Noch dreht sich das Karussell, aber es eiert. Die Welle der FIFA-eigenen Suspendierungen macht zwei Präsidentschaftsanwärter erst einmal handlungsunfähig: Neben UEFA-Boss Michel Platini ist das der südkoreanische Präsidentschaftskandidat Chung Moong Joon. Er wurde gleich für ganze sechs Jahre freigestellt. Der Vorwurf: Verstöße gegen vier Artikel des FIFA-Ethikcodes im Zusammenhang mit Südkoreas gescheiterter Bewerbung für die WM 2022. Chungs Angaben zufolge, wurde der Fall schon vor Jahren zu den Akten gelegt. Er vermutet eine Kampagne gegen seine Kandidatur.
Ebenso Michel Platini. Der große Hoffnungsträger vieler europäischer Funktionäre. Gefragt nach Platinis Vorzügen schwärmte der österreichische Verbandschef Leo Windtner noch im Sommer im Deutschlandfunk: "Ich glaube, dass er auf der FIFA-Ebene sicherlich dafür sorgen wird, dass eine neue Ära einkehrt, die von Vertrauen, Transparenz gekennzeichnet ist."
Niersbach: "Müssen Situation neu bedenken"
Das dürfte sich jetzt erledigt haben. Noch ist nicht klar, was aus Platini wird: Noch am Vormittag hatte der Franzose die erforderlichen Unterlagen für eine Präsidentschaftskandidatur eingereicht. Als gesperrter Funktionär wäre ihm das schon kurz darauf verboten gewesen. Frankreichs ehemaliges Fußball-Idol gab schon vor seiner Suspendierung eine Erklärung heraus. Darin vermutet er, man wolle ihn von Verbandsseite beschädigen. Ins Visier der Ermittler geriet Platini wegen einer dubiosen Zwei-Millionen-Franken-Zahlung von Sepp Blatter.
Bis jetzt wurde Platini auch vom deutschen Verband gestützt. DFB-Präsident Wolfgang Niersbach heute Nachmittag:
"Wir müssen die neue Situation bedenken. Vor allen Dingen muss er selber, denke ich, entscheiden, ob er mit dieser Belastung die Kandidatur aufrecht erhalten kann."
Man werde sich schnellstmöglich in der UEFA beraten. Der DFB lässt Platini also bisher noch nicht offiziell fallen. Doch dass sich ein von der FIFA bis Anfang Januar gesperrter Funktionär im Februar zum Präsidenten wählen lassen wird - zumindest für Außenstehende undenkbar. Und - das gesteht sich auch der DFB-Präsident Wolfgang Niersbach ein: "Dann ist das natürlich ein schwerer Rucksack, den er da mit einbringt."
Mit Blatter und Platini sind zwei große Namen im Personalkarussell des Weltfußballs erst einmal weg. Der Präsidentschafts-Wahlkampf völlig durchgemischt.
Das ganze Gerüst wackelt und bröckelt mehr denn je
Und was kommt nach? Auf den vakanten Chefsesseln in FIFA und UEFA nehmen erst einmal zwei Männer Platz, die selbst einige Fragen aufwerfen.
Nach FIFA-Reglement übernimmt den Chefsessel im Weltverband der Chef des afrikanischen Fußballverbandes Issa Hayatou. Der Kameruner ist der dienstälteste FIFA-Vize. Er dürfte die FIFA kaum in eine komplett neue Richtung lenken: Hayatou hat selbst keine weiße Weste. Er soll im Zusammenhang mit der WM-Vergabe aus dem Wüstenstaat Katar eine Millionenzahlung angenommen haben. Sein Name tauchte vor Jahren auch schon im Schmiergeldskandal um den Sport-Rechtevermarkter ISL auf. Damals auf einer Liste von Geldempfängern - in der FIFA für Hayatou ohne Folgen.
Für Michel Platini könnte der spanische Verbandschef Angel Maria Villar Llona übernehmen. Aber auch er ist kein unbeschriebenes Blatt. Seit über 20 Jahren bei der UEFA, seit sieben Jahren im FIFA-Exekutivkomitee, ein alt eingesessener Funktionär, der als Gegner der Reformen gilt. Bei früheren Korruptions-Ermittlungen hatte sich Villar Llona sich geweigert, mit der FIFA-Ethikkommission zusammenzuarbeiten.
Auch nachdem einige Sitze im FIFA-Karussell ausgetauscht sind - das ganze Gerüst wackelt und bröckelt mehr denn je.