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Sure 2 Vers 138
Taufe und Beschneidung bei Jungen

Der Koran verurteilt den theologischen Streit zwischen Juden und Christen. Er verfolgt regelrecht ein anti-sektiererisches Programm. Wichtig dabei ist Abraham, der seinen Bund mit Gott durch Beschneidung besiegelte. Oder alternativ die Taufe bei den Christen. Aber wie es mit dem Muslimen?

Von Dr. Hamza Mahmood Zafer, University of Washington, Seattle, USA |
    "Die Farbgebung [sibgha] Gottes. Wer hätte eine bessere Farbgebung als Gott. Ihm dienen wir."
    Traditionell verstehen Sunniten und Schiiten den Koran so, dass Gott zu seinen Boten spricht. Der Koran macht sich aber auch Stimmen zu eigen, die nicht zu Gott gehören, und die an andere Adressaten gerichtet sind.
    Die Sendereihe Koran erklärt als Multimediapräsentation
    Immer wieder wechselt er zwischen drei verschiedenen Stimmen: der Gottes, der der Gesandten unter den Menschen und Engeln sowie der von Kollektiven wie Gemeindemitgliedern oder Außenstehenden. Für letzteres ist der eingangs zitierte Vers ein Beispiel.
    Hamza M. Zafer mit strahlendem Lächeln. 
    Koranforscher Hamza Zafer arbeitet als Assistant Professor am Stroum Center for Jewish Studies der University of Washington. (priv. )
    Der nachfolgende Vers wechselt zu einer anderen Stimme, entweder der Gottes oder der der Engels-Boten. Adressat ist nun der Prophet Mohammed, an den die Aufforderung ergeht:"Sag: ‚Wollt ihr mit uns über Gott streiten? Er ist doch unser und euer Herr‘."
    Offensichtlich sind die Adressaten hier nicht die Mitglieder der Gemeinde des Propheten. Der Kontext, in dem dieser Vers steht, macht verschiedene andere Kollektive als Empfänger solcher Mahnungen möglich - vor allem die Israeliten (banû Isrâā’îl), Judäer (al-yahûd) und Nazarener (al-nasâra). In späteren Publikationen werden sie oft zusammenfassend als "Leute des Buchs" oder "Buchbesitzer" (ahl al-kitâb) bezeichnet. Damit ist gemeint, dass Gott ihnen schon vor dem Koran eine Heilige Schrift offenbart hatte.
    Judäer und Nazarener in der westarabischen Welt zur Zeit der Entstehung des Korans am Anfang des 7. Jahrhunderts hatten wenig gemein mit den heutigen Repräsentanten von Judentum und Christentum. Verschiedene Sekten wetteiferten damals um Konvertiten und dogmatische Positionen.
    Der eingangs zitierte Vers 138 gehört nun zu einer Sure, die dieses konfessionelle Umfeld besonders lebendig beschreibt. In Vers 113 heißt es etwa: "Die Juden sagen: 'Die Christen entbehren (in ihren Glaubensanschauungen) der Grundlage.' Und die Christen sagen: 'Die Juden entbehren der Grundlage.' Dabei lesen sie doch (in gleicher Weise) die Schrift." Der Koran macht hier solche Dispute über Dogmen per se als Problem aus und tritt gegen Sektierertum auf (siehe auch 2:137; 2:120, 2:135, 2:145).
    Wichtiges Symbol für die anti-sektiererischen Bemühungen ist die Figur des Abraham, die sowohl Jesu als auch Mose vorausgegangen war. Ein Aspekt der Darstellung Abrahams in der Genesis - dem 1. Buch Mose in der Bibel - zog besonderes interpretatorisches Interesse auf sich: seine Beschneidung und die seines Sohns als Ritual für den Eintritt in einen Bund mit Gott.
    Die textlichen und materiellen Zeugnisse aus der Zeit und aus der Region, in der der Koran entstand ist, belegen, dass die Entfernung der männlichen Vorhaut bei fast allen Konfessionen als Eintrittsritual verbreitet war. Alternativ gab es die Taufe, da laut dem Apostel Paulus die wahre Beschneidung nicht am Fleisch sondern durch Taufe am Herzen vollzogen wird.
    Überraschend ist, dass der Koran trotz klarer Bezüge zu den Dogmen der anderen Konfessionen keine Bestimmungen über ein Ritual enthält, mit dem man in den Schoß der Gemeinde gelangt. So wurde das einfache Aussprechen einer Lobpreisung zum Eintrittsritual in die verschiedenen islamischen Strömungen. Sie lautet: "Es gibt keinen Gott außer Gott und Mohammed ist sein Gesandter."
    In der gelebten Praxis der Muslime jedoch sind Beschneidung (khatna) oder Taufe beziehungsweise Ganzkörperwaschung (ghusl al-istislāâm) bei Konversionen nie verschwunden, auch wenn sie weder als bedeutsam für das Erlangen des Heils noch als verpflichtend erachtet werden.
    Der eingangs zitierte Vers ist vielleicht der einzige metaphorische Bezug zu diesem Thema im Koran. Denn der ominöse Begriff "Farbgebung" (sibgha) wurde im 6. und 7. Jahrhundert im Nahen Osten häufig gebraucht, um die Beschneidung oder die Taufe als Akt der Aufnahme in die Glaubensgemeinschaft Gottes zu benennen.
    Dass Sure 2 Vers 138 Teil eines anti-sektiererischen Programms im Koran ist, belegt schließlich Vers 135: "Und sie sagen: ‚Ihr müsst Juden oder Christen sein, dann seid ihr rechtgeleitet.‘ Sag: Nein! (Für uns gibt es nur) die Religion (milla) Abrahams".
    Die Audioversion wurde aus Gründen der Sendezeit leicht gekürzt.