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Sure 90 Verse 11-13
Der Koran und die Sklaverei

Als der Koran entstand, war die Versklavung von Menschen noch Normalität. Wie geht die Heilige Schrift des Islams damit um? Was bedeuten die Verse heutzutage? Manche Muslime sagen, der Koran habe die Sklaverei abgeschafft, doch sie bestand noch viele Jahrhundert fort.

Von Prof. Dr. Bernard Freamon, Seton Hall University, South Orange, USA |
    "Doch er bezwang den mühsamen Weg nicht. Und was lehrt dich wissen, was der mühsame Weg ist? Es ist die Befreiung eines Sklaven."
    Diese Verse stammen aus der Sure "al-Balad" - zu deutsch: "Das Land" oder "Die Stadt". Es handelt sich um ein kurzes Kapitel, das dem Propheten Mohammed den meisten Darstellungen zufolge in den frühen Tagen seiner prophetischen Mission offenbart wurde.
    Die Sendereihe Koran erklärt als Multimediapräsentation
    Die Sure beschäftigt sich allgemein mit dem Menschsein und den ethischen Verpflichtungen eines Gläubigen, der mit den Widrigkeiten des Alltags in einer Stadt - in diesem Fall Mekka - konfrontiert ist. Dazu gehören Stress, Mühsal und Erniedrigung. Die Sure macht deutlich, dass ein Leben unter solchen Umständen dem Gläubigen zwei Wege eröffnet – einen einfachen und einen schwierigen. Der fromme, der wahre Gläubige aber wird den schwierigeren wählen. Und dieser Weg erfordert es, dass Mann oder Frau verschiedene Dinge tut - zum Beispiel einen Sklaven freilassen.
    Bestimmungen des Korans losgelöst vom Kontext zu analysieren, ist gefährlich und irreführend. Um die vollständige Bedeutung von Versen zu erfassen, sollten daher generell Kapitel vollständig gelesen werden.
    Freamon im Porträt
    Professor Bernard Freamon ist Rechtswissenschaftler mit Schwerpunkt Islamisches Recht und hat sich intensiv mit dem Thema Sklaverei befasst. (priv.)
    An dieser Stelle gibt es jedoch keinen Zweifel: Der Koran befürwortet die Emanzipation von Sklaven und erklärt deren Umsetzung zur ethischen Pflicht für Muslime. Entsprechend fährt die Sure in Vers 18 mit der Verkündung fort, Muslime würden dadurch zu sogenannten "Gefährten der rechten Hand" und am Tag des Jüngsten Gerichts belohnt.
    Die hier erläuterten Verse sind eine von mindestens 28 zentralen Stellen im Koran über die Sklaverei. Sie sind die frühesten und vielleicht auch anschaulichsten Aussagen Gottes dazu. Sie legen dar, was zur eindeutigen islamischen Haltung zum Problem der Sklaverei geworden ist.
    Diese Haltung, die ich als "pietistischen Egalitarismus" beschreibe, geht unmissverständlich von der theologischen Gleichheit der Sklaven aus. Sie verlangte von den damaligen Muslimen, sich im Rahmen ihrer Bewusstheit beziehungsweise ihres Bewusstseins Gottes (Frömmigkeit) dafür einzusetzen, die Lasten, Erniedrigungen und Demütigungen, denen Sklaven ausgesetzt waren, zu erleichtern und ihre Befreiung zu bewirken.
    Der Koran, der diese Mission in anderen Versen weiter vorantreibt, ermutigt daher zur Heirat von Sklaven und freien Menschen. Er schreibt vor, dass Sklaven zwingend Empfänger islamischer Wohltätigkeit seien. Er erklärt, dass Sklaven in jeglichen Lebensbereichen einen menschlichen Umgang verdienten. Und gemäß mindestens einer Auslegungsschule erklärt der Koran, dass Sklaven beim gesetzlichen Schutz vor Tötungsdelikten wie freie Menschen zu behandeln seien.
    Entgegen der weit verbreiteten Vorstellungen auch unter vielen modernen Muslimen hat der Koran die Sklaverei allerdings nicht abgeschafft. Auch wenn er den Sklavenhandel nicht ausdrücklich billigt, erkannte er wie Tora und Bibel die Sklaverei als Tatsache des sozialen und ökonomischen Lebens zur damaligen Zeit der Offenbarung an.
    Obwohl er also das Institut der Sklaverei nicht beseitigt, verkündet der Koran dennoch nachdrücklich und unmissverständlich eine neue Einstellung zu Sklaven. Eine Einstellung, die von Muslimen fordert, das gesellschaftliche Stigma der Sklaverei zu tilgen und, wann immer es die geht, Sklaven zu befreien.
    Vielen modernistischen Interpretationen zufolge musste diese Haltung, die ich als "pietistischen Egalitarismus" beschrieben habe, automatisch zum Verschwinden der Sklaverei in muslimischen Gemeinschaften führen.
    Die in dieser Sendung erläuterten Verse sind vielleicht das beste Beispiel für den koranischen Appell an die Muslime, diese Haltung zu übernehmen.
    Die Audioversion musste aus Sendezeitgründen leicht gekürzt werden.