Ein Freitagabend Anfang Juni, das Waldviertler-Bank-Stadion in Horn. Eine Trachtenkapelle spielt auf, es riecht nach Leberkäsebrötchen und Bier. Der SV Horn empfängt zum Saisonfinale der Regionalliga Ost die II. Mannschaft des SKN St. Pölten. Ein Provinzkick in einem 6.500-Einwohner-Örtchen.
Doch seit einem Jahr träumen Gemeinde, Verein und Fans von der großen Fußballwelt, vom FC Barcelona und Real Madrid - und sie träumen auf japanisch.
"Mittelfristig wollen wir mit dem SV Horn in die Champions League, das ist unser Ziel. Es ist uns klar, dass es eine schwierige Aufgabe ist, sogar viele Mitarbeiter hier in Horn haben uns belächelt. Aber wir wollen es schaffen", sagt Youji Honda, Vereinschef des SV Horn und so etwas wie der Statthalter seines Cousins: Keisuke Honda vom AC Mailand.
"Sind bereit, genug Mittel zur Verfügung zu stellen"
Der 29-Jährige ist der größte Fußballer Japans, eine echte Lichtgestalt. In Horn agiert er als Geschäftsmann: Seine Agentur Honda Estilo stieg im Juni 2015 beim SV Horn ein. Drei Millionen Euro sollen sie allein in der ersten Saison investiert haben, gerüchtehalber. "Genaue Zahlen wollen wir nicht nennen", erklärt Youji Honda, "aber wir sind bereit, genug Mittel zur Verfügung zu stellen."
Die Investoren haben sich einen ambitionierten Zeitplan gegeben: Innerhalb von nur fünf Jahren wollen sie es in die Königsklasse schaffen. Ein Vorhaben, das zu groß wirkt für das kleine Horn im beschaulichen Waldviertel im Nordosten Österreichs, wo die Menschen als eher bodenständig gelten.
Die erste Saison zumindest verlief sportlich gesehen nach Plan: Der Aufstieg von der drittklassigen Regionalliga Ost in die zweite Liga stand schon Anfang Mai fest. Und beim Provinzkick im heimischen Stadion gegen St. Pölten sicherte sich der SV Horn mit einem 5:1-Sieg auch den Meistertitel. 1500 Fans bejubelten ihr Team - und ihren Publikumsliebling aus Japan.
Sechs Spieler aus Japan
Der kleine Stürmer Shota Sakaki ist einer von sechs japanischen Spielern im Kader. In der Winterpause leistete sich der Regionalligist sogar einen WM-erfahrenen Torhüter: Shuichi Gonda, der 2014 mit dem japanischen Team nach Brasilien fahren durfte.
Die Hondas basteln eifrig an ihrem Verein: Die Sponsoren haben sie gleich aus Japan mitgebracht, Keisuke Hondas persönlicher Ausrüster stattet auch das Team aus, auf den Trikots werben die Spieler für einen Matratzenhersteller aus Tokio.
Die Geschäftsstelle ist doppelt besetzt: Jedem Österreicher steht ein japanischer Mitarbeiter gegenüber, die Vereinssprache ist Englisch. Parität herrscht auch auf oberster Ebene: Youji Honda hat mit Rudolf Laudon einen österreichischen Co-Vereinschef:
"Das Ziel wird durchgezogen, ob wir es dann erreichen, sehen wir, aber es wird sicher tagtäglich hart daran gearbeitet. Bremsen tu ich nicht, die sind von der Mentalität her so, da gibt es kein Bremsen, ich rufe, ich will nicht sagen zur Ordnung auf, aber zu sagen: Wir machen das Step by Step."
Anderes Konzept als Red Bull Salzburg
Der nächste Schritt beginnt am 22. Juli in der zweithöchsten Spielklasse Österreichs. Der erste Gegner: ausgerechnet der FC Liefering, der Ausbildungsverein von Red Bull Salzburg. Der Branchenprimus hat es trotz der Brausemillionen von Dietrich Mateschitz bislang noch nie in die Champions League geschafft. Die Hondas wollen es besser machen - mit einem anderen Konzept:
Die Bullen sind für Red Bull Salzburg ein Marketinginstrument, die Hondas wollen ihr investiertes Geld mit einem Modell vermehren, das aus Belgien bekannt ist: Klubs wie KSK Beveren dienten als Sprungbrett für afrikanische Talente, die Eigentümer verdienten an den Transfers zu reicheren Vereinen. Die Hondas haben nie verheimlicht, dass die relativ laxen Ausländerbestimmungen in der österreichischen Liga der Grund waren, warum sie ausgerechnet in Österreich investiert haben.
"Wir werden kein großer Verein wie Barcelona oder Real Madrid", sagt Youji Honda. "Wir versuchen junge Talente zu fördern und sie zu den Topklubs zu bringen. Dann wird sich unser Investment auch auszahlen."
Kritik aus den eigenen Reihen
Die Japanisierung des SV Horn ruft allerdings auch Kritik hervor. Trainer Hans Kleer musste Anfang April gehen, obwohl er die Mannschaft auf Rang zwei im Aufstiegsrennen hielt. Als Nachfolger wurde mit Masanori Hamayoshi ein Japaner installiert. Als Reaktion schmiss Sportdirektor Reinhard Vyhnalek nach fünf Jahren im Verein hin, seine Begründung: Er könne sich mit der Vereinsphilosophie nicht mehr identifizieren. Vor dem Mikrofon wollte er seine Beweggründe nicht weiter erläutern. Auch Ex-Coach Hans Kleer zieht es vor, zu schweigen. So vernimmt man die Kritik bislang nur in Internetforen, in denen die Fans spöttisch vom "SV Honda" sprachen, bei dem die Österreicher nichts mehr zu sagen hätten. Co-Vereinschef Rudolf Laudon verbucht die Unruhe als Anlaufschwierigkeit:
"Mit Kritik muss man umgehen und daraus lernen und Entscheidungen treffen wo wir ganz klar sagen: Das ist unsere Identität. Und wir werden immer ein Klub aus dem Waldviertel bleiben."
Zur neuen Saison hat der Verein noch keine weiteren Neuzugänge aus Japan vermeldet. Investor Keisuke Honda soll zwar beim AC Mailand unzufrieden sein, aber er wird wohl die Premier League der österreichischen zweiten Liga vorziehen.