"Sprich: ‚Betet zu Gott oder zu Rahmân: Bei welchem Namen ihr ihn auch immer ruft, ihm gehören die schönsten Namen."
So lautet der Vers, wenn man die englische Übersetzung von Abdallâh Yûsuf Alî sinngemäß ins Deutsche überträgt.
Etwas anders lautet der Vers in einer englischen Koranübersetzung von 1975, auf deren Umschlag zu lesen ist: "Herzliche Grüße vom Ministerium für Religionsangelegenheit, die Regierung von Pakistan" - dort heißt es: "Sprich: ‚Betet zu Allâh oder zu Rahmân: Bei welchem Namen ihr ihn auch immer ruft, ihm gehören die schönsten Namen.‘"
Ist es richtig, das arabische Wort "Allâh" mit "Gott" zu übersetzen? Oder ist "Allâh" ein Eigenname, der beibehalten werden muss?
Es ist das Argument vorgebracht worden, eine Übersetzung von "Allâh" sei nicht angebracht – schließlich würde man ja auch nicht den Namen "Mohammed” mit "einer, der gepriesen ist" übersetzen. Tatsächlich ist es durchaus möglich, den eingangs zitierten Vers folgendermaßen zu verstehen: Betet zu Allâh oder zu ar-Rahmân – egal, welchen dieser beiden Eigennamen ihr verwendet.
Aber wie das so üblich ist, kann eine Heilige Schrift auf mehr als eine Art interpretiert werden. Möglich ist mithin auch die Bedeutung: Betet zu Gott oder betet zu ar-Rahmân – entweder ihr benutzt einen universellen Namen wie "Gott" oder eine lokale arabische Bezeichnung wie "ar-Rahmân".
Dem Koranausleger al-Qurtubî aus dem 13. Jahrhundert zufolge ist die Mehrheit der Gelehrten der Ansicht, dass es sich bei dem arabischen Ausdruck "Allâh" um eine abgeleitete Bezeichnung handele. Uneinig war man sich, wovon sie abgeleitet ist.
Manche seien der Ansicht, so al-Qurtubî, "Allâh” sei zusammengezogen aus dem Artikel "al" und dem Wort "ilâh". Auf Deutsch würde "Allâh” dann bedeuten: "der - Gott". Andere seien der Auffassung, "Allâh” sei aus "al" und "wilâh" zusammengezogen und bedeute "derjenige, der einen benommen macht und verwirrt”. Schließlich verwiesen einige Gelehrte auf "al" und "lâh", mit der möglichen Bedeutung "der - Hohe".
Vielen Muslimen liegt die Frage sehr am Herzen. Saudi-Arabien förderte den Druck einer modifizierten Koranübersetzung von Abdallâh Yûsuf Alî, in der das ursprüngliche Wort ‚Gott' durch den Eigenamen ‚Allâh' ersetzt wurde.
In Malaysia ist es Nicht-Muslimen verboten, in Veröffentlichungen "Allâh" in arabischen Buchstaben zu schreiben. Ein solcher Besitzanspruch erscheint insofern absurd, als dass der Koran "Allâh" an keiner Stelle als neu offenbarten Namen einführt. Vielmehr geht der Koran davon aus, dass die mekkanischen Heiden - die die ersten Empfänger des Korans sind - schon genau wissen, auf wen sich der Name "Allâh" bezieht.
Zudem dokumentieren vorislamische Inschriften, dass christliche Araber den Begriff "Allâh" als Übersetzung des griechischen Ausdrucks "ho theos" - also "der Gott" – verwendeten. Ferner ist "Allâh" das Wort, das üblicherweise in arabischen Bibeln benutzt wird, wenn im Originaltext "elohim" oder eben "ho theos" steht.
In der Vergangenheit pflegten christliche Autoren zu sagen, Muslime beteten Allâh an. Sie wollten damit zum Ausdruck bringen, dass Muslime irgendeiner nicht recht verstandenen Gottheit dienten, die dem Schöpfergott der Christen und Juden unterlegen sei. Jüngst wurde ein Fakultätsmitglied des Wheaton College, einer prominenten evangelikalen Hochschule in den USA, suspendiert, weil es erklärt hatte, Christen und Muslime beteten zum selben Gott.
Umgekehrt beharren aber auch muslimische Autoren häufig darauf, sie würden Allâh anbeten, womit sie einen genau entgegengesetzten Anspruch markieren: nämlich dass sie den Eigennamen des Schöpfers kennen würden, wohingegen Christen und Juden eine falsch verstandene, unterlegene Gottheit anbeteten.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Übersetzung von "Allâh" mit "Gott" einer universalistischen Haltung entspricht, einer, die von der Ähnlichkeit und Vergleichbarkeit der Weltreligionen ausgeht. Dagegen entspricht die Beibehaltung des Begriffs "Allâh" als Name einer exklusivistischen Haltung, welche die Unähnlichkeit der Religionen betont.
Aus der Perspektive eines Wissenschaftlers und Historikers neige ich dazu, die Übersetzung "Gott" zu bevorzugen.
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