Giegold selbst hatte zuvor in einem offenen Brief an die deutsche Kommissionspräsidentin gefordert, ein solches EU-Verfahren einzuleiten. Zur Begründung schrieb er, das Karlsruher Urteil bedrohe die europäische Rechtsgemeinschaft. Das Bundesverfassungsgericht hatte den Ankauf von Staatsanleihen durch die Europäische Zentralbank als teilweise verfassungswidrig eingeschätzt.
"Es liegt ja eine Vertragsverletzung vor"
Ursula von der Leyen habe nun offensichtlich ein Signal setzen wollen. "Sie ist soweit gegangen, wie sie konnte. Ich bin sehr froh, dass sie klar gesagt hat und erstmals öffentlich, dass sie das Vertragverletzungsverfahren prüfen will", sagte Giegold. Das Ergebnis sei eindeutig.
"Es liegt ja eine Vertragsverletzung vor. Der EU-Vertrag ist völlig klar. Der Europäische Gerichtshof ist gerade in Bereich ausschließlicher europäischer Kompetenz die letzte Instanz und deshalb muss es dieses Vertragsverletzungsverfahren aus meiner Sicht geben." Er habe Zustimmung für seinen Vorstoß aus allen möglichen politischen Ecken in Europa erfahren.
"Den Gerichtshof nicht behandeln wie Schüler und Studenten"
Dabei gehe es gar nicht darum, dass es nicht Aufgabe von Gerichten sei, Zentralbanken zu kontrollieren. "Das ist ihre Aufgabe. Vieles in dem Urteil ist auch eine spannende Lektüre, aber ein Prinzip muss eben gelten: Im Bereich des Europarechts ist der Europäische Gerichtshof die höchste Instanz. Und wenn der Europäische Gerichtshof urteilt, kann man ihn nicht behandeln wie man weder Schüler noch Studenten behandeln würde", sagte der Grünen-Politiker. Die Aburteilung dieses Urteils in harschen Tönen sei rechtspolitisch falsch und könne nicht unbeantwortet bleiben.