Donald Trump macht Druck: Er kündigte in mehreren Interviews an, den Richterposten von Ruth Bader Ginsburg, die am Freitag verstorben war, nach Möglichkeit noch vor der Präsidentschaftswahl am 3. November wiederzubesetzen. Dafür bleibe genügend Zeit, sagte er gegenüber Fox News. Trump will seine Kandidatin für die Nachfolge von Ruth Bader Ginsburg am Freitag oder Samstag bekannt geben – er wolle der prominenten verstorbenen Richterin Respekt zollen und die Trauerfeiern abwarten.
Republikaner wollen Nachfolge regeln
Unterdessen ging der Parteienstreit über die schnelle Nachbesetzung weiter. Donald Trump pocht auf sein Recht als Präsident, die Kandidatin für die Nachfolge zu benennen – dann werde im Senat abgestimmt, in dem die Republikaner die Mehrheit haben. Dieses Verfahren sei nicht zu beanstanden, sagte Trump – die Republikaner hätten vor vier Jahren die Wahl gewonnen, nun hätten sie auch die Pflicht, die Nachfolge möglichst umgehend zu regeln.
Doch das ist nur die rechtliche Seite der Medaille. Die Demokraten erinnern daran, dass die Republikaner vor vier Jahren die Wahl von Obamas Kandidat für die Nachfolge eines verstorbenen Richters verhindert haben – mit dem Argument, acht Monate vor der Wahl habe der Wähler das Recht, auch ein Votum über einen neuen Richter auf Lebenszeit abzugeben. Mitch McConnell, der Mehrheitsführer der Republikaner im Senat, sagte damals, es werde noch nicht einmal eine erste Anhörung geben – der nächste Präsident solle die Entscheidung über die Nachfolge treffen.
Die Nachbesetzung des vakanten Postens erfolgte dann erst in der Präsidentschaft Donald Trumps – weshalb die Demokraten bis heute darüber klagen, dass ihnen die Republikaner einen Richterposten im Supreme Court geklaut hätten. Mitch McConnell will heute von seinem damaligen Votum nichts mehr wissen: Er erklärte, der Senat werde über Trumps Kandidatin abstimmen.
Amy Cony Barrett und Barbara Lagoa gelten als Favoritinnen
Als Favoritinnen gelten derzeit zwei Richterinnen an Bundesberufungsgerichten: Amy Cony Barrett, eine ausgewiesen konservative katholische Juristin, und die Latina Barbara Lagoa aus Miami. Allerdings ist der mögliche Wahlausgang im Senat noch keinesfalls ausgemacht. Die Mehrheitsverhältnisse für die Republikaner sind denkbar knapp – nur vier fehlende Stimmen könnten ein Votum zu Fall bringen, vorausgesetzt bei den Demokraten tanzt niemand aus der Reihe. Zwei republikanische Senatorinnen haben bereits wissen lassen, dass sie unter diesen Umständen nicht mit den Republikanern stimmen werden: Susan Collins aus Maine und Lisa Murkowsky aus Alaska. Damit hätten sie sich erheblich geschadet, erklärte Donald Trump.
Alle Augen sind nun auf diejenigen republikanischen Senatoren gerichtet, die sich vor vier Jahren für die Verschiebung der Richterwahl in die Amtszeit des nächsten Präsidenten stark gemacht hatten - unter ihnen Cory Gardner aus Colorado und Chuck Grassley aus Iowa. Als unsicherer Kantonist gilt auch der ehemalige Präsidentschaftskandidat Mitt Romney. Bei den Demokraten gibt es unterdessen Planspiele, wie im Fall des Falles zu reagieren sei: Falls die Demokraten am 3. November nicht nur die Präsidentschaft gewinnen, sondern auch die Mehrheit im Senat, denken sie daran, die Zahl der neun Richter im Supreme Court kurzerhand zu erhöhen, um das parteipolitische Gleichgewicht im höchsten Gericht wiederherzustellen. Das wäre dann die machtpolitische Antwort der Demokraten auf das nackte Machtkalkül Donald Trumps, wie Joe Biden formulierte.