Die alten Holzdielen im Wohnzimmer knirschen, ein Fenster steht weit offen: saftige Wiesen, schattiger Waldrand. Ländlich und lauschig. Das Klack-Klack von Pferdehufen auf dem Asphalt vor dem Haus amüsiert Susana Sawoff.
"Ja, es ist sehr idyllisch hier. Schau! Mit Cowboyhüten und allem drum und dran."
Drei Dorfbewohner reiten in die kühle Wald-Dämmerung von Dult, einem Ortsteil der 7.000 Einwohner kleinen Marktgemeinde Gratkorn in der Steiermark - 20 Autominuten nördlich von Graz. Susanna Sawoff ist zu Besuch bei ihren Eltern - gegenüber dem Kachelofen steht ihr Instrument.
"Da ich zu sehr nomadisch lebe, habe ich meinen alten Flügel hier im Wohnzimmer stehen lassen. Den habe ich aber sehr gerne. Den habe ich mal geschenkt bekommen. Das ist ein alter Gaul, aber er ist wunderschön. Wiener Technik. Er klingt halt schön. Er klingt so weich."
Susanna Sawoff ist 1980 geboren, macht 2006 in Graz ihren Magister in Spanisch, Amerikanistik und Anglistik. Nach dem Studium widmet sie sich professionell der Musik. Erst im Alter von 32 Jahren erscheint ihr Solo-Debüt, instrumentiert als klassisches Jazz-Trio: Bar-Piano, Kontrabass und Besen-Schlagzeug. ´Wrapped Up In A Little Sigh', der Titel des Albums umschreibt die Musik ganz gut: kleine Seufzer großer Leidenschaft, Pop mit den Mitteln des Jazz.
Bevor Susana Sawoff den Jazz für sich als Solokünstlerin entdeckt, treibt sie den Pop auf die Spitze: Mit ihren zwei älteren Schwestern gründet sie eine Art Riot-Girl-Band: skandierende Gesänge und von pulsierenden Synthesizern getragene Rhythmen. Power und Plastik, Glitzer und Glamour. 2010 erscheint mit ´For our Sanity' das Debütalbum von "Sawoff Shotgun":
"Mir gefallen so viele verschiedene Musikrichtungen, aber man muss bei dem bleiben. Nicht, was man am besten kann, um das geht es gar nicht so sehr, sondern was man am meisten ist."
Die drei Sawoff-Schwestern wachsen in einer musikalischen Familie auf: Ihre Mutter hat den spanischen Flamenco im Blut, ihr Vater spielt leidenschaftlich Gitarre.
"Jeder hat irgendein Instrument gespielt, es ist immer schon gesungen worden. Es gibt Aufnahmen von uns, wo wir noch nicht mal ordentlich sprechen können und wir singen schon dreistimmige Lieder. Das gibt es auf Kassette, tatsächlich."
"Manchmal ärgere ich mich jetzt, weil meine Eltern waren zu nett und haben mich nie zum Üben gezwungen. Ich wäre gerne eine bessere Pianistin, aber das ist schon o.k. Ich bin ja auch eine Sängerin, die Klavier spielt. Ich würde nie sagen, dass ich eine Pianistin bin, ich bin eine Klavierspielerin. Und hauptsächlich bin ich eine Sängerin. Singen war schon immer da."
Und ja, es ist der Gesang, der die Kompositionen von Susanna Sawoff so eindringlich und intim macht - kein Jazz-Exzess, sondern swingende Popmusik.
"Ich mag diese Songstruktur, ich mag dieses Einfache und ich mag diesen Fokus auf den Text und auf Wörter - also ich bin ja ein Wortklauber."
Das Spiel mit Wortbedeutungen in simplen Songs voller Liebe und auch ein wenig Leiden - mal mit bleierner Melancholie, mal mit federnder Euphorie, oder gleich beides zusammen.
Das zweite Solo-Album von Susana Sawoff ist nun mehr als ein leises Seufzen. "Bathtub Rituals" klingt nach Musik gewordenen Tagebuchnotizen einer talentierten Musikerin mit faszinierender Stimme. Sie fackelt kein Musik-Spektakel ab, sondern zelebriert großartigen Jazz-Pop.
Seit ein paar Jahren wohnt Susana Sawoff in Hamburg. Vor allem im Sommer kehrt sie gerne zu Besuch in ihre südländisch warme Heimatstadt Graz zurück, die mit 300.000 Einwohnern zweitgrößte Stadt in Österreich.
"Manche Leute bleiben ja ganz bewusst in Österreich oder Graz, weil sie halt gerne ein großer Fisch in einem kleinen Teich sind. Und ich bin eher viel viel lieber ein kleiner Fisch in einem großen Teich. Weil ich mich gerne international bewege. Auch wenn mich keiner kennt, aber ich bewege mich zumindest. Und manche wollen hier so lokal Großbonzen sein. Das interessiert mich gar nicht, in der Heimatstadt als Queen gefeiert zu werden."
Susana Sawoff spaziert durch die sommerlichen Gassen und schwärmt von dem großen Gefühl, auf der Bühne zu stehen - von den Momenten, wenn ihre Musik und das Publikum eins werden.
"Es gibt so einen Song, den wir meistens als Zugabe spielen. Da pfeift das ganze Publikum mit und das ist immer sehr lustig. Das ist ein Coversong, ´Sixteen Tones' heißt der, aus den 50er Jahren, von Ernie Tennessee Ford, das ist eine Swing-Nummer."
Der Fluss Mur rauscht durch die Grazer Innenstadt. Im Sonnenlicht blitzen die Oberflächen futuristischer Bauten. Es bricht sich in der verfallenen Architektur vergangener k.u.k-Monarchie. Finger schnippend pfeift Susana Sawoff diese aus der Zeit gefallene Melodie. Einfach so, wie schön!
"Gibt nicht so viel her!"