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Sutera auf Sizilien
Flüchtlinge als Chance gegen die Krise nutzen

Das Städtchen Sutera auf Sizilien hat gerade einmal 1.500 Einwohner. Viele Menschen haben im Zuge der Krise die Region verlassen. Doch jetzt hofft man auf einen Umschwung und den sollen ausgerechnet Flüchtlinge bringen. Die Idee: In leer stehenden Häusern Flüchtlingen ein neues Zuhause bieten, sie gut integrieren und dadurch gleichzeitig die Geschäfte vor Ort ankurbeln.

Von Tillmann Kleinjung |
    Afrikanische Flüchtlinge auf Sizilien sind in Wärmedecken eingehüllt.
    Die südsizilianische Kleinstadt Sutera öffnet sich für Flüchtlinge und will damit auch gegen die Wirtschaftskrise kämpfen. (picture alliance / dpa / Olivier Corsan)
    Nach dem Zweiten Weltkrieg hatte Sutera auf Sizilien noch 5.000 Einwohner. Heute nur mehr 1.500. Sutera ist ein kleines Städtchen auf einem Hügel. In the middle of nowhere. Agrigento, die nächste, größere Stadt ist 50 Autominuten entfernt. Das Meer kann man hinter den Bergen Siziliens nur erahnen. Und dennoch hat die jüngste Geschichte von Sutera mit dem Meer zu tun und mit dem 3. Oktober 2013. Damals ertranken vor der Mittelmeerinsel Lampedusa mehr als 350 Flüchtlinge.
    "Nach der Tragödie von Lampedusa wurden die Gemeinden aufgefordert, Grabstätten auf ihren Friedhöfen zur Verfügung zu stellen. Wir hatten keine und haben gedacht: Es ist besser lebende statt tote Menschen aufzunehmen."
    Überzeugungsarbeit gegen Vorurteile
    Giuseppe Grizzanti, der Bürgermeister von Sutera, musste am Anfang natürlich etwas Überzeugungsarbeit leisten. Nicht alle im Ort waren von der Aussicht begeistert, Flüchtlinge aufzunehmen. "Es gab etwas Opposition", sagt Grizzanti. Doch die ist verschwunden, als die ersten Familien ankamen, in die leeren Wohnungen zogen und seine Stadt wieder mit Leben erfüllten.
    Die Familie von Tahir aus Pakistan ist vor zwei Jahren von den Küsten Libyens aus Richtung Europa gestartet. Er, seine Frau und drei Kinder. Heute bewohnen sie ein schmales Häuschen im alten Stadtzentrum von Sutera. Gastfreundschaft auf pakistanisch. Erst einmal wird gegessen.
    Danach beginnt Tahir über seine Flucht zu sprechen, die lebensgefährliche Überfahrt, die Rettung durch die italienische Marine und schließlich die freundliche Aufnahme in diesem Örtchen in den Bergen von Sizilien.
    "Mir gefällt es in Sutera sehr gut. Die Menschen sind nett. Mein Haus ist wunderschön, groß. Alles ist gut!"
    Integration in der Schulkantine
    Mittagessen in der Schule von Sutera. Ein unglaublicher Lärmpegel, gegen den Lehrer Pino Landro da ankämpfen muss. Und die Kinder von Tahir und all den anderen Neubürgern sind daran mindestens genauso beteiligt wie ihre italienischen Klassenkameraden. Das nennt man wohl gut integriert.
    "Es sind sehr aufgeweckte Kinder, bereit, ziemlich auf Zack. Wenn sie erst einmal das Sprachproblem überwunden haben, verständigen sie sich ganz schnell mit den anderen Kindern aus Sutera."
    Wenn es die Flüchtlingskinder nicht gäbe, müsste Pino Landro vielleicht schon woanders unterrichten. Wegen geringer Nachfrage stand die Schule von Sutera lange auf der Kippe. Und so freut sich Bürgermeister Grizzanti auch darüber, dass sechs Bürgerinnen und Bürger seiner Stadt für die Betreuung von Flüchtlingsfamilien eingestellt werden konnten.
    "Da springt auch für das Dorf etwas heraus. Die Menschen bekommen Arbeit, dann werden die meisten Einkäufe hier vor Ort getätigt. Die Flüchtlinge geben ihr Geld also hier aus. All das war zwar nicht der Hauptgrund für das Projekt, aber nützlich war es schon."
    Keine Angst vor Überfremdung
    Wer dem Projekt deshalb nur eigennützige Motive unterstellt, tut den Menschen von Sutera unrecht. Das Wort "Accoglienza", das mit "Aufnahme" nur schlecht übersetzt ist, wird in ganz Sizilien großgeschrieben. Hier kommen die meisten Menschen nach ihrer Odyssee über das Mittelmeer an, hier findet ein Großteil von ihnen ein erstes Zuhause. Angst vor Überfremdung oder gar dem Untergang des Abendlandes haben die Sizilianer nicht. Dazu haben sie schon zu viele auf dieser Insel aufgenommen: die Griechen, die Römer, die Araber, die Normannen, die Staufer, die Spanier. Und sie haben erfahren, dass Vielfalt reich macht und nicht arm.