freien Markt herrscht, dann fürchte ich schon eine weiter gehende Entwicklung und das halte ich dann für eine Fehlentwicklung und deshalb diese neue Strafbestimmung."
Doch der neue Straftatbestand reicht nach Auffassung der Kritiker nicht aus, um der gewerbsmäßigen Sterbehilfe in Deutschland wirklich einen Riegel vorzuschieben. Der Internist Rudolf Henke, CDU-Bundestagsabgeordneter und Präsident der Ärztekammer Nordrhein-Westfalen, will deshalb weiter gehen:
"Ich halte das für nötig, dass wir in dem Gesetzentwurf jede Form organisierter Suizidbeihilfe unter Strafe stellen. Und zwar deshalb, weil sonst ganz leicht Umgehungstatbestände entstehen."
Henke verweist darauf, dass der Verein "Sterbehilfe Deutschland", dem der frühere Hamburger Justizsenator Roger Kusch vorsteht, nach Bekanntgabe des neuen Gesetzentwurfes im September eilends die Satzung des Vereins geändert habe. Damit habe Kusch erreichen wollen, auch unter der zu erwartenden künftigen Rechtslage weiter arbeiten zu können.
"Für den Fall, dass jemand sich aus dem Verein beim Suizid assistieren lässt, dann alle Mitgliedsbeiträge und alle Spenden, die der vorher in den Verein eingezahlt hat, an ihn beziehungsweise an seine Erben ausgeschüttet werden. Es gibt geradezu noch einen materiellen Anreiz dazu, sich durch einen solchen Verein aus dem Leben helfen zu lassen, weil das ja dann diese Beiträge wieder zu den Erben bringt. Vor diesem Hintergrund muss ich sagen, ist zwar der Versuch der Satzungsänderung nachvollziehbar, weil man sich damit dem Vorwurf entziehen will, man würde das gewerblich betreiben, aber man sieht daran ja, dass es dann in einer organisierten Form womöglich genauso problematisch sein kann, als wenn man es als Geschäft betriebe."
Auch die katholische Kirche verfolgt den Gesetzgebungsprozess mit Argwohn. Der Leiter des Kommissariats der Deutschen Bischöfe in Berlin, Karl Jüsten, verweist ebenfalls auf das Beispiel Kusch:
"Es ist interessant, dass gerade Herr Kusch, dieses Gesetz begrüßt hat. Und er davon ausgeht, dass er sein Treiben unter der jetzigen Rechtslage noch in wunderbarer Weise, vielleicht noch besser weiter führen kann als bisher."
Auch Jüstens evangelischer Kollege, der Bevollmächtigte der Evangelischen Kirche in Deutschland, Bernhard Felmberg kritisiert:
"Wir sehen, dass diese Satzungsänderung Dinge ermöglicht, die nicht ermöglicht werden dürfen. Wir müssen hier ganz klar sagen, dass die gewerbsmäßige Förderung zur Selbsttötung zu verbieten nicht ausreicht."
Doch die beiden christlichen Kirchen stoßen mit ihrer ablehnenden Haltung nicht überall auf offene Ohren in Gesellschaft und Politik: Die FDP kann mit der Aufregung um den jetzigen Entwurf wenig anfangen. Der liberale Bundestagsabgeordnete Michael Kauch glaubt denn auch, dass der Entwurf mit großer Mehrheit im Frühjahr verabschiedet werde. Viele Abgeordnete, so Kauchs Prognose, würden wenigstens für ein Verbot der gewerbsmäßigen Sterbehilfe stimmen, selbst wenn ihnen eine weitergehende Regelung lieber wäre. Für Kauch ist der Entwurf jedoch nur ein erster Schritt in eine ganz andere Richtung. Mit etlichen Parteikollegen will er Sterbehilfe völlig liberalisieren. Vorbild ist für ihn dabei das Ausland:
"Wir haben Modelle im Ausland wie zum Beispiel im US-Bundesstaat Oregon, wo Menschen, die keine Chancen mehr auf Heilung haben, die auch mit Leid mindernder Medizin ihr Symptome nicht in den Griff bekommen, starke Schmerzen haben, dass diese Menschen vom Amtsarzt ein tödliches Medikament bekommen können. Das halte ich persönlich für einen Weg, den man auch in Deutschland sich überlegen sollte."
Karl Jüsten von der katholischen Kirche lehnt das entschieden ab:
"Jede Form aktiver Sterbehilfe weiter auszuweiten und zu betreiben, halte ich für Zynismus. Wir müssen alles daran setzen, dass den Menschen geholfen wird, in schweren Lebenssituationen zu ihrem Lebensglück zu finden. Dass sie eben nicht den Suizid als letzten Ausweg ansehen, um aus einer schweren Lebenskrise heraus zu kommen. Die meisten Suizide in Deutschland verüben Menschen mit schweren Depressionen. Denen muss man helfen und nicht durch Sterbehilfeorganisationen wie Ärzte wie Herr Kusch, sondern durch Begleitung durch Ärzte durch Therapie."
Vermutlich im Dezember findet im federführenden Rechtsausschuss des Bundestages eine Expertenanhörung zur gewerbsmäßigen und geschäftsmäßigen Sterbehilfe statt. So mancher Politiker in Berlin wünscht sich, dass sie den Auftakt bildet zu einer Diskussion der ganzen Gesellschaft. Schließlich müssen sich ja alle fragen: Was heißt es eigentlich, menschenwürdig zu sterben?
Linktipp:
Mehr zum Thema gibt es auch in der ARD Themenwoche 2012 "Leben mit dem Tod".