"Diejenigen, die ihr Vermögen um Gottes willen spenden und dann dem, was sie gespendet haben, weder Vorhaltungen noch Beleidigungen folgen lassen, haben ihren Lohn bei ihrem Herrn. Sie haben nichts zu befürchten und sie werden nicht traurig sein. Freundliche Worte und Verzeihen sind besser als ein Almosen, dem Beleidigungen folgen. Gott ist reich und milde."
Diese beiden Verse handeln von der Ethik des Spendens und der Wohltätigkeit. Als Anlass für ihre Offenbarung wird in den Quellen der Koranexegese auf die Prophetengefährten ʿUthman Ibn ʿAffân und ʿAbd al-Rahmân Ibn ʿAuf verwiesen. Im Trachten nach dem Wohlgefallen Gottes entrichteten sie eine großzügige Spende und erlangten damit zugleich die Zufriedenheit und das Bittgebet des Propheten.
Die besagten Verse garantieren denjenigen Lohn, die ihren Besitz allein um Gottes Wohlgefallen willen ausgeben, ohne zu prahlen oder die Gefühle der Spendennehmer zu verletzen. Der Lohn besteht den Exegeten zufolge darin, dass die Gläubigen weder den Tod, die Zeit im Grab noch die harte Abrechnung am Jüngsten Tag zu fürchten haben. Göttliche Gaben seien ihnen sicher. Auch brauchten sie sich keine Sorgen um ihre Hinterbliebenen zu machen.
Selbst wenn diese Passage aufgrund eines spezifischen Anlasses in Bezug auf bestimmte Personen oder Umstände offenbart wurde, spricht Gott mit der Bedeutung dieser Verse trotzdem alle Muslime an. Die Methodologie der Koranexegese kennt nämlich einen wichtigen Grundsatz. Er lautet: "Der spezielle Anlass einer Bestimmung ist kein Hindernis für ihre Allgemeingültigkeit".
Einen hohen Wert misst die Koran-Passage der Geisteshaltung des Spenders bei. Sie deutet auf unethische Verhaltensweisen hin, die beim und nach dem Spenden unbedingt vermieden werden sollen.
Laut den Exegeten gehört hierzu jeder Akt, der dem Spendennehmer ein Schuld- oder Unterlegenheitsgefühl vermittelt - zum Beispiel dadurch, dass man mit der eigenen Wohltätigkeit prahlt, sie dem Bedürftigen vorhält, auf seinen Verdienst pocht, eine Gegenleistung erwartet oder sich herablassend gegenüber dem Spendennehmer verhält. Dies alles kann sowohl durch Worte und Handlungen, aber ebenso durch Andeutungen erfolgen.
In der Koran-Auslegung der islamischen Mystiker, der Sufis, wird oft darauf hingewiesen, dass man sich beim Spenden stets des wahren Eigentümers aller Dinge bewusst sein solle, anstatt sich aufzuspielen. Letzten Endes gebe man ja nur von dem, was eigentlich Gott gehört.
Kann jemand ein solches Fehlverhalten nicht vermeiden, sollte er besser von einer Spende absehen. Stattdessen sollte er freundliche Worte an den Bedürftigen richten, ihn mit seinen Aussagen nicht verletzen, für ihn Bittgebete sprechen und dessen Zustand nicht dritten Personen preisgeben. Dies sei besser als ein Almosen, welches durch die Kränkung des Gegenübers verdorben werde, heißt es. Der Prophet Mohammed habe bekanntlich gesagt, ein gütiges Wort, ein freundliches Lächeln oder das Beseitigen eines Hindernisses vom Weg gelten als Almosen.
Vers 263 schließt mit dem Hinweis auf zwei Eigenschaften Gottes. Zum einen wird er als "reich" beschrieben. Damit wird laut den Exegeten betont, dass er selbstgenügend ist. Er ist nicht auf Spenden angewiesen, da ihm ohnehin alles gehört. Zum anderen wird Gott als "mild" charakterisiert. Das heißt, er ist nachsichtig und langmütig. Er hat keine Eile, diejenigen zu bestrafen, die ihre Wohltaten durch Vorhaltungen und Beleidigungen verderben. Er gibt den Menschen Zeit, ihre Verfehlungen zu bereuen.