Ende September musste Sven Mislintat nach nur viereinhalb Monaten den 36-fachen niederländischen Meister Ajax wieder verlassen. Der Technische Direktor hatte laut der damals veröffentlichten Mitteilung nicht mehr die volle Unterstützung im Verein. Zugleich wurde eine Untersuchung eingeleitet. Konkret geht es unter anderem um das Zustandekommen des Transfers von Linksverteidiger Borna Sosa von Mislintats Ex-Klub, dem VfB Stuttgart, zu Ajax.
Für diesen Spielerwechsel wurde die Beratungsagentur AKA Global unter Leitung von Arthur Beck eingeschaltet. Diese wiederum hält einen Anteil von 3,16 Prozent am Unternehmen Matchmetrics, an dem auch Mislintat mit 35 Prozent beteiligt ist. "Und jetzt gab es eine Vorhaltung in einem niederländischen Medium, nämlich im Telegraaf", sagt Benni Hofmann vom kicker. "De Telegraaf will einen WhatsApp-Verlauf gesehen haben zwischen einem Spielerberater von einer anderen Agentur, die auch mit Sosa in Kontakt stand, und Borna Sosa selbst, in dem Borna Sosa schrieb, also im WhatsApp-Verlauf, er könne den Wechsel zu Ajax nur mit Arthur Beck machen, weil Mislintat dies so wolle. Man muss der Vollständigkeit halber erwähnen, dass sowohl Arthur Beck als auch Borna Sosa dies dementiert haben."
Welche Rolle spielen Sportdirektoren überhaupt bei Transfers?
Sven Mislintat selbst möchte sich auf Nachfrage des Deutschlandfunks nicht äußern. Ajax verweist auf Anfrage hin auf die laufende Untersuchung, mit welcher die Beratungsgesellschaft KPMG beauftragt ist. Arthur Beck teilte kürzlich Sportschau.de mit, dass es viele Interessenten an Sosa gegeben hätte. Dann habe ihn Sven Mislintat angerufen und gesagt, dass der damalige Ajax-Trainer unbedingt Borna Sosa haben wollte. So sei der Deal zustande gekommen.
Auffällig ist, dass die Angabe zu Sosas Berater auf dem Branchenportal Transfermarkt.de bereits während des Sommers geändert wurde. Zuvor war die Agentur Stellar auf dem Profil des kroatischen Spielers gelistet. Anschließend stand dort, dass er von Familienangehörigen beraten wird. Ein Hinzuziehen einer professionellen Agentur für den September-Transfer scheint insofern nicht abwegig.
Überteuert Spieler eingekauft?
Die Vorwürfe gegen Mislintat gehen allerdings noch weiter und kommen seit kurzem von der niederländischen Vereinigung der Wertpapierinhaber, kurz VEB. Ajax ist ein börsennotiertes Unternehmen und unterliegt deshalb einer strengen Überwachung. Gerben Everts, der Direktor von VEB, sagt: "Was wir beobachtet haben, ist, dass Herr Mislintat innerhalb weniger Monate zwölf mittelmäßige Spieler verpflichtete. Bei wenigstens elf dieser zwölf Spieler war die Ablösesumme um einiges höher als das, was allgemein als angemessen betrachtet wurde, wenn man betrachtet, was andere Fußballklubs für diese bereit und gewillt gewesen wären zu zahlen."
Gerade die Ablösesumme von 12,3 Millionen Euro für Chuba Akpom wird von einigen in den Niederlanden kritisch gesehen. Der englische Stürmer kam von Middlesbrough und war in der Vorsaison mit 28 Treffern Torschützenkönig der zweiten englischen Liga. Der zweitbeste Torjäger, Viktor Gyökeres, war für 20 Millionen Euro von Coventry zu Sporting nach Lissabon gewechselt. In diesem Kontext klingt die Zahlung für Akpom weniger unrealistisch.
Bislang nur Vorwürfe gegen Sven Mislintat
Bislang bleibt es lediglich bei Vorwürfen gegen Sven Mislintat. Ajax versinkt unterdessen im sportlichen Chaos und ist nach einem schwachen Saisonstart im Tabellenkeller der Eredivisie. Edwin van der Sar, der einst als CEO Mislintat von Ajax nach Amsterdam holte, ist bereits seit Mai nicht mehr im Amt. Diesen Posten wird im kommenden Frühjahr Alex Kroes übernehmen, der die Beratungsagentur Sports Entertainment Group (SEG) mitgründet hat und 2018 seine Anteile an dieser veräußerte, um anschließend Eigentümer des niederländischen Clubs Go Ahead Eagles zu werden.
Für kicker-Reporter Benni Hofmann, der über den Fall Mislintat als einer der Ersten berichtet hat, stellt sich generell die Frage, warum Beratungsagenturen für die Abwicklung von Transfers mandatiert werden. "Weil die Spielerberater ja auch bezahlt werden wollen: Was ist denn eigentlich noch die Aufgabe von Sportdirektoren, von Sportvorständen und von Technischen Direktoren? Weil das Gros der Transfers wickeln nun einmal die Spielerberater ab und die verdienen auch ordentliches Geld dafür", sagt Hofmann.
Er nennt als Beispiel den Transfer von Jaka Čuber Potočnik, der im Winter 2022 nach einer außerordentlichen Kündigung seines Vertrags bei Olimpija Ljubljana zum 1. FC Köln gewechselt war. Zeitweilig hatte die FIFA den Bundesligaverein mit einer Transfersperre belegt. Ljubljana fordert von Köln eine Transferzahlung von 2,5 Millionen Euro und beruft sich auf ein Angebot von Dinamo Zagreb.
Unlautere Geschäfte in der Fußballbranche?
"Das Angebot von Dinamo Zagreb herangetragen an Ljubljana hat nach meinen Informationen der Spielerberater Andy Bara", führt Hofmann aus. "Jetzt ist das auch nichts total Unübliches. Nur Folgendes wirft bei mir Fragezeichen auf: Goran Boromisa ist der Sportdirektor von Olimpija Ljubljana und der hat von 2013 bis 2020 bei Dinamo Zagreb gearbeitet. Auch den könnte man ja einfach von Zagreber Seite aus kontaktieren und fragen: 'Hör mal zu, wir haben Interesse am Spieler Potočnik. Was müssten wir denn für den bezahlen? Beziehungsweise, der wäre uns 2,5 Millionen Euro wert.' Dann könnte man sich das Einschalten des Spielerberaters Bara komplett sparen."
Die Gepflogenheiten der Fußballbranche, der Fakt, dass Berater und Vermittler häufig hinzugezogen werden, wie auch die Verbindungen zwischen Vereinen und Agenturen öffnen Spekulationen über womöglich unlautere Geschäfte weiter Tür und Tor, selbst wenn gegen keine Regeln oder Gesetze verstoßen wird.