Ute Meyer: Am Wochenende hat ein CDU-Kreispolitiker für Wirbel gesorgt und die schwarz-rot-grüne Landesregierung von Sachsen-Anhalt gehörig ins Wanken gebracht. Robert Möritz aus dem Kreis Anhalt-Bitterfeld soll ein Neonazi-Tattoo am Ellbogen haben, das mehrere Hakenkreuze übereinander zeigt, die sogenannte Schwarze Sonne. Außerdem soll der Lokalpolitiker 2011 als Ordner bei einer Neonazidemo beteiligt gewesen sein. Und bis gestern war der CDU-Mann Mitglied des umstrittenen Vereins Uniter, einer Vereinigung aktiver und ehemaliger Sicherheitskräfte, die im Verdacht steht, Kontakte zu rechtsextremen Kreisen zu pflegen. Die Grünen hatten das Ganze öffentlich gemacht mit einem Tweet, der überschrieben war mit "Wie viel Hakenkreuze haben Platz in der CDU?". Daraufhin hat die CDU Sachsen-Anhalt die ohnehin wackelige Kenia-Koalition mit den Grünen infrage gestellt und eine Entschuldigung gefordert. Ich spreche darüber jetzt mit Sven Schulze, dem Landesgeneralsekretär der CDU in Sachsen-Anhalt. Herr Schulze, warum müssen sich die Grünen eigentlich dafür entschuldigen, wenn sie auf einen braunen Fleck auf der Weste der CDU aufmerksam machen?
Sven Schulze: Ja, das Problem, das wir mit der Pressemitteilung der Grünen hatten, ist, dass sie die gesamte CDU Sachsen-Anhalt, also sechseinhalbtausend Mitglieder, in die rechte Ecke gestellt haben, indem sie diese Pressemitteilung sehr bewusst veröffentlicht haben mit der Überschrift "Wie viel Hakenkreuze haben denn noch Platz in der CDU?" Es geht ja nicht um diesen einen Fall an der Stelle, sondern es geht um die Verunglimpfung der gesamten Partei. Das haben wir kritisiert. Gleichermaßen haben wir aber auch gesagt, dass dieser Fall Robert Möritz dort für uns sehr ernst genommen wird und dass dieses Thema natürlich nicht abgeschlossen ist.
Grüne haben Vorwurf "ein Stück weit zurückgenommen"
Meyer: Wenn man aber diese Entrüstung der CDU sich so ansieht, hat man eher nicht den Eindruck, dass es ernst genommen wird, sondern dass es sich da um einen Gegenangriff handelt, um vom eigentlichen Problem, nämlich dass womöglich ein Neonazi in den Reihen der CDU sitzt, abzulenken.
Schulze: Nein, es ist ganz klar von uns gesagt worden, dass wir Verständnis dafür haben, wenn unsere Koalitionspartner zu dieser einen Person Fragen haben und dem Umgang auch des Kreisverbandes mit dieser Thematik. Gleichermaßen ist es aber für uns völlig unverständlich – und das haben mir auch unisono die Kreisverbände zu verstehen gegeben –, dass man jetzt die gesamte CDU, alle Mitglieder, mit diesem einen Fall in Verbindung bringt. Und das ist auch – da hab ich gestern mit dem Vorsitzenden der Grünen diskutiert – ein Stück weit zurückgenommen worden von ihm heute. Er hat heute noch mal mitgeteilt, dass es da nicht so gemeint war, dass man die gesamte Partei meint.
Meyer: Das heißt, Sie haben sich mit den Grünen verständigen können, und die Kenia-Koalition in Sachsen-Anhalt ist vorerst gerettet?
Schulze: Ich habe natürlich gestern mit dem Vorsitzenden der Grünen und auch mit dem Vorsitzenden der SPD die Gesamtsituation besprochen und habe auch erläutert, wie wir da mit dem Fall Robert Möritz umgehen, warum der Kreisverband sich jetzt so entschieden hat und wie wir als Landesverband damit weiter umgehen werden. Das ist auch erst mal so von denen akzeptiert worden. Gleichermaßen hab ich aber auch darauf hingewiesen, dass es nicht sein kann, dass unsere Koalitionspartner es in dieser Art und Weise angehen. Es ging halt so weit, dass auch eine Ministerin der Grünen diese Pressemitteilung auf ihrer Seite dann entsprechend in den sozialen Medien veröffentlicht hat, wo wir sagen, das geht ein Stück, nicht nur ein Stück zu weit, sondern es geht definitiv zu weit – im Zusammenhang mit vielen anderen Dingen, die in den letzten Monaten und Jahren eigentlich auch in dieser Koalition immer wieder auch dafür gesorgt haben, dass es Probleme innerhalb der Koalition gibt, was natürlich dann am Ende das Fass zum Überkochen gebracht hat. Das ist am Wochenende passiert.
"Er hat ganz klar davon abgeschworen"
Meyer: Jetzt mal abseits der Stilistik, über die man sich sicherlich streiten kann, möchte ich doch noch mal bei dem Fall Robert Möritz bleiben. Sie haben erläutert, wie der Kreisverband damit umgegangen ist und wie der Landesverband umgehen wird. Vielleicht mal zur Erklärung: Der Kreisvorstand, in dem Robert Möritz auch Mitglied ist, hat ohne Gegenstimme beschlossen, Möritz bleibt in der Partei und auch im Kreisvorstand. Wie verhalten Sie sich denn als Landesverband der CDU dazu?
Schulze: Zuerst einmal ist es richtig, dass der Kreisvorstand auf Druck auch und in Absprache mit dem Landesverband sehr kurz sich nach Bekanntwerden dieser Vorwürfe eine Sitzung einberufen hat des Vorstandes und auch den von Ihnen genannten Beschluss entsprechend gefasst hat nach einer mehrstündigen Anhörung von Robert Möritz. Der Kreisverband – im Übrigen genauso wie der Landesverband – haben klar gesagt, dass sie dieses, was dort im Jahr 2011, also vor acht Jahren, passiert ist, dass er als Ordner auf einer Nazidemo tätig war und dass er auch ein Tattoo hat, was für uns nicht akzeptabel ist, das absolut missbilligt, gleichermaßen aber auch zur Kenntnis genommen, dass das Mitglied ja seit einem Jahr erst Mitglied der CDU ist, also sehr kurz erst dabei ist und aus Sicht des Kreisverbandes auch hier eine zweite Chance verdient hat. Er hat ganz klar davon abgeschworen, hat gesagt, dass er seit Jahren mit der gesamten Szene überhaupt nichts zu tun hat, dass er auch darum bittet, in der Mitte der Gesellschaft aufgenommen zu werden und die Chance auch bekommen möchte, hier zu zeigen, dass er mit diesen rechtsgerichteten Themen, mit Rechtsradikalismus und so weiter nichts mehr zu tun hat.
Mitglied im umstrittenen Verein Uniter
Meyer: Entschuldigung, wenn ich da einhake, Herr Schulze. Nun gibt es aber gleich drei Hinweise auf seine Nähe zu Neonazis. Diese Geschichte mit der Neonazidemo, das war vor acht Jahren, das Tattoo, das sticht man sich eigentlich für die Ewigkeit – das war ein Erkennungszeichen der Waffen-SS, das hätte er auch entfernen können. Und bis gestern war er noch bei diesem umstrittenen Verein Uniter Mitglied und ist erst ausgetreten auf Druck der Öffentlichkeit. Warum haben Sie so viel Verständnis für diesen Mann?
Schulze: Nein, Verständnis für das habe ich überhaupt nicht, das bringen wir auch nicht auf. Es ist jetzt nur die Frage, wie geht man damit um, wenn jemand sagt, er hat da komplett mit abgeschworen und er bittet einfach darum, diese Chance zu bekommen. Was den Verein angeht – das habe ich, nachdem ich auch mich mit dem Beschluss des Verbandes am Freitag beschäftigt habe, klar gesagt, dass ich es nicht für vereinbar halte, Mitglied der CDU und Mitglied in diesem Verein zu sein. Er ist auch ausgetreten mittlerweile, und wir werden auch im Landesvorstand dieses Thema noch mal diskutieren. Hier geht es jetzt darum, dass der Kreisverband so beschlossen hat, das müssen wir jetzt erst mal so zur Kenntnis nehmen. Es geht ja nicht darum, dass wir irgendetwas schönreden wollen oder, noch schlimmer, irgendwelche Nazis bei uns in unseren Reihen haben wollen.
Meyer: Aber Herr Schulze, Sie haben gesagt, er ist erst seit einem Jahr Mitglied in der CDU. Haben Sie keine Sorge, dass die CDU von rechten Kräften unterwandert wird?
Schulze: Nein, diese Sorge habe ich nicht, weil wir natürlich sehr genau uns auch anschauen, wenn wir Hinweise bekommen. In dem Fall, das haben wir auch gesagt, ist es dem Mitgliedern dort vor Ort nicht bekannt gewesen, dass er dann sieben Jahre vorher auf dieser Demo unterwegs war, und er hat das – das haben wir auch kritisiert – nicht mitgeteilt. Wir versuchen, so gut es möglich ist, zu prüfen, wenn jemand bei uns Mitglied werden will, welchen Hintergrund diese Mitglieder haben. Fakt ist eins: Wir lassen uns hier auch in Sachsen-Anhalt definitiv nicht von irgendwelchen Rechten unterwandern. Da gibt es eine klare Ansage, dass wir solche Leute nicht in unserer Partei dulden wollen.
Keine Koalition mit den Linken oder der AfD
Meyer: Dann frag ich mal andersrum: Kann es sein, dass Sie als CDU in Sachsen-Anhalt, die ja viele Probleme mit der konkurrierenden, sehr starken AfD hat, dass Sie es sich nicht mit dem rechten Rand verscherzen wollen?
Schulze: Nein, das sehe ich nicht so, denn wir haben – wenn wir uns es mit denen verscherzen wollen, dann hätten wir solche Aussagen wie vom Vorsitzenden, vom Ministerpräsidenten oder von mir nicht tätigen dürfen, dass wir sagen, es gibt für uns auch in der Zukunft keine Zusammenarbeit oder Koalition mit der AfD, und das steht auch. Wir haben klipp und klar gesagt – im Übrigen auch in der letzten Woche auf einem Landesparteitag noch mal beschlossen –, dass es für uns in der Zukunft auch keine Koalition mit den Linken oder mit der AfD geben wird. Und ein stärkeres Zeichen als diese Beschlüsse und diese Aussagen der handelnden Personen kann es doch gar nicht geben dafür, dass wir dafür nicht anfällig sind, mit denen in der Zukunft zusammenzuarbeiten.
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