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Suzanne Vega
Kanadische Songwriterin mit neuem Album zurück

Ihre Songs "Tom's Diner" und "Luka" sind Welthits. Doch zuletzt war es still geworden um Suzanne Vega. Jetzt meldet sie sich mit "Tales From The Realm Of The Queen Of Pentacles" zurück. Corso hat mit ihr über neue Medien und neue Freiheiten gesprochen.

Suzanne Vega im Gespräch mit Marcel Anders |
    Marcel Anders: Frau Vega, warum haben sie so lange gebraucht, um ein neues Album zu veröffentlichen – oder anders gefragt: Wo haben sie die ganze Zeit gesteckt?
    Suzanne Vega: "Ich war einfach mit anderen Dingen beschäftigt. Und als ich 2008 plötzlich ohne Plattenvertrag dastand, war ich auch nicht wirklich in der Stimmung, um gleich wieder zehn Songs zu schreiben und mir ein neues Label zu suchen. Zumal ich eigentlich sehr glücklich mit "Beauty & Crime" war – selbst, wenn es scheinbar keiner haben wollte.
    Ich habe mich dann mit Neuaufnahmen meines Backkatalogs beschäftigt. Außerdem habe ich Gedichte, ein Theaterstück und Artikel für die New York Times geschrieben. Und mir eine Identität bei Facebook und Twitter zugelegt. Eben damit ich im Falle eines neuen Albums weiß, wie ich es am besten präsentiere."
    Anders: Und - kommt man als etablierter Künstler auch ohne die Unterstützung der Musikindustrie aus?
    Vega: "Mein Manager meint, man bräuchte keine Plattenfirma mehr. Und wir werden sehen, ob das stimmt. Für mich ist es ein großes Experiment. Denn das alte System stand für Sicherheit und Komfort - aber auch für die ständige Unsicherheit, seinen Vertrag zu verlieren, sobald es nicht mehr so gut läuft.
    Und genau das ist mir passiert. Insofern bin ich jetzt Teil der neuen Indie- und Internet-Welt - mit ganz anderen Gesetzen und intensivem Gedankenaustausch mit den Fans. Bislang fühle ich mich darin sehr wohl.
    Anders: Was so weit geht, dass sie scheinbar permanent in sozialen Netzwerken unterwegs sind. Kann es sein, dass sie da fast ein bisschen süchtig sind? Mehr noch: Sie scheinen regelrecht süchtig danach zu sein. Wie oft sind sie in den Netzwerken unterwegs? Wie oft kommunizieren sie mit Followern und Fans?
    Vega: Das Internet ist eine Quelle großer Freude und Erleichterung. Eben als würde man sein eigenes Magazin publizieren. Und diesen Aspekt mag ich. Denn zuerst dachte ich: "Wahrscheinlich muss ich hier vor allem über meine Gefühle schreiben." Aber es ist ganz anders.
    Ich gehe zum Beispiel auf Instagram, kreiere ein Image, lade es hoch und schaue, wie die Leute reagieren. Was sehr unterhaltsam ist. Es ist eine Möglichkeit, das wahre Leben unterhaltsam darzustellen. Also für Leute, die nichts Besseres zu tun haben, als meine Twitter Feeds zu lesen.
    Anders: Wobei das Ziel darin besteht, Live-Konzerte aus ihrem New Yorker Wohnzimmer zu streamen – und ihre eigenen vier Wände quasi kaum noch zu verlassen?
    Vega: Ich denke, das würde mir Spaß machen. Also ich hätte wahnsinnig gerne ein kleines Theater in meinem Haus. Und mein Mann und ich reden oft darüber. Wir wollen einen Vorhang zwischen der Bibliothek und dem Wohnzimmer aufhängen, und mich mit einer kleinen Kamera aufnehmen. Das ließe sich ohne großen Aufwand realisieren.
    Und sollte ich je begreifen, wie Google Plus funktioniert, könnten wir vielleicht ein Publikum von 100.000 Zuschauern erreichen. Wenn ich also keine Lust mehr aufs Touren habe, wäre das ein Plan für die Zukunft. Ist das ihr Telefon oder meins?
    Anders: Es muss ihres sein – ich schalte meins vor Interviews aus.
    Vega: Ich stelle es auf leise. Tut mir leid. Das ist der Twitter Feed. Eben Leute, die sagen: "Wir lieben, was du tust." Aber ich schalte das jetzt aus, damit wir nicht ständig gestört werden.
    Anders: Wobei ihr technischer Ehrgeiz im krassen Gegensatz zu ihrer aktuellen Musik steht. Die ist eher altmodisch und traditionell…
    Vega: Ja, es ist als ob ich ein Terrain auslote, das ich auf den ersten Alben bewusst vermieden habe. Denn als ich damals in der Folkszene anfing, gab es bestimmte Dinge, die als absolutes No-Go galten. Wie alles, was nach hippiesken Love-Songs, nach Jeans-Klamotten und 60er-Jahren klang. Es ging eher um traurige Stücke und um Leute, die schwarze Lederklamotten tragen.
    Aber diesmal dominieren ein organischer, warmer Sound und das Gefühl, als ob da viele Musiker in einem Raum agieren. Weshalb ich quasi an einen Ort zurückkehre, an dem ich noch nie war.
    "Orte besuchen, die völliges Neuland für mich sind"
    Marcel Anders: Also zurück in die 60er?
    Vega: Irgendwie schon. Was allein daran liegt, dass ich in letzter Zeit viel "Desolation Row" von Bob Dylan und "Sympathy For The Devil" oder "Paint It Black" von den Rolling Stones gehört habe. Was zu dem passt, was ich gerade gesagt habe: Nämlich Orte zu besuchen, die völliges Neuland für mich sind. Und das mit einem rootsigen, organischen Sound, den ich lange bewusst vermieden habe.
    Doch hier fühlte er sich einfach gut an. Was allein mit der Idee zusammenhängt, die man transportieren will. Als ich zum Beispiel diese Textzeile hatte, in der es heißt, dass ich nie Weiß tragen würde, sondern immer nur Schwarz, brauchte ich einfach ein Gitarrenriff, das ein bisschen dreckiger klingt – etwa im Sinne der Stones. Weshalb Gerry, mein Gitarrist, genau das gespielt hat, was man auf dem Album hört. Denn das schien ganz natürlich.
    Anders: Wobei sie in einem Stück – in "Don't Uncork What You Can't Contain" – nicht mal vor einem Sample von 50 Cent zurückschrecken. Welcher Teufel hat sie da geritten?
    Vega: Es sind tatsächlich die Streicher aus "Candy Shop" von 50 Cent, der gerne diese arabesken Klänge verwendet. Zuerst meinte ich zu meinem Gitarristen: "Wir sollten ein ähnliches Arrangement aufnehmen." Und er: "Wozu die Mühe? Lass uns das von 50 übernehmen." Was wir getan haben.
    Allerdings haben wir ihn auch gefragt, ob er da mitmachen möchte. Und sein Manager meinte, er wäre ein Fan, und würde sich melden. Worauf ich immer noch warte. Von daher hätte es Suzanne Vega feat. 50 Cent sein können. Jetzt enthält es zumindest ein bisschen was von seinem Song."
    Anders: Und warum "Horizon" zu Ehren des ehemaligen tschechischen Ministerpräsidenten Vaclav Havel? Zumal sein Tod ja schon zwei Jahre zurückliegt.
    Vega: Ich habe viel über sein Leben und seine Geschichte nachgedacht, die ich sehr bewegend finde. Eben, wie er im Gefängnis gelitten hat - und über diese Zeile, die er an seine Frau geschrieben hat. Nämlich: "Gott ist der Horizont". Ich fand es sehr stimulierend, darüber nachzudenken, was der Horizont wohl für jemanden bedeutet, der so isoliert ist, dass er ihn gar nicht richtig betrachten kann.
    Vor zwei Jahren war ich dann auf seiner Beerdigung – und ich habe lange damit gekämpft, sein Leben in einem Text zusammenzufassen. Das ist mir erst im letzten August gelungen, als ich eine Eingebung hatte und dachte: "So könnte das funktionieren." Es kostet mich immer einige Zeit, um solche Dinge zu verarbeiten.
    Anders: Haben sie ihn durch seinen Busenkumpel Lou Reed kennengelernt, mit dem sie ja scheinbar auch eng befreundet waren?
    Vega: Das hatte nichts mit Lou zu tun. Sondern ich habe oft in Tschechien gespielt. Und als Vaclav 2006 eine große Geburtstagsparty auf der Prager Burg gefeiert hat, hat er mich gefragt, ob ich für ihn singen könne. Leider hatte ich an dem Abend ein Konzert, das ich nicht absagen konnte. Aber sie haben mich dann gefilmt und live auf der Burg ausgestrahlt.
    Ich habe "Tom´s Diner" für ihn gesungen. Woraufhin er mich zum Frühstück einlud. Außerdem hat er ein paar von meinen Konzerten besucht, und wir haben uns regelmäßig E-Mails geschickt."
    Anders: Da sie "Tom's Diner" erwähnen: Vermissen sie den Erfolg der späten 80er? Oder sind sie mittlerweile ganz woanders – und auch glücklich damit?
    Vega: Es gibt Dinge, die ich an den 80ern geliebt habe - und Dinge, die ich nicht vermisse. Weshalb ich nicht nostalgisch bin. Denn damals habe ich auch eine Menge Druck und Angst gespürt. Nach dem Motto: "Was, wenn das alles irgendwann vorbei ist?" Ich war mir sicher, dass der Erfolg nicht ewig anhalten würde, und ich dann sehen müsste, wie ich klarkomme. Genau das ist ja auch eingetroffen.
    Doch inzwischen empfinde ich auch eine Art von Freiheit, die ich früher gar nicht kannte. Ich fühle mich sicher mit meinem Repertoire. Ich merke, dass die Leute zu meinen Konzerten kommen, weil sie die Songs lieben. Und es gibt keinen Hype, mit dem ich mich immer sehr unwohl gefühlt habe. Zudem weiß ich mittlerweile nur zu gut, dass ich nicht die Persönlichkeit eines Popstars habe. Ich bin eher eine Singer/Songwriterin. Ich lebe zurückgezogen und konzentriere mich ganz auf meine Kunst.
    Anders: Das heißt: Ist "Tom's Diner" eine Art Monster, das sie erschaffen haben? Oder sind sie stolz darauf?
    Vega: Nein, ich liebe ihn. Es ist der einzige Moment in meiner Show, in dem ich mit dem Publikum tanzen - und mit meinem Zylinder herumspielen kann. Das Ganze hat etwas von einer Feier. Was schon merkwürdig ist, wenn man bedenkt, dass es in dem Stück eigentlich darum geht, einsam und verlassen in einem New Yorker Diner zu sitzen.
    Aber wenn ich es spiele, strahlen die Gesichter der Leute, weil sie sich an die Zeit erinnern, als sie es zum ersten Mal gehört haben. Eben als sie noch Studenten waren oder zu irgendwelchen Raves gegangen und die ganze Nacht aufgeblieben sind. Das alles lässt sich aus ihren Gesichtern ablesen."
    Anders: Vielen Dank für das Gespräch – sie können ihr Telefon jetzt wieder einschalten.
    Vega: Vielen Dank!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
    Info
    Wer Suzanne Vega live erleben möchte: Am 9.2. gastiert sie in Hamburg, am 10.2. in Köln und am 11.2. in München.