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Sure 17 Vers 44
Anstoß zu einer islamischen Umwelt-Ethik

Fromme Muslime würden weder Blätter noch Blumen pflücken, um nichts Geschaffenem die Möglichkeit zu nehmen, Gott zu loben, erklärt unsere Autorin Dr. Sarra Tlili. Sie würden auch Tieren nicht ins Gesicht schlagen. Der Koran spreche nicht-menschlichen Wesen die Fähigkeit zum Gotteslob zu und habe damit eine Art islamische Umwelt-Ethik angestoßen.

Von Dr. Sarra Tlili, University of Florida, Gainesville, USA |
    "Es lobpreisen ihn die sieben Himmel und die Erde und wer darinnen ist. Es gibt nichts, was nicht sein Lob preist. Aber ihr versteht ihren Loppreis nicht."
    Die Zusicherung des Korans, "es gibt nichts, was nicht sein Lob preist", hat verschiedene Auffassungen von der nichtmenschliche Welt hervorgerufen. Laut dem Vers sind sich nichtmenschliche Kreaturen einschließlich unbeseelte Wesen Gottes irgendwie bewusst. Das scheint zu implizieren, dass alles Geschaffene mentale und emotionale Fähigkeit hatGeschöpfen.
    Die Sendereihe Koran erklärt als Multimediapräsentation
    Diese Darstellung steht im Widerspruch dazu, wie Menschen viele nichtmenschliche Wesen erleben. Um diese Spannungen aufzulösen, entschieden sich einige Koran-Kommentatoren für eine bildliche Lesart des Verses. Demnach preisen nichtmenschliche Wesen Gott in dem Sinne, dass sie als Zeichen seiner Existenz und seiner Eigenschaften, die Menschen dazu inspirieren, realen göttlichen Lob zum Ausdruck zu bringen.
    Indem diese Kommentatoren nichtmenschlichen Wesen eine passive Rolle zuordnen, begrenzen sie mit ihrem Ansatz die Wirklichkeit der Welt auf das, was sich Menschen vorstellen und erleben können. So wird die Zuverlässigkeit des menschlichen Verstands und der menschlichen Sinne gewahrtgesehen.
    Sarra Tlili sitzt auf einem Sessel vor eine Bücherregal.
    Dr. Sarra Tlili ist Assistant Professor an der University of Florida. Ihre Forschungsschwerpunkte sind der Koran und Tiere im Islam. (priv. )
    Andere Koran-Kommentatoren ordneten derweil die Fähigkeit, verbalen Lob zu artikulieren, allen lebenden Wesen zu - also auch Tieren und Pflanzen. Nur unbeseelte Wesen schlossen sie aus dem Kreis der aktiven Gottesverehrer aus.
    Eine dritte Gruppe von Koran-Kommentatoren bestand dagegen auf eine buchstabengetreue Lesart. Sie bekräftigte, dass der gesamte Kosmos Gott aktiv und verbal lobpreist. Aus dieser Perspektive kann man sich die gesamte nichtmenschliche Welt als pulsierend vor lauter Leben und Emotionen vorstellen, wenngleich in einer Form, die weitgehend außerhalb der menschlichen Erfahrungen und des menschlichen Verstandes bleibt.
    Ungeachtet der sich jeweils widersprechenden Interpretationen begünstigte das Motiv der nichtmenschlichen Kreaturen, die Gott preisen, wohlwollende Haltungen zur nichtmenschlichen Welt. Das Motiv wurde zu einem der wichtigsten Grundprinzipien für das, was man vielleicht islamische Umweltethik nennen könnte. Seine Wirkung erreichte es vor allem dadurch, dass Gefühle von Verwandtschaft und Verbundenheit mit nichtmenschlichen Wesen genährt werden. Das Motiv hat somit eine integrative Funktion. Es versucht, die Menschheit inmitten des Rests der Schöpfung zu platzieren.
    So wird der Respekt gegenüber den Mitgeschöpfen gestärkt. Muslime werden gelehrt, zu nichtmenschlichen Wesen aufzuschauen - nicht als etwas Göttliches, das wie in animistischen Traditionen angebetet wird, sondern eher als Vorbild, von dem man lernen kann, wie man Gott richtig anbetet. Zum Beispiel interpretieren Muslime das typische Kopfbeugen des Wiedehopfs als Ehrerbietung gegenüber Gott.
    Die Wirkung des Motivs der nichtmenschlichen Kreaturen, die Gott preisen, reicht bis zur konkreten Ebene. Überlieferungen des Propheten Mohammed lassen erkennen, dass lebende Kreaturen ein Recht auf Leben und rücksichtsvolle Behandlung haben wegen ihrer Hingabe an Gott. So berichtete Mohammed etwa, dass Gott den Propheten eines früheren Volkes tadelte, weil dieser einen Ameisenbau zerstört habe, wo doch die Ameisen Gottes Lob preisen. Mohammed lehrte die Muslime ferner, Lasttiere nicht unnötig schwer zu beladen, da diese Gottes häufig gedenken. Ebenso ist es Muslimen verboten, Tieren ins Gesicht zu schlagen, da sie alle Gott verehren. Der Respekt wird sogar auf Pflanzen und unbeseelte Geschöpfe ausgedehnt.
    Fromme Muslime würden es zum Beispiel unterlassen, Blätter von Bäumen zu zupfen oder Blumen zu pflücken, um nichts Geschaffenem die Möglichkeit zu nehmen, Gott zu loben. Sie würden ebenso davon absehen, irgendein Objekt zu verfluchen oder verächtlich zu machen, aus Angst davor, etwas Geschaffenes zu verurteilen, das Gott verehrt.
    Bei der Audioversion handelt es sich um eine aus Sendezeitgründen leicht gekürzte Version.