"Fangen wir einfach mit dem Hauptdarsteller an, hier haben wir das Kabel. Sie dürfen auch gerne mal dranfassen, ist absolut temperaturneutral nach draußen, aufgrund der Isolierung, in Umgebungstemperatur."
Tatsächlich fühlt sich die Oberfläche des etwa armdicken Rohres weder kühl noch warm an. Dabei strömt in seinem Inneren flüssiger Stickstoff bei Minus 207 Grad Celsius. Bei dieser Temperatur werden die aus einer speziellen Legierung gefertigten Kabelstränge im Rohr "supraleitend". Das bedeutet: Der Strom passiert das Kabel faktisch ohne Widerstand. Die Kühlung dafür ist recht aufwendig, erklärt Projektleiter Oliver Sauerbach.
"Wir haben ja zwei Kreisläufe hier, der Stickstoffkreislauf im Kabel ist ein geschlossener Kreislauf, das heißt - da geht nichts verloren."
Bei jedem Umlauf erwärmt sich der Stickstoff ein wenig - um 3 bis 4 Grad. Deshalb kühlt ein zweiter Kreislauf den Stickstoffkreislauf im Kabel. Ein wenig Gas entweicht dabei stets in die Luft, sodass etwa alle drei Wochen ein Tank mit flüssigem Stickstoff nachgefüllt werden muss.
Gekühlt wird auch ein Supraleitender Kurzschlussstrombegrenzer. Das sind drei große Spulen, die das Kabel vor zu starkem Strom schützen. Der entsteht bei einem Kurzschluss und kann das Kabel beschädigen oder zerstören. Außerdem stehen in der kleinen Halle noch Schaltschränke, der Verdampfer, Rohre und ein riesiger Endverschluss für das Kabel. Alles in allem wirkt die Technik recht aufwendig - verglichen mit einer konventionellen Anlage.
"Den Fehler, den man da nicht machen darf, ist ein Stück konventionelles Kabel mit einem Stück supraleitenden Kabel zu vergleichen. Sondern man muss dieses ganze System miteinander vergleichen, inklusive der erforderlichen 110 kV Betriebsmittel."
Nur kleine Änderungen vorgenommen
Betriebsmittel sind Transformatoren, Schaltanlagen, Isolatoren und Leistungsschalter. Je höher die Spannung im Netz ist, desto größer, aufwendiger und teurer sind sie. Der Clou am supraleitenden Kabel ist nun, dass der Strom nur mit 10.000 Volt hindurchfließt, statt mit 110.000, wie sonst üblich; dabei aber genauso viel Leistung verlustfrei transportiert. Dadurch macht es zwei Transformatoren überflüssig, und die übrigen Anlagen fallen deutlich kleiner und billiger aus. Andererseits verbraucht das supraleitende Kabel für die Pumpen Energie - und flüssigen Stickstoff. Trotzdem fällt die Zwischenbilanz positiv aus, so Oliver Sauerbach.
"Wenn wir die Verluste und die elektrische Energie uns ansehen, die wir zum einen vorher hatten mit der 110 kV Kabelverbindung, und die wir jetzt mit der supraleitenden Kabelverbindung haben, dann können wir sagen, dass wir rund 50 Prozent einsparen an Energie."
Ähnlich positiv hat sich in seinen Augen die technische Zuverlässigkeit gezeigt.
"Das Kabel ist zuverlässig in Betrieb, wir haben überhaupt keine elektrischen Störungen da dran."
Nur einige, kleinere Änderungen hätten im Rahmen des Testbetriebs vorgenommen werden müssen - Bohrlöcher verschließen etwa. Das klingt fast zu gut, um wahr zu sein.
"Es ist manchmal so. Ich werde dann oft konfrontiert mit so Fragen, Mensch, jetzt sag mal die Wahrheit, läuft das denn wirklich so gut - ja, es ist so, und - es sind so ein paar Dinge, die wir gerade erwähnt haben, ja? Die wir optimiert haben, aber es läuft stabil."
Bis zum Ende des Jahres läuft das Projekt noch. Danach werden die Beteiligten die Erfahrungen auswerten und entscheiden, ob künftig mehr supraleitende Kabel eingesetzt werden sollen. Kommt es dazu, könnte der Betreiber des Essener Stromnetzes, Westnetz einer Machbarkeitsstudie zufolge, durch einen geschickten Einsatz dieser Technik womöglich auf vier seiner 10 Umspannanlagen verzichten.