"Männer sind die Versorger [qawwâmûn] der Frauen, weil Gott die einen vor den anderen ausgezeichnet hat und weil sie von ihrem Vermögen hingeben. Rechtschaffene Frauen sind demütig ergeben [qânitât] und geben Acht auf das, was verborgen ist, weil Gott darauf Acht gibt. Und jene Frauen, von denen ihr Widerspenstigkeit befürchtet, tadelt sie, verbannt sie in ihre Betten und schlagt sie [oder meidet sie; adribûhunna]! Und wenn sie euch gehorchen, benehmt euch ihnen gegenüber keinesfalls schlecht. Gott ist erhaben und groß."
Eine Mehrheit der vormodernen männlichen Korankommentatoren betrachtet es als selbstverständlich, dass mit dem arabischen Wort "qawwâmûn" im ersten Satz dieses Verses generell gemeint sei, Männer hätten die Vormundschaft über Frauen.
Ferner erwarten diese Kommentatoren von einer rechtschaffenen Ehefrau, dass sie ihrem Mann gehorsam ist. Sollte sie dennoch ungehorsam sein, dürfe sie der Ehemann zunächst tadeln. Wenn das nicht helfe, dürfe er den ehelichen Umgang mit ihr stoppen. Sollte auch das nicht helfen, um ihr Verhalten zu ändern, dürfe er sie symbolisch etwa mit einem Zahnhölzchen schlagen. In einem Punkt sind sich nämlich alle Ausleger des Korans einig: Ein Ehemann darf seiner aufbegehrenden Ehefrau keine körperliche Schäden oder Verletzungen zufügen.
In der Neuzeit wird die traditionelle Auslegung in Frage gestellt und vor allem von feministischen Wissenschaftlerinnen wieder thematisiert. Sie argumentieren typischerweise, dass der Vers auf die funktionell übergeordnete Rolle des Ehemanns verweise - und das auch nur, solange dieser finanzieller Versorger seiner Familie sei. Sollte die Frau diese Rolle einnehmen, was sie in der modernen Welt häufig tue, liege auch die Versorgung [qiwâma] der Familie bei ihr. Eine grundsätzliche Überlegenheit von Männern ist somit nicht gemeint.
Der arabische Begriff "qânitât", der in dem Vers gebraucht wird, kann im Sinne von "gehorsame", "demütig ergebene" Frauen übersetzt werden. Dabei geht es allerdings nicht um den Gehorsam gegenüber anderen Menschen, sondern gegenüber Gott. Die grammatikalisch männliche Form des Begriffs ("qânitûn") wird nämlich im Koran für alle Geschöpfe benutzt, die Gott aufrichtig verehren.
Wenn sich vormoderne männliche Exegeten nun bewusst dazu entscheiden, "qânitât" als den Gehorsam der Ehefrau gegenüber ihrem Ehemann statt gegenüber Gott zu verstehen, projizieren sie ihr eigenes kulturelles Verständnis von patriarchalen Familienstrukturen in diesen Vers.
Für die größte Aufregung sorgt jedoch ein Verb, das von der arabischen Wortwurzel "dâ - râ - bâ" abgeleitet und hier mit "schlagen" übersetzt ist. Im Arabischen wird die Grundform eines Wortes als Verb in der 3. Person Einzahl männlich angegeben. Sie besteht dann aus drei Buchstaben – den sogenannten Radikalen. Sie werden zusammengehalten durch Vokale - in diesem Fall durch das "a".
Feministische Exegetinnen unter den Muslimen fragen heute: Seid ihr sicher? Ein immens gerechter und grenzenlos gütiger Gott soll eine Tat nicht sanktionieren, selbst wenn sie körperliche Gewalt gegen Frauen auch nur andeutet?
Ihre Antwort ziehen sie aus der vielschichtigen Bedeutung der arabischen Wortwurzel "dâ - râ - bâ". Neben "schlagen" kann sie "vermeiden" oder "jemanden meiden" bedeuten. Einem solchen alternativen, von Feministinnen bevorzugten Verständnis zufolge ruft der Vers den Ehemann lediglich dazu auf, seine aufbegehrende Ehefrau allein zu lassen.
Diese Neuinterpretation geht d’accord mit dem, was man vom Umgang des Propheten Mohammed mit seinen Ehefrauen weiß. Bekanntermaßen hat er sie niemals geschlagen oder auch nur barsch angesprochen.
Die Audio-Version musste aus Gründen der Sendezeit leicht gekürzt werden.