Archiv


"Swift" soll Gamma Ray Bursts auf frischer Tat ertappen

Astronomie. - In Heidelberg treffen sich in dieser Woche gut 200 Experten aus aller Welt zu einem Symposium über Gamma-Astronomie, also über die Erforschung des Weltalls im Bereich der hochenergetischen Gammastrahlung. Diese Strahlung wird von der Erdatmosphäre geschluckt und gelingt nicht zum Erdboden. Zeitlich passend wird gerade heute der nächste Gamma-Satellit vom Goddard Space Flight Center nahe Washington, wo er gebaut wurde, nach Cape Canaveral in Florida gebracht. Von dort soll der Satellit "Swift" am 7. Oktober starten und dann die geheimnisvollen Gammastrahlenausbrüche erforschen.

Von Dirk Lorenzen |
    Es sind die hellsten Explosionen im Universum - und wir haben keine Ahnung, wie die Gamma Ray Bursts entstehen.

    So beschreibt Neil Gehrels, Astrophysiker am NASA Goddard Space Flight Center nahe Washington, sein Dilemma: Gamma Ray Bursts sind zugleich faszinierend und geheimnisvoll. Etwa einmal täglich flammt urplötzlich irgendwo am Himmel eine Explosion im Bereich äußerst energiereicher Gammastrahlen auf - so ein Gamma Ray Burst strahlt für einige Sekunden heller als alle anderen Objekte am Himmel zusammen, um dann genau so schnell wieder zu verlöschen.

    Jahrzehntelang blieben die Astronomen düpiert zurück - seit gut sieben Jahren ist dank des italienisch-niederländischen Satelliten BeppoSAX immerhin klar, dass die Gammablitze meist Milliarden Lichtjahre entfernt aufleuchten. Doch die erste Euphorie ist längst dahin - das Rätsel der Bursts ist nur noch größer geworden. Neil Gehrels hofft jetzt auf seinen neuen Satelliten:

    Wir wollen mit Hilfe von Swift verstehen, wie sich so starke Explosionen ereignen, woher in so kurzer Zeit so viel Energie kommt. Diese Energie wird zudem im Gammabereich frei, nicht wie bei vielen "normalen" Explosionen vor allem im sichtbaren Licht. Da muss da draußen im All also etwas ganz Ungewöhnliches passieren, vielleicht hängen die Gamma Ray Bursts mit der plötzlichen Entstehung von Schwarzen Löchern zusammen.

    Ein Gamma Ray Burst verlöscht binnen Minuten. Bisher müssen sich die Forscher damit begnügen, Stunden später die zurückbleibende Explosionswolke zu beobachten. Dieses "Nachleuchten" ist zumeist im Röntgenbereich, im sichtbaren Licht oder mit seiner Radiostrahlung zu sehen. Doch das "Nachleuchten" zeigt nie die Explosion selbst, die stets nur einige Minuten andauert. Ist es in der Astronomie sonst oft egal, ob man ein Objekt jetzt oder in 10.000 Jahren betrachtet, so kommt es bei Gamma Ray Bursts auf jede Sekunde an.

    Wenn der Satellit einen Gamma Ray Burst mit seiner Weitwinkelkamera entdeckt, richtet er selbständig seine hoch auflösenden Teleskope im Röntgen- und im sichtbaren Licht auf die Stelle der Explosion. Das geschieht innerhalb einer Minute. Zudem geht binnen 20 Sekunden per Internet ein Alarm an alle Sternwarten auf der Erde, damit auch die den Ort des Bursts ins Visier nehmen. Mit Swift werden wir Gamma Ray Bursts erstmals gleichzeitig im Gamma-, im Röntgen- und im sichtbaren Licht beobachten.

    Swift heißt im Englischen "schnell, flink" - der Name ist Programm: Der Swift-Satellit soll die Bursts gleichsam auf frischer Tat ertappen - und dann noch den größten Teil der Explosion genau erforschen. Neil Gehrels und sein Team erhoffen sich davon die entscheidenden Hinweise, was genau bei einem Burst vor sich geht, ob und wie ein Schwarzes Loch entsteht. Klar ist nur, dass in einem Bereich nicht einmal so groß wie die Erde schlagartig riesige Energiemengen frei werden.

    Weitere Details müssen die nächsten Beobachtungen enthüllen. Swift wird sich nach seinem Start Anfang Oktober auf die Lauer legen - er überwacht mit seiner Gammastrahlenkamera etwa ein Fünftel des Himmels. Für die Astronomen werden das turbulente Zeiten...

    Wir werden etwa 100 Gamma Ray Bursts pro Jahr sehen. Wir bekommen also etwa jeden dritten Tag Daten zu einem neuen Gamma Ray Burst - das wird wirklich Spaß machen.