Die großen außenpolitischen Fragen spielen sich auf den Weltmeeren ab. Seewege werden blockiert, Seerecht gebrochen. Piraten werden immer professioneller. Im Meereboden liegen umkämpfte Rohstoffe und Kommunikationskabel. Migration spielt eine Rolle, ebenso Umweltschutz. Um all das dreht sich die Reihe "Maritime Machtfragen" im Deutschlandfunk. Heute geht es um die maritime Großmacht Frankreich.
Ursula Welter: Frankreichs Staatspräsident formuliert, "Das 21. Jahrhundert wird maritim sein", wie ist das zu verstehen ?
Ronja Kempin: Frankreich versteht sich traditionell als maritime Macht, als Großmacht, muss man sagen, und Präsident Macron zielt darauf ab, dass natürlich Kommunikationswege, aber auch Transportwege zukünftig sehr viel stärker über das Wasser, über den Wasserweg, möglich sind und möglich werden. Viele Expertinnen, Experten gehen ja tatsächlich davon aus, dass das 21. Jahrhundert ein maritimes sein wird, mit seinen positiven, aber natürlich auch mit seinen negativen, also Konflikt-Potenzial enthaltenden Perspektiven, die es eröffnet.
Flugzeugträger und Atom-U-Boote
Welter: Wenn wir die maritime Kraft Frankreichs einordnen. Jetzt, da die Briten und die Royal Navy draußen sind, kann man sagen, dass Frankreich, mit einer ja bedeutenden maritimen Flotte, die stärkste maritime Kraft in Europa ist ?
Kempin: Das kann man, glaube ich, zweifelsfrei so feststellen. Frankreich hat immer mit der britischen Royal Navy um die Vorrangstellung, wenn Sie so wollen, im maritimen Bereich, im militärischen, maritimen Bereich in Europa konkurriert. Die Franzosen hatten immer etwas weniger Schiffe, Flugzeuge zur Verfügung als die Briten, sie haben immer versucht, das durch technische Innovationen zu kompensieren. Aber, um das noch einmal auf den Punkt zu bringen, Frankreich ist natürlich nach dem Ausscheiden Großbritanniens aus der Europäischen Union das einzige Land, das über einen Flugzeugträger verfügt und das über atomgetriebene U-Boote verfügt.
Kempin: Das kann man, glaube ich, zweifelsfrei so feststellen. Frankreich hat immer mit der britischen Royal Navy um die Vorrangstellung, wenn Sie so wollen, im maritimen Bereich, im militärischen, maritimen Bereich in Europa konkurriert. Die Franzosen hatten immer etwas weniger Schiffe, Flugzeuge zur Verfügung als die Briten, sie haben immer versucht, das durch technische Innovationen zu kompensieren. Aber, um das noch einmal auf den Punkt zu bringen, Frankreich ist natürlich nach dem Ausscheiden Großbritanniens aus der Europäischen Union das einzige Land, das über einen Flugzeugträger verfügt und das über atomgetriebene U-Boote verfügt.
Mittelmeerunion und Weltmachtanspruch
Welter: Wenn wir nun "maritim" sagen, dann meinen wir Atlantik, wir meinen die langen Küsten in den Überseegebieten natürlich, aber in erster Linie auch den Mittelmeerraum, der für die Europäische Union dann relevant ist. Und ich will auf die Initiative von Nicolas Sarkozy zu sprechen kommen, der 2007, nicht zufällig in Toulon, in einer Wahlkampfrede für diese Mittelmeer-Union geworben hat. Das war ja, sie haben es in ihrer ersten Antwort auch schon angedeutet, eine durchaus alte Idee?
Kempin: Ja, das stimmt. Also Frankreich, wie gesagt, hat natürlich enge Verbindungen in die Region, sowohl nach Nord-Afrika als auch nach West-Afrika, aber eben auch in den Nahen und Mittleren Osten. All diese Gebiete, Landmassen, wenn Sie so wollen, sind über das Mittelmeer zu erreichen und entsprechend starkes Augenmerk legt Frankreich darauf, in dieser Region seine Vormachtstellung zu erhalten, baut aber auch, über die Region hinaus, seine Fähigkeit zur, wie das die Militärs nennen, militärischen Machtprojektion ganz gezielt aus, durch Stützpunkte, etwa im Libanon, in den Vereinigten Arabischen Emiraten. Also sie sprachen ja schon von der "globalen Rolle des Meeres", da ist Frankreich eben schon seit Jahren sehr aktiv und hat das auch mit im Blick.
"Das Mittelmeer ist kein französisches Meer"
Welter: Hatte es denn auch gute Gründe für Sarkozy und auch die nachfolgenden Präsidenten natürlich, die Europäer darauf aufmerksam zu machen, dass es da eine Leerstelle gibt in der Mittelmeerpolitik, dass der Barcelona-Prozess nicht weit genug reichte, ging es also nicht nur um französische Interessenspolitik?
Kempin: Es wird Frankreich und den französischen Präsidenten immer sehr schnell unterstellt natürlich, dass sie ausschließlich französische Interessen verfolgen. Das Mittelmeer ist kein französisches Meer, sondern es ist auch ein europäisches Meer. Es gibt nicht nur Frankreich, als EU-Mitgliedstaat, das eine Küste zum Mittelmeer hat und nicht zuletzt mit Blick auf die Migration aus dem Nahen und Mittleren Osten und aus Nordafrika haben wir ja alle sehr stark mitbekommen, welche internationalen Herausforderungen sich auch im Mittelmeer zeigen.
Welter: Und kann man sagen, dass Emmanuel Macron, der jetzt eine G10-Mittelmeer-Initiative gestartet hat, sozusagen dranbleibt?
Kempin: Ja, für Frankreich ist es ganz entscheidend, wenn Sie so wollen, tatsächlich, er hat es auch noch einmal gesagt, im Übrigen, als er die Bundeskanzlerin 2020 auf seiner Sommerresidenz empfangen hat, im August, Frankreich ist eine Mittelmeer-Macht, das hat er ganz klar zum Ausdruck gebracht. Und das geht eben einfach darum, diesem Anspruch gerecht zu werden. Das Mittelmeer nach Frankreichs Vorstellungen und zu Frankreichs Gunsten natürlich zuvorderst auszugestalten und eben die Einfluss-Sphären, die man sich in der Vergangenheit erschlossen hat, auch aufrecht zu erhalten.
Zweitgrößte exklusive Wirtschaftszone
Welter: Ich würde gern über den Mittelmeerraum hinaus vielleicht noch den Blick kurz warten. Sie haben das vorhin schon angedeutet, die Präsenz im Golf von Guinea, die Präsenz auch da, wo es um Spannungen im Persischen Golf geht. Also kann man auch sagen über diesen Mittelmeer Aspekt hinaus, dass Frankreichs maritime Politik , aber auch Interesse, dass das global ist ?
Kempin: Frankreich hat Territorien und auch verbundenen maritime Gewässer in allen Weltmeeren, mit Ausnahme der Arktis. Frankreich hat tatsächlich die zweitgrößte exklusive Wirtschaftszone der Welt hinter den USA. Wir reden da von einer Fläche von 11 Millionen Quadratkilometern, auf denen dann tatsächlich auch französisches Recht, französisches Hoheitsrecht gilt.
Es hat über 10.000 Kilometer Küste, die es ja letztendlich auch beschützen muss, also von daher. Wir schauen natürlich immer auf Frankreich im Sinne des Hexagons, wie die Franzosen es selbst nennen. Wir vergessen dabei, dass Frankreich ja im Pazifik, im Atlantik vor allem, ja Überseegebiete hat, die eben zum französischen Hoheitsgebiet gehören.
Kempin: Frankreich hat Territorien und auch verbundenen maritime Gewässer in allen Weltmeeren, mit Ausnahme der Arktis. Frankreich hat tatsächlich die zweitgrößte exklusive Wirtschaftszone der Welt hinter den USA. Wir reden da von einer Fläche von 11 Millionen Quadratkilometern, auf denen dann tatsächlich auch französisches Recht, französisches Hoheitsrecht gilt.
Es hat über 10.000 Kilometer Küste, die es ja letztendlich auch beschützen muss, also von daher. Wir schauen natürlich immer auf Frankreich im Sinne des Hexagons, wie die Franzosen es selbst nennen. Wir vergessen dabei, dass Frankreich ja im Pazifik, im Atlantik vor allem, ja Überseegebiete hat, die eben zum französischen Hoheitsgebiet gehören.
Die Aspekte maritimer Sicherheit
Welter: Wenn man das jetzt noch mal europäisch betrachtet und diese globale maritime Politik Frankreichs anschaut, wie passt das wiederum in den europäischen Topf? Also, was heißt es für die Europäer, da einen so großen Player im Boot zu haben oder vielleicht auch nicht im Boot zu haben? Auch mit Blick auf gemeinsame europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik?
Kempin: Ich glaube, es ist Chance und Risiko zugleich. Es ist eine Chance, weil sich die Europäische Union in den letzten Jahren sehr zögerlich auf den Weg gemacht hat, das Meer sozusagen und auch die Aspekte maritimer Sicherheit in den Blick zu nehmen. Frankreich hat eine sehr viel längere Tradition, das ist sozusagen ein Vorteil, der jemanden zu haben, der um die Problemlagen schon ganz gut Bescheid weiß und sich damit lang beschäftigt hat. Es ist es aber natürlich auch ein gewisser Nachteil. Sie haben schon gesagt, es ist ein sehr großer Player, ein sehr großer Fisch, würde man vielleicht sagen, um im Bild zu bleiben in diesem Becken, der natürlich die Startvorteile, die er hat, auch zu seinen Gunsten nutzen will. Das fängt in der Wirtschaftspolitik an - in Frankreich selbst hängen über 40.000 Arbeitsplätze, zum Beispiel an der Werftenindustrie im Bereich, also Schiffbau, zivil und militärisch.
Kempin: Ich glaube, es ist Chance und Risiko zugleich. Es ist eine Chance, weil sich die Europäische Union in den letzten Jahren sehr zögerlich auf den Weg gemacht hat, das Meer sozusagen und auch die Aspekte maritimer Sicherheit in den Blick zu nehmen. Frankreich hat eine sehr viel längere Tradition, das ist sozusagen ein Vorteil, der jemanden zu haben, der um die Problemlagen schon ganz gut Bescheid weiß und sich damit lang beschäftigt hat. Es ist es aber natürlich auch ein gewisser Nachteil. Sie haben schon gesagt, es ist ein sehr großer Player, ein sehr großer Fisch, würde man vielleicht sagen, um im Bild zu bleiben in diesem Becken, der natürlich die Startvorteile, die er hat, auch zu seinen Gunsten nutzen will. Das fängt in der Wirtschaftspolitik an - in Frankreich selbst hängen über 40.000 Arbeitsplätze, zum Beispiel an der Werftenindustrie im Bereich, also Schiffbau, zivil und militärisch.
Frankreich hat aber natürlich auch eine ganze Reihe internationaler Abkommen geschlossen, und es hat eine eigene Indopazifik-Strategie, die deutlich älter und ausgefeilter ist, beispielsweise als die deutsche, die relativ jung ist. Und da wird es ganz schwierig sein, natürlich, zu einem Kompromiss zu gelangen im Konzert der EU-27 Mitgliedstaaten, die bei außen- und sicherheitspolitischem Handeln, ja immer noch auf Einstimmigkeit angewiesen sind.